Über Jahre hat der Tuttlinger Medizintechnik-Hersteller Aesculap immer mehr Mitarbeiter eingestellt. Das soll sich nun ändern. Das neue Aesculap-Management setzt vielmehr auf Umsatzwachstum ohne Beschäftigungsaufbau.
Bei dem Ziel, die Mitarbeiterzahlen konstant zu halten, könne man bereits "erste Erfolge sehen", sagte Aesculap-Chef Joachim Schulz unserer Zeitung. Erste entsprechende Maßnahmen seien angestoßen worden. Details nannte Schulz nicht.
Nach Angaben des Betriebsrats hat das Unternehmen allerdings de facto einen Einstellungsstopp für externe Bewerber verhängt. Grundsätzlich würden derzeit keine Mitarbeiter von außen mehr neu unter Vertrag genommen, sagte Aesculap-Betriebsratschef Ekkehard Rist unserer Zeitung. Erst wenn offene Stellen nicht durch eigenes Personal besetzt werden könnten und es keine Möglichkeit gebe, interne Bewerber umzuschulen, werde auf externe Fachkräfte zurückgegriffen. Firmen-Chef Schulz sagte dagegen, einen Einstellungsstopp benötige man nicht, um die Ziele zu erreichen.
Hoher Personalaufbau unter Ex-Vorstandschef Knaebel
Zum Ersten Quartal 2018 hatte das auf Prothesen und chirurgisches Material spezialisierte Unternehmen 12 200 Mitarbeiter weltweit auf der Gehaltsliste. Aesculap ist die zweitgrößte Unternehmenssparte des hessischen Medizintechnikkonzerns B.Braun, der weltweit rund 62 000 Mitarbeiter hat und 2017 rund 6,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete.
Generell sind B.Braun und seine schwäbische Tochter Aesculap auf Wachstumskurs. Speziell das Tuttlinger Unternehmen hat seit den späten 1990er Jahren einen rasanten Mitarbeiteraufbau zu verzeichnen. Damals arbeiteten rund 1800 Menschen in Tuttlingen. Heute sind es am Stammsitz 3631. Insbesondere unter dem langjährigen Firmen-Chef Hanns-Peter Knaebel, der im Frühjahr 2017 nach einem Streit mit dem B.Braun-Management zum Mannheimer Kunststoffspezialisten Röchling wechselte, kamen viele neue Mitarbeiter zu dem 1867 gegründeten Unternehmen.
Der neue Vorstandschef Schulz hat sich von diesem Kurs verabschiedet und stattdessen das Motto ausgegeben, mit der selben Mannschaft an Beschäftigten mehr Umsatz zu erwirtschaften. Ziel ist es, die Kosten, die in der Vergangenheit parallel zum Umsatz gestiegen waren, zu senken und so profitabler zu werden.
Wie hoch ist das Sparziel?
Wie viel konkret eingespart werden soll, läßt Schulz bislang offen. Betriebsrats-Chef Rist spricht allerdings von "zwei bis vier Prozent Kostenersparnis jährlich", die erbracht werden müssten – allerdings nicht nur durch Kürzungen beim Personal, sondern auch durch effizientere Prozesse, etwa in Produktion und Vertrieb.
"Das Anliegen der Geschäftsführung, immer besser zu werden, ist richtig", sagte Rist. Wichtig für den Betriebsrat sei es allerdings, dass der einzelne Mitarbeiter nicht überfordert werde. Insbesondere sollten Bereiche nicht weiter ausgedünnt werden, die sowieso schon eng besetzt sind.
Im Hintergrund der neuen Strategie bei Aesculap steht unter anderem der Mutter-Konzern B.Braun, der für seine Tuttlinger Sparte – genau wie für alle anderen Unternehmensteile – klare Renditeziele hat. Verstecken müssen sich die Tuttlinger im internen Wettbewerb offenbar nicht. Aesculap verdiene gutes Geld, heißt es von informierter Seite aus dem Unternehmensumfeld. Die Messlatte, die B.Braun bei den Gewinnen anlege, sei aber "relativ hoch".
B.Braun will Effizienz auch in Tuttlingen
Anders als der B.Braun-Konzern, der 2017 unter dem Strich rund 411 Millionen Euro Gewinn einfuhr, weist Aesculap sein Ergebnis nicht gesondert aus. Dass die Tuttlinger gut im Futter stehen, lässt sich aber daran erkennen, dass bei Aesculap mit seinen rund 1,8-Milliarden Euro Umsatz nach Unternehmensangaben etwa gleich viel Gewinn erwirtschaftet wird, wie in der mit gut 3,1 Milliarden Euro Umsatz sehr viel größeren B.Braun-Sparte Hospital Care.
Dennoch: Nach Vorstellungen des Melsunger B.Braun-Konzerns soll Aesculap im laufenden Jahr weiter zulegen und ein zweistelliges Ergebniswachstum erreichen – ein Ziel, von dem man aktuell noch einiges entfernt sein dürfte. 2017 schafften die Tuttlinger ein Gewinnplus von 4,1 Prozent.
Ein offenes Geheimnis ist, dass dafür auch die Forschung effizienter werden muss – ein Job den mit Katrin Sternberg eine in Berlin gut vernetzte Spitzenforscherin erledigen soll, die seit gut einem Jahr der erweiterten Geschäftsführung von Aesculap angehört. Unter dem firmeninternen Schlagwort "operative Exzellenz" müssten aber auch andere Abteilungen ihren Beitrag leisten, wie es von informierter Seite heißt. Generell werde bei Aesculap derzeit aber "jede Abteilung nach Kostengesichtspunkten durchleuchtet".
Medizintechnik mitten im technologischen Wandel
Allgemein steht die deutsche Medizintechnikbranche unter erheblichem Innovations-, aber auch Kostendruck. Die Digitalisierung zwingt viele Firmen zu einer grundlegenden Überarbeitung ihre gängigen Produkte. Die Krankenkassen wiederum organisieren sich zusehends in größeren Einheiten und fordern Rabatte. Auch die teure Apparatemedizin, bei der Aesculap ein wichtiger Anbieter ist, wird immer wieder kritisch hinterfragt.
"In der Medizintechnik werden die Renditefenster generell immer kleiner", sagt Aesculap-Betriebsratschef und B.Braun-Aufsichtsrat Rist. Gleichwohl sei man nach wie vor ein "innovatives und gut aufgestelltes Unternehmen."
Aesculap-Chef Joachim Schulz im Video
Ein Video-Interview mit Aesculap-Chef Joachim Schulz zur Konjunktur und den Jobs:
Medizintechnik-Cluster
- Die Stadt: Tuttlingen zwischen Schwarzwald und Alb gelegen, bezeichnet sich gerne als Welthauptstadt der Medizintechnik. Immerhin ballen sich im gleichnamigen Landkreis rund 400 Hersteller von Medizinprodukten. Darunter das Unternehmen Aesculap. Weitere bekannte Namen sind der Endoskop-Spezialist Karl Storz oder der für seine Beleuchtungssysteme und OP-Sahl-Ausrüstung bekannte Hersteller Berchtold.
- Die Unternehmen: Insgesamt haben in Tuttlingen rund 1900 Unternehmen einen Standort – Ein-Mannbetriebe mitgezählt. (wro)