Deutschlands drittgrößter Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen verliert erneut einen seiner Top-Manager. Wie der SÜDKURIER aus informierten Kreisen erfuhr, verlässt der Leiter der E-Mobilitäts-Sparte, Jörg Grotendorst, nach vier Jahren das Unternehmen.
Auch Spartenchef für Industrietechnik nimmt den Hut
Damit muss der Zuliefer-Riese vom Bodensee innerhalb weniger Wochen den Weggang eines zweiten Top-Managers wegstecken. Anfang Februar wurde bekannt, dass mit dem für die Industrietechnik verantwortlichen Klaus Geißdörfer ein weiterer ZF-Spartenchef das Stiftungsunternehmen verlässt. ZF wollte sich auf Nachfrage zum Weggang von Grotendorst nicht äußern. Man äußere sich grundsätzlich nicht zu Personalangelegenheiten unterhalb der Vorstandsebene, sagte ein ZF-Sprecher unserer Zeitung.
Nach SÜDKURIER-Informationen hat Grotendorst, der in der Autobranche als ausgewiesener Fachmann für Elektromobilität gilt, bei ZF bereits gekündigt und auch schon einen neuen Anstellungsvertrag in der Tasche. Vom Aufsichtsrat seines neuen Arbeitgebers sei er für seine zukünftige Funktion „bereits bestellt worden“, hieß es von informierter Seite. Bei dem Betrieb soll es sich um ein automobilnahes Unternehmen mit großem Zulieferbereich handeln, wie es hieß.
Grotendorst galt in der Branche als Mr. E-Mobilität
Grotendorst war erst Anfang 2016 zu ZF gestoßen und hatte dort die Leitung der neu geschaffenen Division für E-Mobilität mit Sitz im bayrischen Schweinfurt übernommen. In dieser hat das Stiftungsunternehmen seine Elektromobilitäts-Aktivitäten gebündelt. In der Konzernstrategie gehören diese neben Bereichen wie dem autonomem Fahren und der Insassensicherheit zu den Zukunftsfeldern.
Zuvor arbeitete Grotendorst, der seine Karriere 1996 bei Daimler in Stuttgart begann, als Geschäftsfeldleiter E-Antriebe für Siemens. Davor war er zwölf Jahre lang für den ZF-Konkurrenten Continental tätig – zuletzt als Strategiechef und Leiter des Geschäftsfelds Hybride und E-Fahrzeugtechnik.
Bei ZF trieb Grotendorst, der vom ehemaligen ZF-Chef Stefan Sommer ins Unternehmen geholt wurde, den Ausbau von Schweinfurt als Kompetenzzentrum für E-Mobilität im Konzern voran. Mit neuen Werken für E-Antriebe im serbischen Pancevo und im chinesischen Hangzhou südlich von Shanghai internationalisierte er die Produktion maßgeblich, stieß damit aber auch auf Widerstand des Betriebsrats. Zudem soll er maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, dass ZF im vergangenen Jahr bei der Auftragsvergabe für Daimlers neues E-Auto EQC zum Zug kam. Die Friedrichshafener liefern hier große Teile des Antriebs.
Er hatte „einfach die Schnauze voll“
Der Grund für Grotendorsts Kündigung liegt nach Informationen dieser Zeitung in Meinungsverschiedenheiten mit ZF-Chef Wolf-Henning Scheider. Grotendorst habe „einfach die Schnauze voll“, hieß es von informierter Seite.

In der jüngeren Vergangenheit haben mehrere hochrangige ZF-Manager hingeworfen. Neben Grotendorst und Geißdörfer umfasst die Liste auch Dirk Hanenberg, Standortleiter am Friedrichshafener Stammsitz der ZF und Produktionsverantwortlicher für die Nutzfahrzeug-Sparte. Nach einer offen ausgetragenen Meinungsverschiedenheit mit ZF-Chef Scheider verließ Hanenberg Anfang September vergangenen Jahres das Unternehmen.
Steter Wechsel in Top-Positionen
Seit dem durch die ZF-Eigner – die Zeppelin-Stiftung der Stadt Stadt Friedrichshafen – erzwungenen Abgang von Ex-ZF-Chef Stefan Sommer dreht sich das Personalkarrussel in der ZF-Top-Etage beständig und zuletzt mit zunehmender Geschwindigkeit. In Folge des Sommer-Rückzugs hatten sich 2018 auch der damalige Personalchef und Arbeitsdirektor Jürgen Holeksa sowie Vertriebsvorstand Peter Lake zurückgezogen. Auch im Aufsichtsrat kam es zu Neubesetzungen. Im Zuge der Verwicklungen in den Abgasskandal trennte sich ZF zudem von mehreren Konzernforschern. So mussten der langjährige Entwicklungschef Harald Naunheimer sowie der Leiter der Pkw-Getriebeentwicklung Jürgen Greiner ihren Hut nehmen.
Riese vom Bodensee
Nach der Fusion mit dem US-Konkurrenten TRW 2015 gehört die ZF Friedrichshafen mit rund 150.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 36,9 Milliarden Euro (2018) zu den größten Automobilzulieferern der Welt. In Deutschland rangiert die ZF – je nach Rechnung – hinter Bosch und Conti auf Platz zwei oder drei. Konzernchef ist seit Anfang 2018 der Ex-Mahle-Chef Wolf-Henning-Scheider. (wro)