Herr Segelbacher, seit 2003 richten Sie den MTU-Cup für Nachwuchsfußballer in Friedrichshafen aus. Woran erinnern Sie sich ganz besonders, wenn Sie die vergangenen 20 Jahre Revue passieren lassen?

Es sind so viele Dinge passiert, alleine über die Organisation könnte ich ein Buch schreiben. Vor ein paar Jahren ist beim FC Chelsea alles zusammengekommen. Wir haben sie am Flughafen verpasst, es gab einen kleinen Unfall mit dem Kleinbus, es wurde falsch getankt – und als die Mannschaft am Hotel ankam, hieß es, dass kein Zimmer reserviert sei.

Das nur im Schnelldurchlauf zu dieser Extremsituation. 99 Prozent sind richtig gelaufen, über das eine Prozent kann man im Nachhinein schmunzeln. Unter dem Strich haben wir viele, viele Dinge einfach richtig gemacht, sodass sich die Veranstaltung von einem Mini-Turnier in den ersten Jahren zum Top-Turnier in Europa entwickelt hat. Das sagen zumindest die Trainer der teilnehmenden Mannschaften.

Wie oft ertappen Sie sich dabei, dass Sie einen der heutigen Stars im TV sehen und denken: Der war auch schon bei uns zu Gast?

Das ist fast immer der Fall, wenn ich internationale Spiele schaue. Bei uns sind Spieler aufgefallen wie der Dortmunder Youssoufa Moukoko, der bester Spieler und Torschützenkönig wurde. Ganz besonders war auch der heutige Leipziger Xavi Simons, der nicht nur mit seiner Lockenpracht im Trikot des FC Barcelona auffiel und heute eine herausragende Rolle in der Bundesliga spielt. Dann sein Teamkollege Dani Olmo, oder Josko Gvardiol, der jetzt als teuerster Verteidiger für 90 Millionen zu Manchester City gewechselt ist.

Ganz am Anfang, 2003, als es ein noch kleines Turnier war, war schon der FC Bayern München mit Holger Badstuber und Thomas Müller dabei und bei Borussia Dortmund Marco Reus. Wir könnten eine Mannschaft erstellen, die sicherlich in der Champions League im Halbfinale oder gar im Finale stehen könnte. Das sind ja alles Spieler auf höchstem Niveau, und erstaunlich ist, dass es nur einer oder zwei aus jeder Mannschaft später mal schaffen.

Was erwartet die Zuschauer in diesem Jahr am 2. und 3. Dezember in der Messehalle 1A?

Wir waren die letzten Jahre ein Turnier auf höchstem Niveau, und das wird auch dieses Jahr so sein. Die Schwergewichte mit dem FC Barcelona, Manchester United und FC Chelsea sind wieder mit dabei, aus Deutschland der FC Bayern, Borussia Dortmund, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt. Dazu kommen einige Vereine, die eine unglaublich gute Nachwuchsarbeit leisten.

Royal Antwerpen aus Belgien, PSV Eindhoven, die beide in der Champions League spielen, auch Red Bull Salzburg macht richtig Musik. Für unsere türkischen Landsleute ist Fenerbahce Istanbul im Turnier.

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Und wie sieht es mit lokalen Teams aus, haben diese eine Chance?

Das wird schwierig, die Diskrepanz zu den Top-Vereinen ist sicherlich groß, aber die Turnierhistorie zeigt, dass nichts unmöglich ist. Das MTU-Leistungszentrum hat es auch schon geschafft, die Hürde am ersten Tag zu nehmen und sich für die Finalrunde am Sonntag zu qualifizieren.

Sie hatten jedes Jahr ein internationales Lieblingsteam, sei es eine Mannschaft aus Japan oder Afrika, die erste Zusage des FC Barcelona bezeichneten Sie als Lottogewinn. Was ist Ihr persönliches Highlight bei der 19. Ausgabe?

Das ist für mich in diesem Jahr Sporting Lissabon. Die waren noch nie da, ich war im Sommer dort und habe sie in Portugal besucht. Es ist die einzige Nachwuchs-Akademie, die mit Luis Figo und Cristiano Ronaldo gleich zwei Weltfußballer herausgebracht hat. Einfach verrückt! Sie heißt sogar Cristiano-Ronaldo-Akademie. Auf die bin ich richtig gespannt.

Mussten Sie wieder Flugmeilen sammeln und Überzeugungsarbeit leisten, um Ihre Wunschvereine zu bekommen?

Ich war in meinen Sommerferien in diesem Jahr in der Türkei, in Lissabon und in Barcelona. Es laufen viele Gespräche im Voraus, viele Mails. Besonders beeindruckend ist immer wieder die Jugendakademie La Masia des FC Barcelona in der Ciutat Esportiva Joan Gamper. Das ist ein riesengroßes abgeschirmtes Gelände. Es ist grandios, die Leute dort zu treffen und persönlich mit ihnen zu reden. Das ist ein wunderschöner Nebeneffekt der ganzen Arbeit.

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Was bekommen Sie dort von den Machern gespiegelt. Was macht Ihren Cup am kleinen Bodensee so attraktiv für die großen Namen des Weltfußballs?

Wir haben seit 20 Jahren mit der Organisation und dem tollen Teilnehmerfeld immer wieder ein Statement gesetzt. Entscheidend ist auch: Wir haben 24 Mannschaften im Turnier und davon sind 16 Top-Teams, die schon am ersten Tag in der Gruppe gegeneinander spielen. Das wollen die Trainer, die wollen Qualität gegen ihre Mannschaft sehen. Am zweiten Tag kracht‘s dann wirklich bis zum Finale. Sie haben dann zum Teil zehn, zwölf, dreizehn Spiele absolviert – auf höchstem Niveau.

Aber nicht wie sonst unter freiem Himmel und auf Gras, sondern in der Halle…

In Spanien, in England, da kennen sie Hallenfußball gar nicht, da musste ich am Anfang sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Jetzt spielen sie hier 40 auf 20 Meter, Kunstrasen, Bande, der Ball ist immer im Spiel. Du kannst nicht eine Sekunde schlafen oder dich ausruhen wie auf dem Großfeld. In der Halle da geht es hin und her. Den Jugendlichen gefällt das besonders.

Wer sind Ihre Favoriten für das diesjährige Turnier?

In den ersten zehn Jahren konnte kein Verein den Pokal verteidigen. Es gab immer einen anderen Sieger, bis Barcelona zweimal hintereinander gewonnen hat. Jetzt sind sie Rekordtitelträger mit vier Siegen, dahinter die Bayern, Schalke und Frankfurt mit jeweils zwei ersten Plätzen. Das ist so eine enge Kiste am Sonntag, weil die Qualität auf so hohem Niveau ist. Das geht so schnell.

Die U15 des FC Bayern München nach dem Sieg beim MTU-Cup im vergangenen Jahr.
Die U15 des FC Bayern München nach dem Sieg beim MTU-Cup im vergangenen Jahr. | Bild: Jäckle, Reiner

Du bekommst ein, zwei Gegentore – und schon bist du weg vom Fenster. Das ist ja aus vielen Ländern das beste Team in dieser Altersklasse. Deshalb ist es auch immer wieder so schwierig, eine Prognose abzugeben. Tut mir leid, aber ich kann keinen Favoriten nennen.

Freuen Sie sich schon auf den 4. Dezember, wenn Sie wieder durchschnaufen können, oder geht das Finale des einen Turniers sofort in die Organisation des nächsten über?

Ich freue mich schon, wenn ich während des Turniers zwischendurch mal eine Viertelstunde hinstehen und zuschauen kann. Am Samstag sehe ich vielleicht fünf Spiele, am Sonntag auch. Halbfinale und Finale sind für mich immer die Highlights. Die Nachbereitung des Cups dauert dann Minimum sechs bis acht Wochen. Das ist jedes Jahr so, bis alles über die Bühne ist. Das sind so viele Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann, was da noch gemacht werden muss. Dann geht es meistens nahtlos mit dem nächsten Turnier weiter.