Wohnen bei der Firma statt in den eigenen vier Wänden: Was zunächst wenig verlockend klingt, kommt wieder in Mode. Angesichts der Wohnungsknappheit in vielen deutschen Städten sind Mitarbeiterwohnungen begehrt. Große Unternehmen wie Volkswagen, BASF oder die Deutsche Bahn setzen verstärkt auf das Konzept. Und noch ein zweites Argument spricht für Mitarbeiterwohnungen. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels sind auch Mitarbeiterwohnungen ein Mittel, um talentierte Nachwuchskräfte anzuwerben. „Es gibt eine Vielzahl von monetären und nicht-monetären Faktoren, aufgrund denen sich jemand für ein Unternehmen entscheidet. Da kann auch die Mitarbeiterwohnung ein Kriterium sein“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Bochumer EBZ Business School.

Ein aktuelles Bild der BASF-Arbeitersiedlung in Ludwigshafen.
Ein aktuelles Bild der BASF-Arbeitersiedlung in Ludwigshafen. | Bild: -

Doch die meisten Unternehmen aus unserer Region sind bisher noch nicht auf diesen Trend aufgesprungen – und dass, obwohl gerade in Südbaden und Oberschwaben der Fachkräftemangel besonders hoch ist. So verfügen ZF und Rolls-Royce Power Systems (RRPS), die beiden Industrie-Schwergewichte vom Bodensee, derzeit über keine Mitarbeiterwohnungen und planen auch nicht, solche einzurichten. „Da Werkswohnungen mit einem hohen Aufwand bei Vermittlung, Verwaltung und Instandhaltung verbunden sind und spezielle Kenntnisse dieses komplexen Marktes notwendig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden, ist das bei uns derzeit kein Thema“, heißt es bei RRPS.

„Es gibt eine Vielzahl von monetären und nicht-monetären Faktoren, aufgrund denen sich jemand für ein Unternehmen entscheidet. Da ...
„Es gibt eine Vielzahl von monetären und nicht-monetären Faktoren, aufgrund denen sich jemand für ein Unternehmen entscheidet. Da kann auch die Mitarbeiterwohnung ein Kriterium sein“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der Bochumer EBZ Business School. | Bild: EBZ Business School GmbH

Maggi in Singen hatte schon 1904 mit dem Bau von Mitarbeiterwohnungen begonnen. In den fünfziger Jahren gab es in der Stadt etwa 230 Wohnungen für Maggi-Beschäftigte. Doch um die Jahrtausendwende trennte sich die Nestlé-Tochter vollständig von ihrem Immobilienbestand im Hegau.

Ein historisches Bild aus dem Jahre 1911 der BASF-Arbeitersiedlung in Ludwigshafen.
Ein historisches Bild aus dem Jahre 1911 der BASF-Arbeitersiedlung in Ludwigshafen. | Bild: BASF

Günter Vornholz erklärt diese Zurückhaltung damit, dass über Jahre hinweg aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit viele Unternehmen keine Notwendigkeit gesehen haben, in Rekrutierungsinstrumente wie Mitarbeiterwohnungen zu investieren. „Der Fachkräftemangel ist zwar schon länger in Diskussion, aber erst nun richtig spürbar im Betriebsalltag bei der Personalsuche“, sagt er.

Die Wohnsiedlung Wellekamp in Wolfsburg, die für Mitarbeiter von Volkswagen erbaut wurde.
Die Wohnsiedlung Wellekamp in Wolfsburg, die für Mitarbeiter von Volkswagen erbaut wurde. | Bild: Matthias Leitzke

Einige Unternehmen jenseits des Industriesektors setzen dagegen durchaus schon länger auf Mitarbeiterwohnungen. So verfügt das Klinikum Hochrhein in Waldshut-Tiengen über 18 Mitarbeiterwohnungen. „Diese werden den neuen Mitarbeitern jedoch ausschließlich während ihrer Probezeit zur Verfügung gestellt“, erläutert eine Sprecherin des Klinikums. Die Krankenhausbetriebsgesellschaft Hegau-Bodensee-Klinikum hat in Konstanz gut 70 Wohnungen der Spitalstiftung für Mitarbeiter gemietet. In Singen vergibt das Klinikum gut 150 Wohnungen an Mitarbeiter, von denen ein Teil angemietet und ein Teil im Eigentum der Gesellschaft ist.

Eine Werkssiedlung von Bayer in Leverkusen.
Eine Werkssiedlung von Bayer in Leverkusen. | Bild: Oliver Berg

Beim Europapark Rust gilt offenbar das Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“. „Wir haben für ein Mitarbeiterhaus mit 300 neuen Mitarbeiter-Apartments und Betriebskindergarten, 15 Millionen Euro investiert, um Mitarbeitergewinnung voranzutreiben“, sagt Roland Mack, geschäftsführender Gesellschafter des Europaparks.

Die neuen Mitarbeiterwohnungen des Europaparks in Rust.
Die neuen Mitarbeiterwohnungen des Europaparks in Rust. | Bild: Dr. Michael Thoma

Eine Rückkehr zu Werkswohnungen im großen Stil wie im 19. Jahrhundert sieht Günter Vornholz aber nicht. „Mitarbeiterwohnungen sind eher ein Marketing-Instrument einzelner Unternehmen in Ballungsräumen“, sagt der Immobilienfachmann. Für eine Entlastung des Wohnungsmarkts reiche das nicht. „Bei rund 42 Millionen Wohnungen in Deutschland sind die Initiativen zu Mitarbeiterwohnungen ein Tropfen auf den heißen Stein.“

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