Fehlende Verkehrsanbindung auf dem Land, Staus auf den Autobahnen, Verspätungen bei der Bahn und Chaos in den Städten durch Elektro-Roller: In vielen Bereichen der Mobilität gibt es derzeit Probleme. Das hängt auch damit zusammen, dass immer mehr Menschen mobil sein wollen. Verbrachte man früher die meiste Zeit seines Lebens in seiner Heimatstadt, pendeln heute immer mehr Menschen zum Arbeiten in eine andere Stadt. Auch mit einem Urlaub pro Jahr geben sich immer weniger Menschen zufrieden. Immer mehr Bürger fliegen oder fahren mehrmals in den Urlaub – zum Beispiel im Sommer und zusätzlich noch in den Pfingstferien oder im Herbst.
Die Politik – das Bundesverkehrsministerium ist seit zehn Jahren in CSU-Hand – hat derweil noch keinen Königsweg zur Lösung all dieser Mobilitätsprobleme gefunden. Das mag auch daran liegen, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wie es offiziell heißt, in den letzten Jahren vor allem mit der Aufarbeitung der Diesel-Krise und der Vorbereitung der (mittlerweile von EU abgelehnten) Autobahnmaut beschäftigt war. Statt einem großen Wurf gab es viel Klein-Klein. Wir stellen Ihnen die drängendsten Probleme der Mobilität vor.
Grund 1: E-Bikes als Sicherheitsrisiko: Elektrofahrräder kommen auf eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Kilometern pro Stunde. Das hört sich nicht schnell an, birgt aber Gefahren. Denn viele E-Bike-Fahrer unterschätzen die Geschwindigkeit. Die Gefahr eines tödlichen Unfalls mit einem Pedelec ist nach Berechnungen der Versicherung Allianz deutlich höher als mit einem normalen Fahrrad ohne Motor. „Über alle Altersgruppen zusammengefasst ist das Todesrisiko auf dem Pedelec dreimal so hoch wie auf dem herkömmlichen Rad“, sagt Jörg Kubitzki, Unfallforscher bei Europas größtem Versicherer. Von den geschätzt 77 Millionen Fahrrädern in Deutschland sind nach einer Studie des Verkehrsministeriums bislang vier Millionen als Pedelecs mit Motorantrieb unterwegs, gut fünf Prozent. Der Anteil der getöteten Pedelec-Fahrer an allen tödlich verunglückten Radlern beträgt in der Allianz-Zeitreihe aber fast 18 Prozent. Vor allem ältere Menschen haben oft nicht mehr die Reaktionsgeschwindigkeit, um auf der Überholspur unterwegs zu sein. E-Bike-Fahrer sind zudem oft Schönwetterfahrer, denen die tägliche Übung auf dem Rad fehlt. Außerdem rechnen andere Verkehrsteilnehmer oft nicht mit der schnellen Beschleunig der E-Bikes.
Grund 2: Zu viele Staus auf unseren Straßen: Nicht nur zur Reisezeit verstopfen Blechlawinen unsere Autobahnen. Auch wer täglich mit dem Auto in ein Ballungszentrum zur Arbeit pendelt, verliert oft wertvolle Lebenszeit im Stau. In Baden-Württemberg ist vor allem der Großraum Stuttgart ein Problemfall. Zu den Hauptpendelzeiten morgens und am späten Nachmittag beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit in der Stadt noch nicht einmal 30 Kilometer pro Stunde. Die Staus prägen das Stadtbild so sehr, dass der SWR 2017 dem Thema einen eigenen Tatort widmete. Bundesweit pendeln etwa 18,4 Millionen Menschen jeden Tag in eine andere Stadt zur Arbeit. Gut 60 Prozent steigen dafür ins Auto. Das Problem dabei: Im Pendlerverkehr kommen 1,1 Personen auf jedes Auto. Das heißt, fast jeder Pendler beansprucht ein eigenes Fahrzeug. Kreative Lösungen des Stau-Problems sind nicht in Sicht. Auch Park-and-Ride-Möglichkeiten, die den Autoverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren, haben sich in der Masse nicht durchgesetzt. Car-Sharing-Modelle führen noch ein Nischendasein. Neue Arbeitsformen in der digitalen Welt, die mehr Arbeiten von zu Hause aus ermöglichen, könnten dagegen die Straßen in Zukunft entlasten.
Grund 3: Übertourismus: Ob Machu Picchu, Venedig, Barcelona, die Akropolis, Cinque Terre oder der Mount Everest: Viele schöne Orte dieser Welt quellen vor Touristen über. So besuchten im letzten Jahr 22 Millionen Touristen Venedig. Die Einwohner sind durch diese Touristenströme zu einem Großteil aus ihrer Heimat verdrängt worden. In der Innenstadt lebten 1951 noch 175 000 Einwohner, jetzt sind es nur noch 55 000. „Das Problem ist, dass diese Touristen denken, dies sei eine Art Disneyland. Sie sollten aber nicht vergessen, dass dies eine lebende Stadt ist“, sagt ein Bewohner. Auch die historische Inka-Stadt Machu Picchu in Peru verliert durch den Massentourismus an Zauber. Getrieben wird der Urlauber-Ansturm zum einen durch den weltweit steigenden Wohlstand. So können sich es immer mehr Chinesen leisten, ihre Ferien im Ausland zu verbringen. Zum anderen vergünstigen Billigflieger und der Online-Zimmervermittler Airbnb das Reisen und machen es für immer mehr Menschen erschwinglich. Der negative Nebeneffekt von Airbnb: Immer mehr Wohnung werden für Tourismus-Zwecke entfremdet, was die Mieten für Einheimische steigen lässt. Barcelona hat deshalb die Vermietung über Airbnb massiv eingeschränkt.

Grund 4: Die Bahn ist leider zu selten pünktlich: Die Pünktlichkeit bei der Bahn lässt zu wünschen übrig. 2018 kamen 74,9 Prozent der ICE- und IC-Züge pünktlich an. 2017 waren 78,5 Prozent der Fernzüge pünktlich, 2016 waren es 78,9 Prozent. Damit hat die Bahn ihr eigenes Pünktlichkeitsziel von 82 Prozent mehrfach verfehlt. Und dabei wird Pünktlichkeit weit definiert. Erst, wenn ein Zug sechs Minuten zu spät ankommt, fließt er in die Statistik ein. Den größten Staatskonzern kosten die Verspätungen viel Geld. Allein im Fernverkehr verlangen jedes Jahr bis zu 1,7 Millionen Reisende Entschädigungen wegen großer Verspätungen. Ab 60 Minuten muss ein Viertel des Fahrpreises rückerstattet werden, ab 120 Minuten die Hälfte. Im Jahr 2018 erstattete das Unternehmen rund 54,5 Millionen Euro für die Durchsetzung von Fahrgastrechten. Zudem sind viele Fernzüge bei der Deutschen Bahn mit technischen Defekten und Einschränkungen unterwegs, wie fehlenden Reservierungsanzeigen, Steckdosen ohne Strom, geschlossenen Bordbistros oder defekten Toiletten unterwegs. Im Juni waren nur 38 Prozent der eingesetzten ICE- und IC-Züge voll funktionsfähig. Auch wenn diese Defekte die Sicherheit nicht einschränken, sind sie für Bahnfahrer zumindest ärgerlich.

Grund 5: Elektro-Roller sorgen für Chaos: Sie sind das Trend-Verkehrsmittel Nummer eins in diesem Jahr: Tretroller mit einem Elektromotor. Seit Juni dürfen sie mit einer Geschwindigkeit von bis zu 20 Kilometer pro Stunde auf Radwegen, Radstreifen oder – falls diese nicht vorhanden sind – Straßen fahren. Doch in vielen Städten haben die Elektroflitzer Chaos angerichtet. So mussten Polizisten zuletzt innerhalb von nur einer Woche in Mannheim und Heidelberg 233 Mal einschreiten. Der häufigste Fehler mit 113 Fällen sei das Fahren in Fußgängerzonen gewesen, sagte Polizeisprecher Markus Winter. Es folgten das unerlaubte Benutzen von Gehwegen, Fahren zu zweit auf einem Roller oder entgegen der Fahrtrichtung. Vier Fahrer waren betrunken. E-Roller sind laut Statistiken ein gefährliches Verkehrsmittel. Viele Fahrer sind ungeübt und fahren ohne Helm.
Grund 6: Zu wenig Busse auf dem Land: Wer zwischen zwei Metropolen pendelt, hat es gut. Für die Strecke von München nach Berlin braucht man mit dem ICE nicht länger als viereinhalb Stunden. Von Frankfurt nach Köln schafft es die Bahn in einer guten Stunde. Doch in ländlichen Regionen wie dem Schwarzwald lässt das Angebot im öffentlichen Nahverkehr zu wünschen übrig. Gerade am Abend und am Wochenende fahren nur wenige Busse. Wer ein Auto und einen Führerschein hat, hat damit kein Problem. Doch wer auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, wird so in seiner Mobilität erheblich eingeschränkt. Gerade Jugendliche werden so am Samstagabend an den Fernseher gefesselt, weil sie von der Party im Nachbarort nicht mehr nach Hause kommen würden. Das Problem wird von der Politik rhetorisch oft adressiert, aber nur in wenigen Fällen gelöst.