Sandra Markert

Etwas verloren stapfen Danut aus Rumänien und Piotre aus Polen über das Spargelfeld bei Uhldingen-Mühlhofen. Sie müssen heute schwarze Folien über die braunen Spargelhügel spannen, damit das Gemüse schneller wächst und Ende April gestochen werden kann. Normalerweise machen sie diese Arbeit zusammen mit sechs Kollegen. Doch die sitzen derzeit noch in Rumänien fest. Die Grenzschließungen in Ungarn wegen der Corona-Krise haben ihre Einreise nach Deutschland ausgebremst.

Spargelbauer Wilfried Möking, dem rund um Uhldingen-Mühlhofen 20 Hektar Spargelfelder gehören, versucht nun, seine Arbeitskräfte per Flugzeug ins Land zu bekommen. Denn trotz strenger Grenzregelungen ist dies zumindest rechtlich eigentlich möglich. „Mit entsprechendem Arbeitsnachweis dürfen die Saisonkräfte kommen“, sagt Wilfried Möking.

Erntehelfer Danut auf dem Spargelfeld.
Erntehelfer Danut auf dem Spargelfeld. | Bild: Sandra Markert

Die Frage ist, ob sie das in der aktuellen Situation überhaupt noch wollen. Dem Landesverband Erwerbsobstbau Baden-Württemberg zufolge haben bereits 30 Prozent der ausländischen Saisonarbeitskräfte abgesagt. Jährlich kommen rund 53.000 Arbeiter insbesondere aus Osteuropa nach Baden-Württemberg, um dort Salat zu pflanzen, Spargel zu stechen, Erdbeeren, Kirschen oder Äpfel zu pflücken sowie um bei der Weinlese zu helfen. Am Bodensee sind Jahr für Jahr rund 6000 Saisonarbeiter im Einsatz, rund ein Drittel davon jetzt im Frühjahr.

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„Auch bei mir haben schon mehrere Kollegen angerufen und gesagt, die Helfer zum Hopfen an den Draht bringen kommen nicht. Sie haben Angst bei ihrer Rückkehr in Quarantäne zu müssen“, sagt Hubert Hengge, Geschäftsführer des Maschinenrings Tettnang. Dadurch könnte dann ihr regulärer Job im Heimatland auf dem Spiel stehen, wenn sie dann tatsächlich erkranken oder nicht genug Urlaubstage für die Quarantäne haben.

Gegen diese Angst helfen auch die aktuellen Forderungen der Bauernverbände wenig. Diese wollen unter anderem längere Arbeitszeiten sowie eine Verlängerung der Höchstdauer der Beschäftigung für die Saisonkräfte, damit weniger Menschen länger bleiben dürfen, um die Ernte einzubringen – und der drohende Engpass dadurch abgemildert wird.

Da die Bauern aber die Befürchtung haben, dass auch das nicht reichen wird, werden sie nun selbst aktiv. „Studenten, vitale Rentner, Hausfrauen, Hausmänner, wird suchen dringend helfende Hände als Ersatz für die Erntehelfer, die nicht kommen!“ Mit diesem Aufruf im sozialen Netzwerk Facebook haben sich die Bodensee-Bauern, ein Zusammenschluss von Landwirten aus der Region, vor einigen Tagen an die Bevölkerung gewandt.

Hubert Hengge von den Bodensse-Bauern.
Hubert Hengge von den Bodensse-Bauern. | Bild: privat

„Die Resonanz war absolut überwältigend. Mehr als 500 Leute haben sich innerhalb kürzester Zeit gemeldet. Jetzt müssen wir sehen, wen wir wie und wo einbinden können“, sagt der Tettnanger Landwirt Hubert Hengge, der auch zum Netzwerk der Bodensee-Bauern gehört. Die große Anzahl Freiwilliger findet er auch deshalb erstaunlich, weil mehr als ein Mindestlohn von 9,35 Euro die Stunde für die meisten Helfer nicht rausspringen wird.

Der Zusammenschluss der Bodensee-Bauern ruft Interessierte, die als Studenten oder Rentner Zeit haben oder an ihrem regulären Arbeitsplatz derzeit nicht mehr arbeiten können, um Mithilfe auf den Höfen auf.

Auch beim Landesbauernverband in Stuttgart haben sich viele Freiwillige gemeldet, die in den vergangenen Tagen von der Notlage der Landwirte gehört haben: Studenten aus dem agrarwissenschaftlichen Bereich, aber auch Leute aus der Gastronomie, die nach einem neuen Arbeitsplatz suchen „Diese Hilfsbereitschaft ist wirklich toll. Denn wenn wir jetzt nicht säen und pflanzen können, dann bleibt auch die Ernte aus“, sagt Ariane Amstutz vom Landesbauernverband Baden-Württemberg.

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Spargelbauer Wilfried Möking hat währenddessen sein Handy am Ohr, sein Gesichtsausdruck entspannt sich. Ihn hat die Nachricht erreicht, dass tatsächlich fünf seiner rumänischen Saisonkräfte in einem Flugzeug Richtung Deutschland sitzen. „Ich kann zum Spargelstechen keine Studenten oder Rentner brauchen“, sagt Wilfried Möking. „Wer das noch nie gemacht hat, ist einfach zu langsam. Und wenn das Kilo Spargel dann 30 Euro kostet, dann kauft mir das auch keiner mehr.“

Seine rumänischen Saisonarbeiter, von denen er normalerweise etwa 15 beschäftigt, kommen schon seit vielen Jahren. Sie sind die anstrengende Arbeit gewohnt und erledigen sie schnell. „Und sie wollen auch unbedingt kommen, denn von dieser Arbeit bei uns lebt in Rumänien eine ganze Familie das Jahr über“, sagt Wilfried Möking.

Wer holt die Kisten mit Spargel vom Feld?
Wer holt die Kisten mit Spargel vom Feld? | Bild: Silas Stein/dpa

Wie der Spargelbauer selbst die drohenden Einbußen im Spargelverkauf kompensieren will, weiß er noch nicht. „Etwa die Hälfte des Spargels geht normalerweise an die Gastronomie und in unsere eigene Besenwirtschaft“, sagt Wilfried Möking. Keiner weiß derzeit jedoch, wie lange Restaurants überhaupt noch geöffnet haben dürfen. Hinzu kommt, dass Möking einen guten Teil des Spargels an Gasthäuser in Vorarlberg verkauft. „Das kann ich mir jetzt schon abschminken. Und ob die normalen Leute in Krisenzeiten ein Luxusgemüse wie Spargel kaufen, werden wir sehen“, sagt Wilfried Möking.

Ein Teil des edlen Gemüses wird in diesem Jahr wegen der fehlenden Saisonkräfte und wegen der geringeren Nachfrage also wohl auf den Feldern vergammeln. „Der einzige Lichtblick ist, dass wir dort im nächsten Jahr von einem besseren Ertrag profitieren werden“, sagt Wilfried Möking.

Dann verabschiedet er sich von Danut und Piotre, die das braune Spargelfeld langsam in eine schwarze Folienwüste verwandeln und steigt in seinen weißen Kleintransporter. Seine rumänischen Helfer werden bald am Flughafen in Memmingen landen.