Ann-Katrin Hahner

Prinzessin Charlotte war in jüngster Vergangenheit bei öffentlichen Veranstaltungen nicht selten allein an Prinzessin Kates Seite zu sehen. Denn während Prinz George als zukünftiger König von Großbritannien bereits jetzt im Rampenlicht steht und als solcher seinen ersten Termin absolvierte, achten Prinz William und Prinzessin Kate besonders darauf, dass ihre Tochter nicht zur klassischen „Reserve“ degradiert wird. Dabei handelt es sich um jenen ungeliebten Platz in der königlichen Familie, den ihr Onkel, Prinz Harry, so offen in seinem Buch „Spare“ (deutsch: „Reserve“) beklagte.

„Ersatz“ für den Thronfolger? Warum Prinzessin Charlotte nicht das Gleiche durchmachen soll wie Harry

Historisch gesehen war die Rolle des „Ersatzes“ – oder wie es Prinz Harry in seinem 2023 erschienenen Buch formulierte, des Plan B – oft mit Unsicherheit, emotionaler Leere und wachsender Frustration verbunden. „Ich war der Schatten, die Unterstützung, der Plan B. Ich wurde in die Welt gebracht, falls etwas mit Willy passiert“, schrieb Harry in seiner Autobiografie. Er erzählte, dass seine Rolle als „Ersatz“ zu Spannungen und Rivalität mit seinem älteren Bruder geführt und er sich manchmal „abgewiesen“ oder „abgewertet“ gefühlt habe. „Meine Familie hatte mich zur Nullnummer erklärt. Dem Ersatz.“

Auch königliche Biografen bestätigen, wie schwierig diese Position innerhalb der Königsfamilie sein kann. Robert Hardman, Autor von „The Making of a King“, erklärte aktuell im Gespräch mit dem People Magazine: „Die verstorbene Königin war sich der herausfordernden Rolle der Nummer 2 sehr bewusst. [...] Sie hatte ein besonderes Verhältnis zu ihrer Schwester Margaret, ihrem Sohn Andrew und Harry. Sie verstand die Schwierigkeiten, wenn man in einer strikt hierarchischen Familie immer auf Platz zwei steht.“

Prinzessin Charlotte, geboren am 2. Mai 2015, ist die erste Tochter eines britischen Königs, die durch den „Succession to the Crown Act“ aus dem Jahr 2013 ihren Platz in der Thronfolge nicht an ihren jüngeren Bruder Louis (7) verloren hat – ein Meilenstein in der Geschichte der Royals. Sie steht aktuell an dritter Stelle hinter Prinz George (11) und wird von ihren Eltern behutsam auf ihre Rolle vorbereitet – jedoch mit einem ganz anderen Ansatz als frühere „Spares“ wie Harry oder Prinz Andrew.

Laut Hardman sei sich insbesondere Prinz William der Dynamik um den „Spare“ bewusst. Für ihn sei es zentral, „nicht nur sich selbst auf das Königsamt vorzubereiten, sondern das königliche Leben für alle seine Kinder verständlich und nicht beängstigend zu gestalten“. Gemeinsam mit Prinzessin Kate verfolge William offenbar das Ziel, Charlotte ein Gleichgewicht zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre zu ermöglichen, erläutert der Experte im Gespräch mit People.

Prinzessin Charlotte als „Reserve“ für das Königshaus?

Die in Großbritannien mit der Problematik häufig zitierte Redewendung „an heir and a spare“ – also ein „Erbe und ein Ersatz“ bezieht sich auf aristokratische Familien, die einen Erben brauchen, um einen Titel oder ein Vermögen zu erben. Aber auch den „Ersatz“ als jüngeres Geschwisterkind, das den Erben ersetzen könnte, falls ihm etwas zustößt, bevor er oder sie eigene Kinder hat.

Die britische Geschichte zeigt in einer Zusammenfassung der British Broadcasting Company (BBC) eindrucksvoll, wie tief die Kluft zwischen einem Erben und dem „Ersatz“ sein kann. Von Prinz John, der seinem Bruder Richard Löwenherz beinahe die Krone entriss, bis hin zu Prinzessin Margaret, die lebenslang unter ihrer Rolle im Schatten von Queen Elizabeth II. litt – wie aus einem früheren Artikel des People Magazine hervorgeht.

Die Washington Post analysierte in einem Artikel von 2023 diesbezüglich: „Spares wurden historisch oft für politische Zwecke eingesetzt, hatten aber keine Garantie auf eigene Macht. Sie waren für die Königshäuser essenziell – aber auch entbehrlich.“ Diese Ambivalenz führte bei vielen zu Rivalitäten, Lebenskrisen oder dem Drang zur Rebellion.

Die heutigen Royals haben aus der Vergangenheit offenbar gelernt. Laut einem Insider, zitiert im People Magazine, liegt der Fokus von William und Kate auf einer „ausgewogenen Erziehung zwischen Pflichtbewusstsein und einem geschützten Familienleben“. So könne Charlotte später selbst entscheiden, ob sie etwa den traditionsreichen Titel „Princess Royal“ annehmen wolle, wie es ihre Großtante, Prinzessin Anne einst tat, – oder eben nicht.

Wie es Hardman formulierte: „Jeder ist sich heute der Herausforderungen bewusst, die mit der Rolle des Zweiten kommen.“ Und genau deshalb setzen William und Kate offenbar alles daran, dass Charlotte niemals das Gefühl haben muss, nur der „Ersatz“ für ihren Bruder George zu sein.