Lieber Kai,
haben Sie schon realisiert, was Sie da erreicht haben? Das ist ja kaum zu fassen. Ein 29 Jahre alter Mann aus Villingen-Schwenningen, der für einen Drittliga-Verein spielt, ist plötzlich der Fußballer, der von den Titelseiten grüßt und am Samstag ab 23 Uhr zu Gast im ZDF-Sportstudio ist. Ich freue mich für Sie. Auch einige Tage nach dem Einzug Ihrer Mannschaft in das Halbfinale des DFB-Pokals ist es schwierig, die richtigen Worte zu finden für die Sensation, für die Sie mit Ihren Teamkollegen gesorgt haben.
Dass Sie in dieser Pokal-Saison so oft perfekt standen und die richtigen Entscheidungen trafen, mag vielleicht Zufall sein. Aber das glaube ich nicht, denn Sie haben sich diese Erfolge verdient. Wenn man mit ehemaligen Mitspielern von Ihnen spricht, fallen immer wieder Worte wie Demut oder Bodenständigkeit.
Sie schöpfen Kraft durch Fußball
Sie sind ein Teamplayer, der geschätzt wird, weil er für seine Mannschaft alles gibt. Und Sie haben das Herz am rechten Fleck. Das habe ich schnell gemerkt, als ich mit Ihnen einen Tag nach dem Sieg gegen den FC Bayern München sprechen konnte. Sie scheinen ein feiner Kerl, ein angenehmer, lässiger Typ zu sein.
Was mich aber am allermeisten an Ihnen fasziniert: Welche Kraft Sie durch den Fußball schöpfen. Es ist unfassbar traurig, was Sie durchmachen mussten. Ihr Vater Dirk verschwand am 23. Dezember 2022, 77 Tage lang wurde er vermisst, ehe sein Leichnam gefunden wurde. Für Sie und Ihre Familie muss das eine Qual gewesen sein. Diese Ungewissheit, diese Verzweiflung. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an diesen Fall zurückdenke. Trotzdem haben Sie nach diesem schweren Schicksalsschlag nie aufgegeben.
Und sie liefern sportlich ab! In der ersten Pokal-Runde besiegten Sie mit dem 1. FC Saarbrücken das starke Zweitliga-Team Karlsruher SC mit 2:1. Eine Überraschung, Sie erzielten den Siegtreffer in der Nachspielzeit. Dann kam das Duell mit scheinbar übermächtigen dem FC Bayern München.
Nach Grippe rechtzeitig im Kader
Nach einer Grippe hatten Sie es gerade rechtzeitig in den Kader geschafft, wurden eingewechselt, als die Minuten begannen, die sich für Sie und Ihre Mannschaftskollegen bis heute surreal anfühlen müssen. Ein 2:1-Sieg gegen den Rekordmeister, einfach unglaublich. Anschließend warfen Sie auch Europa-League-Teilnehmer Eintracht Frankfurt raus, beim 2:0-Erfolg schossen Sie wieder ein Tor und lieferten eine Vorlage.
Im Viertelfinale gegen den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach am vergangenen Dienstag folgte nun Teil vier dieser Erfolgsgeschichte. Beim 2:1-Sieg wurden Sie zum dritten Mal zum Pokal-Helden durch den entscheidenden Treffer in der Nachspielzeit.
Sie sind ein Kämpfer, privat und auf dem Fußballplatz. Ihr Papa wäre stolz auf Sie! Er wird sicher von oben verfolgen, wie es für Sie und Ihr Team nun im DFB-Pokal weitergeht. Am 2. April kommt es zum Duell gegen den 1. FC Kaiserslautern. Noch ein Sieg – und dann stünden Sie im Finale in Berlin. Das wäre ein Wunder. Wobei ganz ehrlich: Ihnen ist wirklich alles zuzutrauen.