Sehr geehrter Herr Dr. Lauterbach,
eigentlich konnte ich Sie ja nie so richtig leiden. Ihren dauerhaft erhobenen Corona-Zeigefinger. Ihre scheinbare Lust am Verbieten, Ihre Spaßbefreitheit – in Ihnen sah ich die nervigsten Seiten des Deutschen manifestiert. Sorry dafür. Denn mittlerweile ist mir klar: Es geht viel schlimmer.

Denn im wahrsten Sinne des Wortes tödlich ist etwas ganz anderes – unser Verwaltungswahn. Dass man lieber noch mal eine Verordnungsumsetzungsrahmenrichtlinienempfehlung erlässt und nach Landes-, Kreis- und Kommunalebene ausdifferenziert, als einfach mal was zu machen. Und dagegen kämpfen Sie ja auch an, immerhin – und das, obwohl es fast unmöglich scheint, hier etwas zu bewegen.
Sie hatten oft recht
Und eines muss man Ihnen halt doch lassen: Mit Ihren Prognosen lagen Sie sehr oft richtig. Manch einer fordert schon, Sie als Gesundheitsminister einzusetzen. Hier frage ich mich jedoch: Ist das überhaupt mit Ihrem Amt als oberster deutscher Talkshow-Gast vereinbar? Kann man aus einem Markus-Lanz-Stuhl heraus Regierungsgeschäfte erledigen?
Aber, ernsthaft: Schlechter als Jens Spahn würden Sie das Amt wohl nicht ausfüllen. Widerspruch käme da maximal von Apotheker-Lobbyisten. Und ich würde mich wahrscheinlich über das ein oder andere Verbot mehr ärgern. Aber immerhin – Sie erklären und begründen diese Regeln auch. Bei vielen Ihrer Politkollegen ist das längst nicht mehr der Fall.
Es gibt einen Witz über Sie, er geht wie folgt: Ein kleiner Junge geht über die Straße. Sie, Herr Lauterbach, sprechen ihn an: „Na, wie alt bist du?“ Der Junge antwortet: „Acht Jahre.“ Daraufhin Sie: „Ha, in deinem Alter war ich schon zehn!“ Ist schon lustig. Der neunmalkluge Corona-Doktor Lauterbach. Nur: Der Witz ist uralt. Peter Struck hat ihn schon erzählt.
Sie sind sich also treu geblieben, positiv gesagt. Nerven die Nackensteak-und-Dosenbier-Fraktion jedes Jahr mit gut gemeinten Hinweisen, wie schädlich Holzkohle-Grillen doch ist. Sie ernähren sich ja gleich ganz salzfrei, der lieben Gesundheit wegen. Statt Fleisch, Salz, Kohle rieten Sie einst: „Nehmen Sie den Sex: Der macht Spaß und ist umso gesünder, je mehr man davon hat.“ Gras wollen sie schrittweise legalisieren, vielleicht auch Koks. Und wir nennen Sie dröge?
Ihr Twitter-Profil macht mir Hoffnung
Jetzt sagen Sie uns gerade den dritten Lockdown voraus. Ja mei, dann wird‘s wohl so kommen. Lust habe ich keine und manche Maßnahme wird übertrieben sein. Aber was will man machen, unkontrollierte Kita- und Schulöffnungen führen halt exakt zu den erwartbaren Ereignissen. Trotzdem: In Ihrem Twitter-Profil haben Sie immer noch einen Beitrag oben angeheftet. Es ist ein Interview von Ihnen mit der Süddeutschen Zeitung, Titel: „Das wird ein super Sommer.“
Hoffen wir, dass Sie auch dieses Mal Recht behalten. Ich lege für Sie dann auch ein gepökeltes Schweineschnitzel extra auf den Holzkohlegrill und lösche mit Bier ab.