Auf dem Fahrrad saß Christian Streich schon immer gern. Dass er in seinen zwölfeinhalb Jahren als Profitrainer des SC Freiburg häufig mit dem Drahtesel statt wie fast branchenüblich mit irgendeiner Nobelkarosse zum Training kam, wurde oft als Symbol seiner badischen Bescheidenheit gewertet.
Auch heute fährt Streich noch viel Rad – nur eben nicht zur Arbeit, sondern in der Freizeit. Die Öffentlichkeit sieht und hört wenig vom langjährigen Kulttrainer, der sich vorigen Sommer emotional von der großen Bühne verabschiedet hat und über seinen 60. Geburtstag am Mittwoch nun im Frankreich-Urlaub ist. Den Profifußball, so wirkt es, verfolgt Streich weiter intensiv und doch aus einer gewissen Distanz. Eine Rückkehr scheint zumindest vorerst nicht absehbar.
Schusters „dankbares Erbe“ beim SC
Beim SC, mit dem Streich fast drei Jahrzehnte lang schier unzertrennlich verbunden war, hat seit zwölf Monaten Julian Schuster das Sagen. Den Übergang meisterten die Breisgauer erstaunlich ruckelfrei und nahezu in Perfektion. Fast hätten sie ihn sogar mit dem Premiereneinzug in die Champions League gekrönt. Daran, dass sie es schließlich zum dritten Mal in vier Jahren in die Europa League schafften, habe auch Streich seinen Anteil, betonen alle.
Er habe „kein schweres, sondern ein sehr dankbares Erbe“ angetreten, sagte Coach Schuster in der Schlussphase der vergangenen Saison. „Christian hat die Gesamtkultur geprägt und einen fruchtbaren Boden hinterlassen, den Julian jetzt auf seine Art gut genutzt und geprägt hat“, erklärte Sportvorstand Jochen Saier kürzlich im Interview der „Badischen Zeitung“.
Mehr als das gute Gewissen der Liga
29 Jahre lang war Streich Trainer beim SC – erst im Nachwuchs, dann bei den Profis. Nach und nach entwickelte er sich zu einem der prägenden Gesichter der Bundesliga und des deutschen Fußballs. Auch weit über den Sport hinaus erfreute er sich größter Beliebtheit. Seine Interviews und Pressekonferenzen waren mitunter legendär – und nicht selten extrem tiefgründig.
Streich positionierte sich seit jeher nicht nur zu sportlichen, sondern auch zu gesellschaftlichen Themen. Er erhielt schon viele Auszeichnungen – 2023 sogar den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg für sein soziales und politisches Engagement, für seinen Einsatz für die demokratischen Werte.
Arbeit in der Heimat ein Privileg
Dass er den Trainerjob in seiner Heimat ausüben und nicht wie viele Kollegen gefühlt aus dem Koffer leben musste, hat Streich immer als Privileg empfunden. Ob, wann und wo er noch mal die Energie für ein Comeback im Profifußball aufbringen will, dürfte sich der gebürtige Südbadener daher gut überlegen.
Familie und Freunde treffen, sich neuen Dingen zuwenden, reisen, bei Firmen- oder Charity-Events vorbeischauen – einem weltoffenen und wissbegierigen Menschen wie Streich hat das Leben ja auch sonst viel zu bieten.
Er könne sich dennoch „gut vorstellen, dass wir ihn nächste Saison auch wieder ab und an im Stadion sehen werden“, sagte Freiburgs Sportchef Saier zuletzt über Streich. Bleibt sich der Ex-Coach treu, kommt er dann mit dem Fahrrad. (dpa)