Deutschlands drittgrößter Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen hat im vergangenen Geschäftsjahr einen massiven Gewinneinbruch erlitten und blickt bang in die Zukunft. Man gebe für 2020 keine Prognose ab, sagte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider am Donnerstag in Friedrichshafen. Welchen Einfluss die Corona-Pandemie haben werde, könne man derzeit nicht sagen. Klar sei aber, dass die „Nachfrage in allen Märkten erheblich beeinträchtigt“ sei. „Wir müssen 2020 mit starken Umsatzrückgängen rechnen“, sagte der ZF-Chef. Die entscheidende Frage sei, ob und wann die Menschen wieder genug Geld hätten, um Fahrzeuge zu kaufen.

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Im vergangenen Geschäftsjahr hat ZF bei einer ganzen Reihe wichtiger Kenngrößen Rückschläge hinnehmen müssen. Insbesondere der Gewinn nach Steuern brach regelrecht ein – um fast 60 Prozent auf rund 400 Millionen Euro. Auch operativ verdiente das Stiftungsunternehmen mit 1,5 Milliarden Euro deutlich weniger als im Vorjahr. Dabei zog der leicht auf 36,5 Milliarden Euro sinkende Umsatz auch die Gewinnspannen mit nach unten. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete ZF mit jedem Euro Umsatz noch genau 4,1 Cent Gewinn. Die Ebit-Marge ging gegenüber dem Vorjahr noch einmal zurück und befand sich am Jahresende am unteren Ende des vom Unternehmen selbst aufgestellten Zielkorridors.

Wabco-Kauf treibt Schulden in die Höhe

Parallel dazu trieb die Übernahme des Nutzfahrzeug-Spezialisten Wabco die Schulden um rund vier Milliarden Euro nach oben – auf rund 9,6 Milliarden Euro zum Jahresende. Striktes Kostenmanagement habe daher absolute Priorität, um die Handlungsfähigkeit zu sichern, sagte Scheider.

ZF hat auf die Herausforderungen bereits im vergangenen Jahr reagiert, „Investitionen überprüft und zurückgestellt sowie an mehreren Standorten Schließtage vereinbart“, wie ZF-Finanzvorstand Konstantin Sauer sagte. Man habe die Kostenstruktur weitgehend an die geänderte Marktlage anpassen können und so das Ergebnis innerhalb der zur Jahresmitte 2019 angepassten Zielgrößen halten können. Diese Werte entsprächen aber nicht den strategischen Zielen, sagte Sauer.

ZF-Chef Wolf-Henning Scheider ist in Friedrichshafen seit Anfang 2018 am Ruder.
ZF-Chef Wolf-Henning Scheider ist in Friedrichshafen seit Anfang 2018 am Ruder. | Bild: dpa

Daher ist klar: ZF muss die Kosten weiter senken. „Ganz konkrete Sparprogramme sind jetzt erforderlich“, sagte Konzern-Chef Scheider. Dabei werde etwa das Thema Materialeinkauf sowie die operative Aufstellung der Werke in den Blick genommen. Eine Zielgröße, wie viel Geld ZF einsparen will, nannte Scheider nicht. Die Sparprogramme passten sich direkt an die Entwicklung der Auftragseingänge an, sagte er. „Cash ist jetzt King“, sagte er. Auf deutsch: Eine volle Kasse hat Priorität.

Von den Sparanstrengungen unbenommen ist indes die Dividendenpolitik des Konzerns. Die ZF-Eigner, die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen sowie die Ulderup-Stiftung erhalten für das Jahr 2019 wie geplant gut 63 Millionen Euro ausbezahlt. Über die Zahlungen für 2020 gebe es im Moment keine Diskussionen, sagte Scheider.

Deutsche Belegschaft zunächst abgesichert

Und auch die knapp 51.000 deutschen ZF-Beschäftigten sind zumindest im Moment noch gut abgesichert. Über das Kurzarbeitergeld sowie einen teils tarifvertraglich vereinbarten Zuschuss der ZF seien die normalen Nettoentgelte der Beschäftigten in den kommenden drei Monaten zu 87 bis 90 Prozent gesichert, sagte der für Deutschland zuständige ZF-Personalleiter Frank Iwer. In dieser Zeitspanne habe man jede Handlungsfreiheit, bei Unterauslastung gegenzusteuern. Generell fahre man aber auch in Sachen Personal „auf Sicht“. Seit Wochenbeginn sind große Teile der heimischen ZFler in Kurzarbeit.

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Im vergangenen Jahr hat ZF konzernweit entgegen den ursprünglichen Planungen gut 1200 Jobs abgebaut. In Deutschland, mit seinen aktuell knapp 51.000 Beschäftigten, konnte das Beschäftigungsniveau gehalten werden. Insbesondere in China und den USA sanken die Personalzahlen aber.

Werke in China fahren wieder hoch

Alle drei wichtigen ZF-Märkte – die EU, Nordamerika sowie Asien – verzeichneten 2019 Absatz- und Umsatzrückgänge, zwischen zwei und drei Prozent. Der Grund war noch nicht die Corona-Pandemie, sondern der Brexit, Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, sowie das sich verlangsamende Wachstum in Asien, wie Scheider erläuterte.

Neuer Großauftrag aus Japan

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. ZF hat die Forschungsausgaben mit 2,7 Milliarden Euro auf ein Rekordniveau hochgefahren und 2019 rund 2300 neue Entwickler eingestellt. Zudem positioniert man sich als Leit-Anbieter für Sensorik und E-Antriebe. Man verzeichne hier eine steigende Nachfrage, sagte der ZF-Chef. Ein japanischer Konzern habe einen Großauftrag bei ZF platziert. In China seien die 40 ZF-Werke seit zwei Wochen wieder in Betrieb und zu rund 90 Prozent ausgelastet. Außerdem senke der Kauf des Bremsen-Spezialisten Wabco die Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor weiter. Nach dem Vollzug des Geschäfts werde nur noch gut jeder vierte Umsatz-Euro am Verbrenner hängen, hieß es.