Baden-Württemberg hat bei der Gründerkultur noch Luft nach oben. Mit Gründerzentren wie Berlin können die Städte im Südwesten nicht mithalten – geschweige denn mit Premiumstandorten wie Tel Aviv oder dem Silicon Valley. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Technologiebeauftragte des Landes, Wilhelm Bauer in seinem „innovationspolitischen Impulspapier“. Darin empfiehlt er unter anderem, mehr öffentliche Mittel in Forschung und Entwicklung zu stecken, Zusammenschlüsse von Forschungseinrichtungen zu fördern, das Potenzial von Start-ups stärker zu nutzen oder kleinen und mittleren Unternehmen stärker unter die Arme zu greifen. Auch eine Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) sieht Städte wie Hamburg und Frankfurt vor dem Südwesten.
Baden-Württemberg ist nicht Berlin
Doch Theresia Bauer, Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, sieht Baden-Württemberg bei der Gründerkultur auf einem guten Weg. „Berlin ist nicht mit Baden-Württemberg vergleichbar. Wir sind ein großes dezentrales Flächenland. Das ist unsere Stärke und Schwäche gleichzeitig", sagte die Grünen-Politikerin im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Die Sichtbarkeit der einzelnen Zentren sei im Südwesten geringer als in der Hauptstadt. "Aber wir profitieren von dieser großen Vielfalt. So gibt es an fast allen Hochschulorten von Freiburg bis nach Konstanz eine lebendige Gründerszene“, sagte sie. In Zukunft wolle das Land vor allem die Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) fördern. „Künstliche Intelligenz ist für uns eine Schlüsseltechnologie“, sagte Bauer. KI sei entscheidend für die Mobilität der Zukunft und für das Internet der Dinge.
Zuletzt hatte die grün-schwarze Landesregierung angekündigt, mehr Geld in die KI-Entwicklung zu stecken. Im geplanten Nachtragsetat zum laufenden Landeshaushalt 2018/2019 sind dazu Mittel in Höhe von rund 20 Millionen Euro geplant. Weitere 100 Millionen Euro stellt die Landesregierung als Kofinanzierung von Projekten im Rahmen einer Bundesstrategie zur Künstlichen Intelligenz und für die Batterieforschung in Aussicht.
Bauer warnte allerdings auch vor einer blinden Technikgläubigkeit. „Technischer Fortschritt ist nicht per se positiv", sagte sie. Die Gesellschaft müsse die Forschung kritisch begleiten und moralische Leitplanken für den Fortschritt setzen. Auch im digitalen Zeitalter dürften wir den Nachwuchs nicht nur zu IT-Experten ausbilden. „Wir werden auch in Zukunft nicht nur Techniker brauchen, sondern auch Philosophen, Germanisten und Historiker“, sagte sie. Allerdings fügte Bauer auch hinzu, dass unabhängig davon die nächste Generation der Geisteswissenschaftler Grundkenntnisse im Programmieren haben sollte.
Diese Start-ups aus unserer Region wollen für Furore sorgen
Wave.log: Hinter dem Start-up stehen die Konstanzer Informatik-Studenten Philip Zimmermann (links), Katharina Börsig (Mitte), Nico Thomas (rechts) und Christopher Gondek (nicht im Bild). Ihre Idee ist es, die Verschlüsselungstechnologie Blockchain zur sicheren Speicherung von Bootsdaten zu nutzen. Noch feilen sie an der Technik. Als potenzielle Kunden haben sie große Bootshersteller ins Auge gefasst. "Die Idee kam uns vor einem Jahr auf dem Weihnachtsmarkt", erinnert sich Katharina Börsig.
Nemms: Amazon dominiert derzeit den Online-Handel. Doch Nemms will als David den Kampf gegen Goliath aufnehmen. Das Konstanzer Gründer-Trio um Valentin Uhrmeister (im Bild) hat eine App entwickelt, die Kunden und lokale Einzelhändler per Chat verbindet. "Wer Schuhe, Gewürze oder Geschenke sucht, wird über die App mit seinen Wünschen zum richtigen Einzelhändler geleitet", erklärt Uhrmeister. Er hofft dass das Verb "nemmsen" eines Tages wie "googlen" Einzug in die deutsche Sprache erhält.
Greifbar: Die Konstanzer Ingenieure Marcel Bajerke, Adrian Flaig und Philipp Ruf (von links) haben ihr Hobby zum Beruf gemacht: Die drei Freizeit-Kletterer stellen Klettergriffe her. Für ihr Produktionsverfahren bereiten sie gerade einen Patentantrag vor. Langfristig wollen sie es auch auf andere Kunststoffgussteile ausweiten. Noch befinden sich ihre Klettergriffe in der Testphase, aber schon bald sollen sie auf den Markt kommen. "Bei uns trifft süddeutsche Präzision auf Leidenschaft", heißt es auf ihrer Homepage.
Fruitcore: Das Unternehmen aus Konstanz ist schon fast kein richtiges Start-up mehr. Denn Fruitcore beschäftigt mittlerweile 25 Mitarbeiter. Das Hauptprodukt der Firma um die Mitgründer Tobias Kuentzle (rechts) und Manuel Frey (links) ist der Industrieoboter Horst. Was sich altbacken anhört, ist in Wirklichkeit hochmodern und steht für "Highly Optimized Robotic Systems Technology" (Hochoptimierte Roboter-System-Technologie). Horst ist 50 Kilogramm schwer und kostet etwa 16.000 Euro.