Geisterspiel in Freiburg – das Ungewöhnliche beginnt schon im Höllental – null Verkehr! Und dann bei der Abfahrt von der B 31 Richtung Littenweiler: Kein Auto biegt vor mir ab, geradezu gespenstisch, kein Auto fährt vor mir bis zur August-Ganther-Straße, wo ich rechts hinein steuere und direkt zum Stadion an der Schwarzwaldstraße fahre. Normalerweise ist das schmale Sträßchen gesperrt, diesmal nicht. Auf dem Parkplatz hinter der Haupttribüne des Schwarzwaldstadions angekommen, wo normalerweise nur TV-Trucks und Karossen von VIPs parken dürfen, werde ich – es ist Corona-Zeit – direkt in ein kleines rotes Zelt gelotst. Anmeldung, Temperatur messen, 36,1 Grad, passt, kein Fieber. Vielleicht ist das dann nach dem Spiel anders, denn es ist, mit Verlaub, saukalt. Keine zehn Grad, vielleicht sechs, sieben. Man könnte vielleicht einen Himbeergeist gebrauchen.
Pünktlich um halb vier, in diesen Tagen des Fußballs Geisterstunde, pfeift Schiedsrichter Robert Hartmann aus Wangen im Allgäu an. Die Unparteiischen kommen aus der Nähe, der Zeitgeist will es so. Linienrichterassistent Robert Kempter stammt aus Sauldorf, der vierte Offizielle Thorsten Schiffner kommt aus Konstanz. Lediglich der zweite Mann mit der Fahne, Christian Gittelmann, hatte aus Gauersheim in Rheinland-Pfalz eine etwas weitere Anreise. Das leere Schwarzwaldstadion ist ein veritables Geisterhaus, dessen Stille nun schnell zerrissen wird von Schreien aus Fußballerkehlen.
Nach fünf Minuten rempelt Bremens Poltergeist Veljkovic den Freiburger Schöngeist Höler um, worauf Feingeist Grifo den Ball schön über die Mauer aufs rechte Toreck zirkelt. Aber Werder-Keeper Pavlenka pariert geistesgegenwärtig. Und schon bald entpuppen sich die von Kampfgeist beseelten Hanseaten als echte Quälgeister, fahren den Südbadenern immer wieder in die Parade.
Nachdem Sallai für den Sportclub die Chance zum 1:0 ausgelassen hat, macht es Werder besser. In der 19. Minute findet Klaasens Pass Stürmer Bittencourt, und der besorgt im Nieselregen mit einem trockenen Schuss aus 20 Metern Entfernung die Führung des Tabellenvorletzten. Bei den Burschen von SC-Trainer Christian Streich geht wenig zusammen, phasenweise scheinen sie von allen guten Geistern verlassen. Aber irgendwie mögen sie diese Bremer einfach nicht, die langjährige Bilanz ist eine des Schreckens.

Pause. 15 Minuten Zeit für die Kicker, sich im Kabinentrakt aufzuwärmen. Zeit für die zehn Zeitungsjournalisten, die Einlass bekommen hatten für diese Partie, sich dem von zu Hause mitgebrachten Vesper zu widmen. Da darf es dann eine Frikadelle sein, ganz so, als hätte der Presseraum im Stadion geöffnet und das Sportclub-Catering angerichtet.
Dann sind die Akteure zurück auf dem Rasen. Würde es den Freiburgern gelingen, den Geist aus der Flasche zu lassen? Ein paar Geistesblitze wären schon wünschenswert gewesen aus Sicht der Gastgeber. Doch im roten Trikot steckt einfach kein Freigeist. Sallai versucht es mit einem Hauch von Gewalt, Pavlenka wehrt ab. Höfler versucht es mit brachialer Gewalt, Pavlenkas rechte Hand lenkt die Kugel über den Kasten. Und als Teufelskerl Pavlenka doch mal geschlagen ist, klärt Bargfrede kurz vor der Torlinie vor Höler. 66 Minuten sind vorüber – und wenn danach den Freiburgern zwar nicht die Lebensgeister abhanden kommen, so doch die Ideen. Bis in die 89. Minute hinein. Eine Minute zuvor ist Bargfrede mit Gelb-Rot vom Feld geschickt worden, jetzt flankt der eingewechselte Kwon, Petersen drischt die Kugel volley an den Pfosten und Gulde schubst den Abpraller ins Tor. Wie aus dem Nichts, oder besser: wie von Geisterhand per Fuß doch noch das 1:1? Denkste! Videoschiedsrichter Winkmann betätigt sich als böser Geist in der Ferne: Abseits von Petersen! Die Freiburger sind entgeistert, aber die Entscheidung ist richtig. Torjäger Petersen, einst von der Weser an die Dreisam, einst von Werder zum Sportclub gekommen, hat in der sechsten und letzten Minute der Nachspielzeit noch eine Direktabnahme parat, doch ist auch diesmal wieder Pavlenka zur Stelle. Dann beendet Schiedsrichter Hartmann den Spuk, nach einem infernalischen Siegesgebrüll der Bremer kehrt wieder ein, was auch ganz am Anfang war im Schwarzwaldstadion: gespenstische Stille.