Der Energiewende-Pionier Solarcomplex beendet eine jahrelange Hängepartie und hängt sein Geschäft mit neuen Windparks an den Nagel. „Nach Fertigstellung der im Aufbau befindlichen Anlagen werden wir keine neuen Projekte mehr planen“, sagte Solarcomplex-Chef Bene Müller anlässlich der Präsentation der Jahreszahlen des Unternehmens in Singen am Hohentwiel.

Neugeschäft könnte man nur noch angehen, wenn „wir genügend neue Mitarbeiter finden würden“, sagte er. Für den Bau von Windrädern in Süddeutschland gelinge dies aber nicht.

Windkraft – „ein Stück weit desillusioniert“

Außerdem sei man bei „ein Stück weit desillusioniert“. Bei Gegenüberstellung aller Kosten habe man in den vergangenen rund 15 Jahren im Geschäftsfeld Windenergie nichts verdient. „Wir sind da bestenfalls null auf null rausgekommen“, sagte Müller, der zu den Gründern der Singener Firma gehört. Gleichwohl sei man von Windkraft überzeugt, da ohne sie eine vollständige Energiewende nicht gelingen könne.

Solarcomplex-Chef Müller im Februar 2025 auf der Baustelle des Windparks Länge bei Hüfingen. Mehrere Anlagen werden sich hier nach über ...
Solarcomplex-Chef Müller im Februar 2025 auf der Baustelle des Windparks Länge bei Hüfingen. Mehrere Anlagen werden sich hier nach über einem Jahrzehnt Vorlauf drehen. | Bild: Daniel Vedder

Solarcomplex ist seit dem Jahr 2011 im Windgeschäft aktiv und hat bislang mehr als zwei Dutzend Anlagen an den Start gebracht. Allerdings kämpfen die Projekte ausnahmslos mit Verzögerungen, die maßgeblich von Unsicherheiten aufgrund sich verändernder staatlicher Rahmenbedingungen und Klagen von Windkraftgegnern geprägt sind.

Mit dem Windpark „Länge“ südlich von Donaueschingen hat Solarcomplex einen der am längsten in Vorbereitung befindlichen Windparks in ganz Baden-Württemberg in seiner Regie.

Wenn der sechs Anlagen umfassende Park im Juli 2026 in Betrieb geht, wird er auf eine mehr als 11 Jahre andauernde Planungs- und Genehmigungsphase zurückblicken. Mehrfach beklagt und Jahre im Verzug, habe man mit der „Länge“ in Baden-Württemberg fast schon Rechtsgeschichte geschrieben, sagte Müller.

Strom für 7000 Haushalte

Vergleichsweise zügig ging es dagegen beim zweiten derzeit in Planung befindlichen Solarcomplex-Projekt, dem Windpark „Brand“, nahe Tengen im Hegau. Seit Anfang des Monats verfügt er über eine finale Genehmigung und soll ab 2027 rund 30 Millionen Kilowattstunden Strom liefern, so viel wie knapp 7000 Familien im Jahr benötigen. Die Planungsdauer hier beträgt somit rund sieben Jahre. „Nicht gerade Eilzugtempo, aber für Baden-Württemberg im Rahmen“, kommentiert Müller.

Dachsolaranlagen, wie hier auf dem Gebäude der Ottilienquelle in Randegg nahe der Schweizer Grenze sind ein Wachstumsmarkt für Solarcomplex.
Dachsolaranlagen, wie hier auf dem Gebäude der Ottilienquelle in Randegg nahe der Schweizer Grenze sind ein Wachstumsmarkt für Solarcomplex. | Bild: solarcomplex AG

Den Auslauf der Windkraft will Solarcomplex auch nutzen, um in seinen zwei weiteren Geschäftsfeldern, der Errichtung von Solarstromanlagen und dem Bau von Wärmenetzen, mehr Gas zu geben. Überall sind die Auftragsbücher voll.

Insgesamt seien Solar-Anlagen mit einer Nennleistung von mehr als Hundert Megawatt in der Umsetzung, sagte Müller. Nehme man Projekte in einem frühen Umsetzungsstadium hinzu, sei es deutlich mehr. Zum Vergleich: Hundert Megawatt entsprechen rund einem Fünftel der Leistung eines gewöhnlichen Gaskraftwerks.

35 Megawatt neue PV-Anlagen jedes Jahr

Der Wachstumstrend wird laut Müller anhalten. Man gehe von einem jährlichen Neubau von 35 Megawatt über mehrere Jahre aus, der Großteil davon werde auf Brachen, Wiesen und Äckern, nicht auf Dächern errichtet.

Heizzentrale der Nahwärmeversorgung von Bonndorf im Schwarzwald. Solarcomplex hat sie errichtet. Die Wärmeversorgung ist ein ...
Heizzentrale der Nahwärmeversorgung von Bonndorf im Schwarzwald. Solarcomplex hat sie errichtet. Die Wärmeversorgung ist ein Kerngeschäftsfeld der Singener und wächst rasant. | Bild: Juliane Kühnemund

Als Teil der deutschen Energiewende schreitet auch der Bau von Nahwärmenetzen voran. Projektierung und Betrieb dieser Anlagen stellt die Kernkompetenz der Singener dar. Als das Unternehmen vor 25 Jahren an den Start ging, war man landesweit eine der ersten Firmen überhaupt, die sich an die komplexe Infrastruktur heranwagte.

Mittlerweile werden viel mehr Projektanfragen an Solarcomplex herangetragen als der Mittelständler mit seinen knapp 90 Mitarbeitern umsetzen kann. Eines der aktuellen Leuchtturmprojekte ist der Bau eines auf Photovoltaik und See-Thermie gestützten Nahwärmeversorgung für die Gemeinden Dingelsdorf und Wallhausen am Bodensee. Das 25-Millionen-Euro-Projekt soll rund 400 Haushalte mit nachhaltiger Energie versorgen und unabhängig von Öl und Gas machen. Baubeginn soll Ende 2025 sein.

Wärmenetze jetzt auch in Städten

Außerdem sollen am Singener Stammsitz des Unternehmens zwei Stadtteile mit Öko-Wärme erschlossen werden. Man gehe mit einem Wärmenetz erstmals „vom Land in die Stadt“, sagte Müller. Auch dort sei die Zeit reif, für die Wärmewende.

Neben dem fast schon chronischen Mangel an Ingenieuren, Elektrikern und Heizungsbauern erweist sich für die sehr teuren Wärmenetze aber der Zugang zu frischem Kapital immer mehr als Hemmschuh. In regelmäßigem Abständen gibt Solarcomplex daher neue Aktien aus oder ermöglicht Bürgern die Teilnahme am Unternehmenserfolg durch die Ausgabe von Genussscheinen.

Das so eingeworbene Geld erhöht das Eigenkapital, was wiederum für Banken die Voraussetzung schafft, die Solarcomplex-Projekte mit Krediten zu finanzieren. Angesichts der soliden Finanzlage und der großen Projekt-Pipeline zögen die Banken immer mit, sagte Müller.

Aktueller Vorstand von Solarcomplex (von links): Edgar Kunz, Bene Müller und Verena Binder. Im Hintergrund der Hegauvulkan Hohentwiel.
Aktueller Vorstand von Solarcomplex (von links): Edgar Kunz, Bene Müller und Verena Binder. Im Hintergrund der Hegauvulkan Hohentwiel. | Bild: Solarcomplex

Fürs abgelaufene Geschäftsjahr weist das Unternehmen eine harte Eigenkapitalquote von 41 Prozent auf – ein für ein Energieunternehmen stattlicher Wert.

Unternehmen gibt neue Genussscheine für Investoren und Bürger aus

Mit knapp 105 Millionen Euro hat die Bilanzsumme im 25. Jahr des Bestehens von Solarcomplex erstmals die Marke von 100 Millionen Euro geknackt (Vorjahr: 98 Millionen). Ein Erfolg, den man sich zu Gründerzeiten nicht habe vorstellen können, so Müller.

Mit einem Umsatz von 30 Millionen Euro lagen die Erlöse allerdings knapp sechs Millionen Euro unter dem Vorjahreswert. Der Rückgang geht laut Müller maßgeblich auf Verzögerungen beim Netzanschluss des derzeit größten Solarcomplex-Solarparks in Döggingen im Schwarzwald zurück, der dazu führte das erwartete Einnahmen erst im laufenden Geschäftsjahr verbucht werden könnten.

2024 mit Rekordgewinn

Mit 6,8 Millionen Euro liegt der Bilanzgewinn 2024 indes auf Rekordniveau. Auch im laufenden Geschäftsjahr sowie darüber hinaus werde man Gewinne einfahren und weiter ein erhebliches Wachstum ausweisen, sagte Müller. Durch die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung ergäben sich bislang keine wesentlichen Einschränkungen für das Geschäftsmodell.