Nach dem Schock über den russischen Einmarsch in der Ukraine diskutiert Deutschland über die Zukunft seiner Streitkräfte. Wie können die 100 Milliarden Euro, mit denen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bundeswehr wieder flott machen will, am besten eingesetzt werden? Muss bald gar die Wehrpflicht wieder greifen? Nach dem Schock über den russischen Einmarsch in der Ukraine diskutiert Deutschland über die Zukunft seiner Streitkräfte. Wie können die 100 Milliarden Euro für die Streitkräfte am besten eingesetzt werden? So marode, wie sich die Armee im Moment darstellt, darf sie nicht bleiben, da sind sich Experten aus den Parteien einig. Marcus Faber, verteidigungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, etwa bilanzierte gegenüber unserer Redaktion: „Die Bundeswehr wurde über viele Jahre kaputtgespart. Zur Verteidigung unserer Republik sind wir derzeit allein nicht in der Lage.“
Investitionen vor allem in Modernisierung und Quantität
Beim geplanten Investitionsprogramm gehe es in den kommenden vier Jahren nun vor allem um Modernisierung, so Faber weiter. Es soll also altes Material durch neues ersetzt werden. Zudem braucht es an einigen Stellen größere Stückzahlen. Auch Munition ist ein zentrales Thema. Als Beispiele für nötige Maßnahmen nennt Faber die Beschaffung von Ersatz für den betagten Kampfjet Tornado, neue schwere Transporthubschrauber, die Modernisierung sowie Beschaffung weiterer Exemplare des Schützenpanzers Puma, die Modernisierung des Kampfhubschraubers Tiger, des Kampfpanzers Leopard und des Luftverteidigungssystems Patriot. Und eben: „Munition, Munition, Munition.“

Auf die Erwartungsbremse tritt Ex-Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn. „100 Milliarden Euro, das klingt nach viel. Aber diese Summe wird vollständig gebraucht werden für Projekte, die bereits seit Langem geplant sind.“ Viel wichtiger und ein „starkes Signal“ sei die Zusage des Bundeskanzlers, dass Deutschland künftig mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investieren werde.

Forderungen nach Wiedereinführung der Wehrpflicht
Eine Bundeswehr, die das Land verteidigen und einen angemessenen Beitrag innerhalb der Nato leisten kann, wird nicht nur zusätzliches Material brauchen. Die Armee zählt aktuell 185 000 Köpfe, schon seit Jahren ist der Politik klar, dass dies nicht ausreicht. Soldatinnen und Soldaten fehlen, doch bei der Rekrutierung geeigneten Nachwuchses tut sich die Truppe schwer. So werden nun Forderungen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht laut. Dies, so sagte der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann, wäre „ein entscheidendes Signal zur Sicherstellung einer wirksamen militärischen Abschreckungs- und Bündnisfähigkeit Deutschlands“.
Allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen als Option
Deutschland hatte die allgemeine Wehrpflicht für Männer 2011 ausgesetzt, aber nicht endgültig abgeschafft. Verteidigungsminister war damals der CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg. Auch der CDU-Politiker Patrick Sensburg findet, dass über eine Korrektur nun geredet werden müsse. Es sei möglich, die Wehrpflicht über eine allgemeine Dienstpflicht umzusetzen, so der Präsident des Reservistenverbands. Auch CDU-Vize Carsten Linnemann befürwortet die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht für Frauen und Männer, die nicht nur beim Militär, sondern etwa auch beim Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr, in der Pflege oder in Vereinen abzuleisten wäre. Das Konzept stammt von der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Selbst in der SPD hat es einzelne Anhänger. So will Sicherheitsexperte Wolfgang Hellmich diese Debatte „unbedingt führen“.
Auch Gegenstimmen im Parlament

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält die Vorstöße auch aus der Unionsschwester CDU indes für den falschen Weg. „Wir benötigen schnell neueste Ausrüstung und modernste Waffensysteme, aber keine allgemeine Wehrpflicht.“ Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte bereits gesagt, eine Wehrpflicht helfe in der aktuellen Diskussion nicht weiter. Skeptisch bis ablehnend ist die Haltung bei den Grünen. Parteichef Omid Nouripour etwa hält eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für den falschen Weg. Dieser Meinung sind auch FDP-Politiker wie Marcus Faber.