Der Autozulieferer Marquardt aus Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen hat die Weichen für einen Wechsel an der Spitze des Unternehmens gestellt. Zum Jahreswechsel übernimmt nach Unternehmensangaben Björn Twiehaus die Führung des Unternehmens von Harald Marquardt. Damit übernimmt erstmals in der knapp 100-jährigen Firmengeschichte ein Manager die Leitung, der nicht zur Gesellschafterfamilie gehört.

Der 46-Jährige übernimmt bei Marquardt bereits ab April den stellvertretenden Vorsitz der Geschäftsführung. Twiehaus kommt vom Automobilzulieferer Hella in Lippstadt. Der Lichtspezialist hat zuletzt mit 39.000 Beschäftigten einen Umsatz von rund acht Milliarden Euro erwirtschaftet. Vor zwei Jahren wurde das Unternehmen vom französischen Wettbewerber Faurencia übernommen und agiert seitdem unter dem gemeinsamen Namen Forvia.

Eigner und langjähriger Firmen-Chef Harald Marquardt (links) und sein designierter Nachfolger an der Firmenspitze Björn Twiehaus. Wer ...
Eigner und langjähriger Firmen-Chef Harald Marquardt (links) und sein designierter Nachfolger an der Firmenspitze Björn Twiehaus. Wer ist der neue Mann? | Bild: Marquardt

Der neue kommt von Hella

In Folge der Übernahme hat die bisherige Hella-Geschäftsführung das Unternehmen verlassen. Auch Twiehaus ist vor genau einem Jahr gegangen. Dem Vernehmen nach durfte der 46-Jährige danach für eine gewisse Zeit lang keine neue Position in der Branche übernehmen.

Ein Konkurrenzausschluss ist für solche Positionen nicht ungewöhnlich. Hella ist mit Produkten für die Innenraumgestaltung, Steuergeräten, Schalter, Sensoren und Energiemanagement auf den gleichen Feldern wie Marquardt aktiv.

Langjährige Führungserfahrung

Dies dürfte auch der Grund sein, warum sich der schwäbische Familienkonzern für den Manager aus Lippstadt entschieden hat. Twiehaus war seit 2002 bei Hella und hatte mehrere Führungspositionen in Produktion, Vertrieb sowie im Produkt- und Programm-Management inne.

Im Jahr 2020 übernahm er die Geschäftsführung des Elektronikbereichs und wurde in dieser Funktion zugleich Mitglied der Hella Konzerngeschäftsführung. Der 46-Jährige hat an der Uni in Osnabrück Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Fertigungstechnik belegt und absolvierte zudem ein wirtschaftswissenschaftliches Studium.

Familienfremde Lösung beim Zulieferer

Twiehaus übernimmt den Chefsessel von Harald Marquardt, der seit 1996 in der Geschäftsführung vertreten ist. Der 62-Jährige führt den gleichnamigen Unternehmen in dritter Generation seit 2015. Dem Vernehmen nach war in der Familie niemand schon so weit, dass er das 1925 gegründete Unternehmen durch die schwierigen Zeiten der Autoindustrie hätte führen können.

Vom Mechatronik-Spezialisten Marquardt kommen Bedienkomponenten sowie Fahrzeugzutrittssysteme für die meisten Hersteller weltweit. Ebenso sind Produkte von des Unternehmens in Hausgeräten, industriellen Anwendungen und Elektrowerkzeugen zu finden.

Der Autozulieferer beliefert Premium-Autobauer, hier ein Zukunfts-Cockpit von Marquardt.
Der Autozulieferer beliefert Premium-Autobauer, hier ein Zukunfts-Cockpit von Marquardt. | Bild: Marquardt

Marquardt mitten in der Transformation

Im Zuge der Transformation in der Autoindustrie spezialisiert sich der Zulieferer aus Rietheim auf Batteriemanagementsysteme für E-Fahrzeuge. Hierzu hat Marquardt eine neue Fertigung in der Nähe von Erfurt aufgebaut. Der zweite Werksteil soll in diesem Sommer den Betrieb aufnehmen. Am Stammsitz in Rietheim konzentriert sich Marquardt zunehmend auf die Erforschung und Entwicklung neuer Erzeugnisse.

Die Fertigung findet zunehmend an den anderen 21 Standorten statt. So hat der Zulieferer zuletzt seine Präsenz im indischen Pune ausgebaut. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 10.600 Mitarbeiter. Der Umsatz lag 2022 bei rund 1,4 Milliarden Euro. Zehn Prozent der Verkaufserlöse fließen in Forschung und Entwicklung. Neue Zahlen will das Unternehmen am 15. Mai vorlegen.

Marquardt erfahrener Tarif-Verhandler

Der bisherige Chef ist stellvertretender Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. In dieser Funktion ist er bundesweit als Verhandlungsführer bei den Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie bekannt geworden. Für die Arbeitgeberseite war er für den Pilotabschluss in Ludwigsburg im November 2022 verantwortlich, der als einer der schwierigsten der Branche gilt.