Es ist ein elektrisierender Tag für die Badische Staatsbrauerei Rothaus. Mit dem kleinen Wortwitz hatte Rothaus-Alleinvorstand Christian Rasch im Juli vergangenen Jahres die Aufnahme von fünf Lastwagen mit Elektroantrieb in die Fahrzeugflotte der Brauerei angekündigt.
Die Präsentation der neuen Laster war ein werbewirksamer Termin. Am Unternehmenssitz in Grafenhausen waren die eActros 400 von Daimler Truck in Reihe aufgefahren. Die Fahrerhäuser jeweils gefärbt im typischen Rothaus-Rot. Die Seiten der Ladeflächen mit dem großen Schriftzug „TANNENZÄPFL-E“ versehen.
Die Anschaffung wird als „bedeutender Schritt“ des Landesbetriebs in Richtung Klimapositivität gewertet. So will dieser künftig mehr CO2 einsparen als ausstoßen. Um dies zu erreichen, hat sich die Brauerei das Jahr 2030 als ambitionierte Zielmarke gesetzt und dazu ein Spektrum von Maßnahmen ergriffen.
Fünf dieselgetriebene Laster konnten für die vollelektrisch angetriebenen Lkws aus dem Rothaus-Fuhrpark ausgemustert werden. Seither verkehren die stattlichen eActros durch die Täler und über die Berge des Schwarzwalds und transportieren das Rothaus-Bier quasi emissionsfrei zu den Handelspartnern.
Weniger Dieselkraftstoff verbraucht
Seit Inbetriebnahme der Elektro-Lkw konnten innerhalb der sechs Monate bis Jahresende 2024 rund 32.000 Liter Dieselkraftstoff eingespart und dementsprechend die Rothaus-CO2-Bilanz verbessert werden, rechnete Ann-Kristin Lickert, Referentin von Vorstand Rasch, vor.
Das Rothaus-Vorhaben, bei der Kundenbelieferung auf emissionsfreie Fahrzeuge zu setzen, erntet sowohl Aufmerksamkeit in der Branche, aber auch Zweifel hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Alltagstauglichkeit. Eine noch unzureichende Ladeinfrastruktur führen Kritiker hier gerne an.
Rothaus-Sprecherin Lickert bekümmert das weniger: „Für uns passt die Ladeinfrastruktur.“ Die Elektro-Laster seien in der Region unterwegs und die Strecken somit überschaubar. Bei den Tagestouren würde die maximale Reichweite eActros, die zwischen 350 und 400 Kilometern liege, nicht ausgereizt.
Laden im Betrieb
Externe Ladesäulen müssten nicht angefahren werden; die Fahrzeuge könnten vielmehr am Unternehmenssitz mit 100-prozentigem Öko-Strom geladen werden, so Lickert. Rothaus beziehe den Öko-Strom seit 2016. Zudem habe die Brauerei eine 9000 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage.
Der gewonnene Strom decke rund ein Fünftel des Energiebedarfs der Brauerei, könne aber auch zum Laden der Fahrzeuge verwendet werden. Teil der von Rothaus verfolgten Nachhaltigkeitskette seien dabei auch vollelektrische E70-Stapler der Firma Linde, die zum Beladen der Lastwagen genutzt würden.
Für die Getränkebranche ist eine nachhaltige Logistik zunehmend ein Thema. Auch andere Brauereien wollen ihre Fuhrparkflotten teilweise elektrifizieren. Die Fürstenberg Brauerei etwa hatte nach Angaben von Sprecherin Ilona Zimmermann schon zwei Elektro-Lkw im Einsatz. Der Testlauf habe zur Entscheidung geführt, dass innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre Elektro-Lkw in den Fuhrpark aufgenommen würden, sagte Zimmermann.
Auch andere Brauereien wollen reagieren
Offen für den Einsatz von E-Nutzfahrzeugen zeigt sich auch die Privatbrauerei Waldhaus. Nach Angaben von Sprecherin Tanja Blum besteht die Lastwagenflotte derzeit zwar ausschließlich aus Verbrennerfahrzeugen.
Man sei aber im Austausch mit Fahrzeuganbietern sowie mit örtlichen Unternehmen, die schon entsprechende Fahrzeuge einsetzen. Eine Umstellung sei im Jahr 2026 denkbar, sagte Blum.
Bei der Rothaus-Brauerei ist man dank des vor neun Monaten gestarteten Pilotprojektes schon weiter: Die komplette Elektrifizierung der Fuhrparkflotte sei vorgesehen, sagte Referentin Lickert. Bis 2030 werde die gesamte Logistik elektrifiziert; auch 40-Tonner-Fahrzeuge würden auf E-Antrieb umgestellt, kündigt das Unternehmen an.
Die E-Mobilität sei bei Rothaus aber nur ein Teil der Klimastrategie. Aus eigenen Mitteln der Brauerei sei bis zum Jahr 2030 ein Gesamtbudget von 40 Millionen Euro bereitgestellt, betonte Lickert. Unter der Regie von Vorstand Christian Rasch würden seit vielen Jahren alle Bereiche des Unternehmens sukzessive darauf ausgerichtet, klimapositiv zu werden. Der Grundgedanke sei dabei, dass Klimaschutz schließlich auch das Naturprodukt Bier absichere.
Keine Marketing-Aktion, sondern wirtschaftlich
Lickert verweist darauf, dass für den Wandel des Fuhrparks auch Mittel aus einem Förderprogramm des Bundes verwendet werden konnten. Lickert ist es wichtig, zu betonen, dass die Staatsbrauerei hier nicht gezielt durch das Land Baden-Württemberg finanziell unterstützt worden sei. Das Förderprogramm des Bundes sei vielmehr für jeden Betrieb zugänglich.
Bei Rothaus hört man auch ungern den Vorwurf, dass das E-Laster-Projekt eher eine Marketing-Maßnahme sei und kaum wirtschaftlich sein könne. Sprecherin Lickert wehrt sich entschieden dagegen, dass die Brauerei sogenanntes Greenwashing betreibe, also versuche, sich allein mittels Marketing das grüne Mäntelchen des Umweltschutzes umzuhängen. Vielmehr würden Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit verbunden.
Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Projekten der E-Mobilität in der Lkw-Branche sei heutzutage viel eher gegeben, bekräftigt Alexander Basler von der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG).
Basler, Professor für Fahrzeugmechatronik, beschäftigt sich seit gut 15 Jahren mit E-Mobilität. Wer die Wirtschaftlichkeit von Lkw mit Verbrennermotor gegenüber elektrisch angetriebenen Lastwagen vergleiche, betrachte zumeist deren jeweiligen Gesamtkosten – also vorrangig die Anschaffungs-, Betriebs- und Wartungskosten.
Für regionalen Lieferverkehr gut geeignet
Trotz höherer Anschaffungspreise, die durchaus doppelt so hoch sein können wie bei konventionellen Lkw, zeichneten sich E-Lkw durch geringere Betriebs- und Wartungskosten aus, sagt Basler. Bei der Elektrifizierung des Fuhrparks wirke sich vor allem auch ein ganzheitlicher Ansatz aus, wie er etwa bei der Rothaus-Brauerei gegeben sei.
Wenn der Ladestrom von der betriebseigenen Photovoltaikanlage komme, gehe der Strompreis gegen Null. Wenn zu 100 Prozent Ökostrom und nicht CO2-behafteter Strom zum Laden eingesetzt werde, sei dies ein weiterer entscheidender nachhaltiger Aspekt, bekräftigt Basler.