Lieber Julian Schuster,
erinnern Sie sich an unser letztes Gespräch, als Sie noch Bundesligaspieler waren und Kapitän des SC Freiburg? Sicher nicht, ich schon. Ihre dunklen braunen Augen wurden größer und größer im gleichen Augenblick, wie die Thematik brisant wurde. Unsichere Menschen schauen da gerne zur Seite, Sie aber fixieren Ihr Gegenüber mit festem Blick.
Mich wundert es nicht, dass Sie auf die Anfrage des Sport-Clubs, ob Sie sich der Aufgabe des Cheftrainers gewachsen fühlen, mit einem klaren Ja geantwortet haben. Mich wundert es nicht, dass Ihnen Vorbehalte von dritter, letztlich unmaßgeblicher Seite nichts ausgemacht haben – nicht reif genug für dieses stressige, nervenaufreibende Amt, da Sie doch noch nie eine Mannschaft trainiert hätten. Ihr Konter war wunderbar, dies sei nachweislich falsch, weil Sie doch beim FV Löchgau, da wo Sie herkommen, ein Jugendteam trainiert hätten.
Ein Schwabe? Ein Freiburger!
Löchgau liegt im Schwäbischen. Landkreis Ludwigsburg. Da komme man nicht her, hat der Freiburger Nachbar zu Ihnen gesagt. Aber inzwischen, nach 16 Jahren Garten an Garten, seien Sie geduldet. Natürlich war das ein Späßle. Aber mit Ihrem Bekenntnis, Ihre vier Kinder seien ja alle in Freiburg geboren und die Stadt im Breisgau längst zu Ihrer Heimat geworden, haben Sie dem über 80-jährigen Mann nebenan trotzdem eine Freude gemacht. Und es stimmt ja auch.
Der Schuster ist Freiburg und der Sport-Club ist Schuster. Deshalb konnten Sie auch schmunzeln über den Vergleich mit Vorgänger Christian Streich. Kaum hatte der seinen Abschied verkündet und die Vereinsführung Sie zum Nachfolger bestimmt, da hieß es, Sie würden da aber in große Fußstapfen treten.
Eine wegwerfende Handbewegung oder auch nur ein Lächeln zur falschen Zeit hätte Sie, hoppla, in Teufels Küche gebracht. Stattdessen haben sie souverän erklärt, es ginge gar nicht darum, in Fußstapfen zu treten, sondern sie als Wegweiser zu begreifen. Hier der Wert der vereinsinternen Kräfte, dort die Chance, Neues zu wagen.
Spüren Sie den Druck überhaupt?
16 Jahre SC Freiburg. Sie hätten nie den Plan gehabt, hier Trainer zu werden, den Wunsch schon. Der ist nun in Erfüllung gegangen. Jetzt haben Sie den Druck. Oder doch nicht? Nicht einmal sind Sie nervös geworden seit Trainingsstart am 7. Juli. Sie wirken so gelassen, dass Sie auch als Entspannungstherapeut arbeiten könnten. Sie vermitteln Selbstbewusstsein, Zielstrebigkeit, Freude. Und jetzt kommt zum Bundesliga-Auftakt der VfB Stuttgart, ehe es zu den Bayern nach München geht.
Der Horror? Als der Spielplan kam, sagten Sie zu Ihren Co-Trainern, das sei super. Start mit einem Heimspiel, und die Bayern hätten ja einen neuen Trainer und müssten sich erst mal einspielen. „Wir haben aber auch einen neuen Trainer“, kam die Replik der Kollegen. Was für eine wunderbare kleine Geschichte.
Lieber Julian Schuster, verlieren Sie nie diese Einstellung. In der Hoffnung, dass Ihre dunklen braunen Augen nie größer werden müssen, wünsche ich Ihnen nur das Beste!