Dieses Jahr ist das Erdbeeren pflücken wegen der Corona bedingten Hygienemaßnahmen tatsächlich etwas kompliziert: Hände desinfizieren, nur in einer klar zugewiesenen Reihe pflücken, bloß nicht auf dem Feld naschen und auch noch darauf achten, dass sich das mitgebrachte Kind nicht heimlich Beeren in den Mund schiebt. Das Körbchen ist trotzdem ruckzuck voll, der Preise günstig und die Qualität wunderbar.
Angebot für Selbstpflücker ist stark zurückgegangen
Trotzdem ist Wolfgang Hertell vom Bruderhof in Eigeltingen einer der letzten Landwirte, die in der Region Erdbeeren zum Selber pflücken im großen Stil anbieten. „Das Angebot ist in den vergangenen zehn Jahren stark zurückgegangen“, sagt Wolfgang Hertell, der selbst seit 25 Jahren an sechs verschiedenen Standorten rund um Singen, Radolfzell, Stockach und Tuttlingen die Selbstpflücke anbietet.
Wolfgang Hertell weiß, was die Kollegen zum Aufgeben bewogen hat. Einmal sind es die Kunden, die nicht mehr so pflücken wie früher. „Sie kommen nur bei schönem Wetter und sehen das Pflücken als einen Familienausflug. Die Kinder toben durch die Plantagen, essen viele Beeren und am Ende wird ein Schälchen bezahlt“, sagt Wolfgang Hertell.

Wenn die berufstätigen Mütter sich überhaupt die Zeit nehmen, mit ihren Kindern auf die Felder zu kommen. „Vielen ist das zu mühsam, die kaufen lieber die fertig gepflückten Beeren“, sagt Lisa Wassmer vom Obst und Rosenhof in Stockach. Zumal diese beim Discounter teils sogar billiger sind als die selbst gepflückte Ware – trotz tausender Transportkilometer aus Spanien.
Vor einigen Jahren pflückten Familien noch ihren ganzen Jahresvorrat
Und so hat die Familie Wassmer die Selbstpflücke in den letzten Jahren stark zurückgefahren. „Den ganzen Tag jemand dafür bezahlen, dass er am Stand das Feld bewacht und nachher kommt kaum jemand, das rechnet sich einfach nicht“, sagt Lisa Wassmer.
Noch vor einigen Jahren dagegen war es den Erdbeerbauern zufolge normal, dass die Kunden mehrere Kilo Erdbeeren gepflückt haben. „Da wurde der Jahresvorrat Marmelade für die Familie gekocht. Und da ist man auch noch aufs Feld gekommen, wenn es ein bisschen geregnet hat, weil die Leute wussten: sonst gehen die reifen Beeren ja kaputt“, sagt Wolfgang Hertell vom Bruderhof in Eigeltingen.
Heute verfaulen die Beeren auf den Selbstpflück-Feldern, wenn die Kunden wetterbedingt oder aus anderen Gründen ausbleiben. „Kollegen, die ihre Erdbeeren an Supermärkte verkaufen, haben dieses Risiko nicht. Denn die Erntehelfer werden bei jedem Wetter aufs Feld geschickt, da sind die finanziellen Ausfälle geringer“, sagt Landwirt Wolfgang Hertell.

Wegen fehlenden Erntehelfern öffnen viele Landwirte nun wieder ihre Felder für Selbstpflücker
Nun mangelt es in dieser Saison jedoch auch an Erntehelfern. Weshalb so manchem Landwirt gar keine andere Möglichkeit bleibt, als die Früchte zum Selbstpflücken anzubieten. Familie Weinzierle beispielsweise, die seit dem Jahr 1974 Erdbeerplantagen zwischen Pfullendorf, Ulm und Reutlingen betreibt, wird in diesem Jahr auf alle 29 Felder Selbstpflücker lassen. „Normalerweise lassen wir etwa 30 Prozent der Beeren von Erntehelfern pflücken“, sagt Severine Weinzierle.
Angst vor finanziellen Ausfällen hat sie deswegen aber nicht. „Anders als bei den Beeren, die in die Supermärkte gehen können wir die Preise auf dem Feld selbst bestimmen.“ Dass diese dann auch mal über denen der spanischen Discounter-Erdbeeren liegen werden, müssen die Erdbeerbauern riskieren. „Dafür gibt es bei uns noch gute Erdbeersorten, die wirklich nach was schmecken und nicht nur schön aussehen“, sagt Wolfgang Hertell vom Bruderhof in Eigeltingen. Der beste Zeitpunkt, das auszuprobieren ist ab sofort, denn die verbliebenen Selbstpflücken in der Region haben spätestens ab Anfang Juni alle geöffnet.