Auf positive Resonanz hatte der SC Preußen Münster in den vergangenen Wochen und Monaten vergeblich gewartet. Sportlich ist der Fußball-Drittligist praktisch seit dem Spätsommer auf Talfahrt, finanziell geht es dem 1906 gegründeten Club alles andere als gut, Applaus und Anerkennung wurden zum raren Gut rund um den SCP. Auch das 0:0 gegen die Würzburger Kickers riss die 5457 Zuschauer lange nicht vom Hocker. Dann kamen die 85. Minute und die folgenschwere Momente im Punktspiel gegen die Kickers, als Gäste-Spieler Leroy Kwadwo rassistisch beleidigt. Ein 29 Jahre alter Mann aus dem Kreis Steinfurt wollte Kwadwo „zurück in sein Loch“ schicken und imitierte Affenlaute. Ein übler Vorfall auf der Haupttribüne des SCP.

Nur kam der Übeltäter nicht so einfach davon. Wie die Polizei-Leitstelle bestätigte, wollte er, nachdem er offenbar die Dimension seiner Ausfälle erkannt hatte, fluchtartig die Arena verlassen. Doch aufmerksame Zuschauer informierten gleich die Polizei, der Mann wurde festgehalten, die Personalien aufgenommen und dann auf freien Fuß gesetzt.
Fans skandieren: „Nazis raus“
Und Münsters Publikum? Intuitiv erkannten viele Besucher die Situation, bezogen Stellung, klatschten Kwadwo Mut zu und skandierten „Nazis raus“ – was nicht wenige als die beste Anfeuerung seit langem empfanden. Ein klares Bekenntnis für Kwadwo und eine deutliche politische Aussage. Im Preußenstadion wurde klare Kante gezeigt.
Lob in den sozialen Medien
In den sozialen Medien wurde das mit Lob überhäuft. Ein Anhänger des ewigen Rivalen, Arminia Bielefeld, schrieb, „auch wenn wir Fans von Arminia die Preußen traditionell kacke finden müssen, dieser Umgang damit ist erstklassig.“ Aus Portugal kam Lob: „Wow. … Tolle Reaktion der Fans gegen diesen Rassisten!“ Und ein Würzburger Fan ließ es sich nicht nehmen zu sagen: „Starkes Statement. Grüße von der Heimfahrt und hoffentlich bis nächstes Jahr in der 3. Liga“. Selbst der Rivale aus der Nachbarschaft meldete sich zu Wort. „Starke Reaktion, Grüsse vom VfL Osnabrück“ hieß es als Retweet bei Instagram – garniert mit einem lilafarbenem Herzen. Und das war nur ein kleiner Ausschnitt. Nicht unterschlagen werden sollte, dass es vereinzelte User gab, die den Vorfall versuchten zu bagatellisieren oder lächerlich zu machen.
Besuch im ZDF-Sportstudio
Kwadwo, ein 23 Jahre alter Abwehrspieler mit der Erfahrung von 16 Drittliga-Spielen, geboren in Herten und fußballerisch sozialisiert bei RW Essen, Schalke 04 und Westfalia Herne, agierte souverän und beherrscht. „Sowas muss man im Keim ersticken“, sagte er, als er am Samstag Gast im ZDF-Sportstudio war.
Als er die Affenlaute hörte, war er geschockt („Das ist mir erstmals passiert“), dann empfand er die Stimmung im Stadion als Aufmunterung. Denn: „Es war fast eine Genugtuung für mich. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Fans von Preußen Münster.“ Es sei ein deutliches Zeichen von Menschlichkeit gewesen. Aus einem üblen rassistischen Ausfall wurde so ein gesellschaftlicher Schulterschluss.Der Verein distanzierte sich sofort, erklärte das Stadion zu einem Raum, „in dem kein Platz für Nazi sei“. Und, so Pressesprecher Marcel Weskamp: „Die Reaktion im Stadion war überragend.“ Auch Präsident Christoph Strässer entschuldigte sich bei Leroy Kwadwo und kündigte Konsequenzen an.
Dem „Pöbler“ droht ein Stadionverbot und eine Geldstrafe
Denn der Verein hat nun auch eine Handhabe gegen den „Pöbeler“. Das Stadionverbot, generell sind drei Jahre die Höchststrafe, dürfte sicher sein und auch bundesweit ausgeweitet werden. Der Deutsche Fußball-Bund wird zudem eine Geldstrafe aussprechen, der SCP kann die an den Täter „weiterreihen“. Zudem droht dem 29-Jährigen eine Anzeige wegen Volksverhetzung, das Strafmaß bei einer Verurteilung geht von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft.
Wenige Tage nach dem Vorfall um Hertha-Spieler Jordan Torunarigha beim Spiel in Schalke war dies ein neuerlicher rassistischer Vorfall im deutschen Profifußball. So verwerflich das Verhalten des einzelnen Zuschauers war, so beeindruckend war die Reaktion auf den Rängen, die Zusammenarbeit mit der Polizei und der kollektive Protest.
Die drei Stufengegen Rassismus
- Die Vorgaben der Fifa: Die Verhaltensrichtlinien des Weltverbandes Fifa und der Europäischen Fußball-Union Uefa für den Schiedsrichter sehen bei diskriminierenden und rassistischen Vorfällen jeweils drei Schritte vor. Die Fifahatte dieses Prozedere in ihren Wettbewerben seit dem Confederations Cup 2017 eingeführt. Generalsekretärin Fatma Samoura hatte ihre Mitgliederverbände und Ligen in einem Brief im Juli 2019 gebeten, dieses auch in den nationalen Wettbewerben umzusetzen. Durch das dreistufige Verfahren bei der Fifa für „diskriminierende Vorfälle im Stadion“ können Schiedsrichter:
„1. das Spiel unterbrechen und die Zuschauer per Stadiondurchsage auffordern, mit dem diskriminierenden Verhalten aufzuhören;
2. das Spiel für eine weitere Durchsage erneut unterbrechen und die Spieler für einen angemessenen Zeitraum in die Umkleidekabine schicken, falls das diskriminierende Verhalten anhält oder erneut einsetzt;
3. das Spiel nach Rücksprache abbrechen, falls das diskriminierende Verhalten anhält oder erneut einsetzt.“
- Die Vorgaben der Uefa: Auch die Uefa sieht ein klares Vorgehen gegen Rassismus vor. In einer Resolution des Kontinentalverbandes heißt es:
„Schiedsrichter sollten ein Spiel bei rassistischen Vorfällen unterbrechen, vorübergehend aussetzen oder auch ganz abbrechen. Die dreistufigen Richtlinien der Uefa sehen vor, dass ein Spiel zunächst unterbrochen und per Durchsage eine Warnung ausgesprochen wird. Im nächsten Schritt wird das Spiel vorübergehend ausgesetzt. Letztendlich wird das Spiel – nach Absprache mit den Sicherheitsverantwortlichen – abgebrochen, wenn das rassistische Verhalten anhält. In einem solchen Fall wird das Spiel als Forfait-Niederlage für die verantwortliche Mannschaft gewertet.“