Dass nur wenige Stunden nach der Wiederwahl Trumps niemand mehr in Deutschland über den Polit-Irren in Washington spricht – es ist das letzte große Kunststück, das die zerbrechende Regierungskoalition in Berlin hinbekommen hat. Hut ab, möchte man sagen, wenn es nicht so tragisch wäre.
Natürlich ist die Gleichzeitigkeit der Ereignisse unglücklich, vielleicht sogar unverantwortlich. Gerade jetzt bräuchte es in der stärksten Volkswirtschaft Europas eine stabile und funktionsfähige Regierung, um Trump ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu sein. Nur genau das ist die Ampel-Regierung schon seit Monaten nicht mehr: funktional und ernst zu nehmend.
Seit Monaten beharken sich die Partner mit unvereinbaren Positionen, verletzen sich mit Indiskretionen und durchgestochenen Informationen, die eigentlich vertraulich bleiben sollten. Viel zu häufig war in dieser Zeit parteipolitisches Kalkül zu spüren statt staatsmännischer Verantwortung.
Klar, sowohl FDP als auch Grüne und Sozialdemokraten hatten stets das Wohl Deutschlands im Blick, das darf man unterstellen – nur waren die Ansichten über die richtigen Entscheidungen für dieses Wohl zu unterschiedlich. Und am Ende nicht mehr vereinbar.
Das Ende war nicht unnötig
Deshalb ist das Ende der Koalition unvermeidbar und notwendig gewesen – und eben nicht unnötig, wie es Robert Habeck formuliert. Der Streit wäre über fast zehn Monate bis zum nächsten Wahltermin weitergegangen – der politische Lähmungsprozess fortgeschritten. Wie heißt es so schön im Volksmund: Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.
Dass das nun auf den gleichen Tag wie die Wiederauferstehung Donald Trumps fiel, ist vielmehr Verpflichtung als zu bedauern. Pflicht ist jetzt, schnell zu handeln und eine neue Regierung zu finden, um das politische Vakuum im transatlantischen Bündnis klein zu halten. Der nächste US-Präsident wird Deutschland ins Visier nehmen, darauf braucht das Land eine Antwort.
Olaf Scholz will sein Misstrauensvotum erst im Januar stellen, dann gäbe es Neuwahlen im kommenden März. Damit wechselt er bereits jetzt von der Rolle des Kanzlers in die des Parteikämpfers, denn ein möglichst später Wahltermin bringt den angeschlagenen Koalitionären Zeit, sich zumindest ein wenig zu erholen und neu aufzustellen. Das ist weniger staatspolitische Verantwortung als vielmehr Wahlkampf.
Lindners Wetteinsatz ist hoch
Deshalb liegt CDU-Chef Friedrich Merz richtig damit, wenn er möglichst zügig Neuwahlen fordert. Auch das fühlt sich nach Wahlkampf an, um aus dem Elend des politischen Gegners Kapital zu schlagen. Es ist mit Blick auf die internationalen Krisen und die innenpolitischen Herausforderungen aber richtig. Weiter Zeit zu verlieren, ist keine lohnende Option.
Scholz‘ Versuch, auf Zeit zu spielen, ist ein letzter Dienst an der SPD, die ihm die heiße Liebe immer verweigert hat. Es geht ihm nicht um sich selbst, der kommende Altkanzler wird nach der Wahl vermutlich weder für ein Amt noch ein Mandat zur Verfügung stehen, anders als Christian Lindner. Der „Ampeltöter“, wie ihn das Magazin Stern genannt hat, kämpft um sein politisches Überleben.
Er war es, der die Liberalen aus einem tiefen Tal der Tränen zurück in die Parlamente geführt hat. Er will den Sturz zurück ins Nichts verhindern. Gelingt das nicht, war sein Einsatz hoch: Das Ende der politischen Karriere mit nur 46 Jahren. Ein Alter, in dem andere Politiker erst anfangen.