Manchmal entsteht Fortschritt aus unendlichen Qualen. Im Falle von Werner Früh und Rainer Nootz bestanden die Qualen darin, sich mit viel zu schweren Ski unter den Füßen erst stundenlang einen Berg hinauf zu arbeiten und ihn dann fluchend, weil immer wieder im Tiefschnee versinkend, hinunter zu gurken. „Irgendwann hatten wir es satt“, sagt Rainer Nootz. „Wir wollten endlich funktionale Tourenski bauen, die gut im Aufstieg sind und beim Abfahren richtig Spaß machen.“

Werner Früh baut Prototypen von Snowboards und Skiern.
Werner Früh baut Prototypen von Snowboards und Skiern. | Bild: Kipar, Sandro

In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es so etwas noch nicht. Das Jahrzehnt war skitechnisch gesehen von gediegener Langeweile geprägt. Talwärts bewegte man sich auf ebenso langen wie kerzengerade geschnittenen Brettern, die elegantes Wedeln einer ebenso kleinen wie sportlichen Elite von Könnern vorbehielten. Abseits der planierten Pisten, wo sich Früh und Nootz damals im Tiefschnee bewegten, waren die langen Latten für Otto Normalverbraucher nahezu unfahrbar. Einzig das immer populärer werdende Snowboard kam mit dem rauen Terrain zu recht. Warum also nicht die Vorzüge des Snowboards auf die Ski übertragen?, fragten sich die beiden Wintersportverrückten aus Konstanz am Bodensee, und begannen in der heimischen Werkstatt mit ihrer Arbeit.

Tourenski für anspruchsvolles Gelände

Heute ist daraus Powder-Equipment geworden – der wohl einzige badische Skihersteller, der seine Bretter komplett selbst entwickelt und testet. „Eine mittlere dreistellige Zahl“ Paar Tourenski pro Jahr entsteht in der Manufaktur in einem Konstanzer Industriegebiet, zu Preisen zwischen 800 und 900 Euro. Ein Touren-Set mit Steigfell und Bindung gibt es ab gut 1000 Euro. Haupt-Abnehmer sind Spezialisten wie Berg- und Skiführer. Sie schätzten die Latten als „verlässliche Arbeitsgeräte“, sagt Nootz. Auch einige der ganz großen Namen der Alpin-Szene haben die Konstanzer in ihrer Kundenkartei. Der Schwarzwälder Extrembergsteiger Robert Jasper schwört ebenso auf Powder-Equipment wie der Südtiroler Hanspeter Eisendle, der schon mit Reinhold Messner oder Hans Kammerlander schwierigste Routen auf den höchsten Bergen der Welt eröffnete.

Das Know-How für derartiges Sportgerät haben sich die beiden Firmengründer über Jahre aufgebaut. Der gelernte Zimmermann Früh begann schon Anfang der 1980er eigene Snowboards herzustellen und in seinem Konstanzer Skater-Laden zu vertreiben. Die Boards waren so gut, dass wenig später renommierte Wintersportfirmen anklopften. Bald baute Früh Prototypen für Kult-Marken wie Elfgen oder Nitro und werkelte an einem Ski für Erbacher, damals eine der bekanntesten deutschen Skifirmen. Irgendwann stieß Nootz dazu, der kurz zuvor seinen Jobs als Unternehmensberater in der Schweiz gekündigt hatte, und man konzentrierte sich auf hochwertige Tourenski.

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Kleine Ski-Bauer gibt es eine ganze Reihe

Dass Kleinfirmen Marken wie Völkl, Atomic, Fischer, Head oder K2 Konkurrenz machen, ist eigentlich nicht neu. Wie viele davon es in Deutschland gibt, ist indes nirgends vollständig erfasst. Beim Deutschen Skiverband (DSV) weiß man von "einigen Unternehmen in Bayern". Auch im Schwarzwald gäbe es wohl hie und da einen Betrieb, sagt DSV-Sprecher Andreas König. Die Webseite Exoticskis.com listet weltweit immerhin 439 Bretterbauer auf, 26 davon in Deutschland. Nicht alle davon allerdings bauen Ski, die sich mit den Produkten der großen Hersteller messen lassen können. Die meisten Kleinfirmen hätten sich eine Nische gesucht, sagt König. Manche böten Skibau-Kurse für jedermann an, andere vertrieben Öko-Ski, wieder andere veredelten die Ski großer Hersteller nur optisch.

Wir haben Werner Früh beim Bau eines Snowboards begleitet. Hier holt er es gerade aus seiner Presse und schneidet es mit einer Stichsäge ...
Wir haben Werner Früh beim Bau eines Snowboards begleitet. Hier holt er es gerade aus seiner Presse und schneidet es mit einer Stichsäge aus. Das Snowboard ist eine Spezialanfertigung für eine Wintersportlerin. Bild: Sandro Kipar | Bild: Kipar, Sandro

Powder-Equipment sieht sich als eine Art Ingenieurbüro, das „Leichtigkeit, Stabilität und Sportlichkeit“ zu Hauptkriterien der Entwicklungsarbeit bei Tourenski erkoren hat. Alle Ski haben einen Holzkern, der von Aramidfasern (Kevlar) und Karbon ummantelt wird. „Je nachdem wie man den Materialmix abstimmt, kann man die Fahreigenschaften des Skis verändern“, sagt Früh. Breite Tiefschneelatten hat Powder-Equipment ebenso im Programm wie pistenorientierte Ski, die an Race-Carver erinnern. Ab nächster Saison wird auch ein nochmals leichterer und gleichzeitig sehr robuster Tourenski zu haben sein.

Ski aus Kevlar und Karbon

Es vielen anderen Herstellern gleichzutun und immer weiter wachsen will Powder-Equipment nicht. „Wir fühlen uns mit einer Jahresproduktion von einigen Hundert Stück wohl“, sagt Co-Chef Früh, der auch schon mal Surfbretter gebaut hat. „Der Massenmarkt ist nichts für uns.“ Die Produktion hat man seit einiger Zeit an einen Lohnhersteller aus Polen ausgelagert, der auch für die Großen der Branche Ski herstellt. „Wir wollen uns aufs Entwickeln und Testen konzentrieren“, sagt Nootz. Dafür stünde man auch noch regelmäßig in der Werkstatt.

Bild 3: Die badischen Tiefschnee-Pioniere
Bild: Klaus Fengler

Wer Powder-Equipment-Ski im Sportladen nebenan sucht, wird meist enttäuscht. Die Latten sind im Internet über die firmeneigene Webseite erhältlich und liegen bei rund 15 Alpin-Sportläden im Alpenraum in den Auslagen. Das war's. Der Rest läuft über Mund-zu-Mund-Propaganda in der Bergführer- und Alpin-Szene, wie Nootz es ausdrückt. Bei gemeinsamen Touren in den Alpen würden die Modelle verfeinert. Zumindest, wenn der Klimawandel nicht dazwischen kommt. Den letzten Skitest im Sommer 2018 habe man von einem österreichischen Gletscher ist eine Skihalle im Ruhrgebiet verlegen müssen, sagt der 44-Jährige. In Österreich gab es keinen Schnee mehr.