Sind Wohnmobile gefragter denn je? Dieser Aussage kann Frank Heinrichsen „getrost zustimmen“, wie er selbst sagt. Der Marketingleiter von Hymer, einer der größten Hersteller von Wohnmobilen und Wohnwagen in Europa, freut sich, dass diese Branche trotz Pandemie boomt: „Europaweit sind die Zahlen wirklich beeindruckend“, sagt er.

Corona „wie ein Brennglas“

Die Verkaufszahlen zeigen, wie viel Bewegung derzeit in der Branche ist. Das spiegle sich auch bei Hymer nieder. Die Urlaubsform Camping sei bereits vor der Pandemie immer beliebter geworden: „Corona hat da wie ein Brennglas gewirkt, das merken wir natürlich. Unsere Produkte sind sehr nachgefragt“, sagt Heinrichsen. Camping werde zudem auch immer mehr in der kalten Jahreszeit genutzt. „Das Wohnmobil wird zu einem festen Begleiter an den Wochenenden“, fügt er an.

Frank Heinrichsen, Marketing-Leiter von Hymer.
Frank Heinrichsen, Marketing-Leiter von Hymer. | Bild: Calvin Mueller

Caravaning oder Camping sei kontaktarm, in dieser Zeit also eine der sichersten Urlaubsformen. Hinzu komme die Flexibilität in Planung und Gestaltung des Urlaubs. „Es beschäftigen sich viele Menschen neu mit dem Thema. Die aktuelle Situation hat das zusätzlich bestärkt“, sagt Heinrichsen.

Das bringt auch Schwierigkeiten mit sich. Wie zum Beispiel dem Problem langer Lieferzeiten zu entgegnen: „Es wäre vermessen zu sagen, das uns das nicht betrifft. Das Sicherstellen und die Taktung der Lieferketten sind aufgrund der Pandemie natürlich eine besondere Herausforderung“, erklärt Heinrichsen. Beispielsweise, weil Zulieferer zwischenzeitlich ihren Betrieb einstellen mussten.

Ein Mitarbeiter von Hymer bei der Seitenwandmontage.
Ein Mitarbeiter von Hymer bei der Seitenwandmontage. | Bild: Hymer GmbH & Co. KG

Auch coronabedingte Schutzmaßnahmen für das Personal hätten sich in Summe auf die Geschwindigkeit der Auslieferung ausgewirkt. Eine pauschale Aussage, wonach sich die Lieferzeit eines Wohnmobils bei Hymer um X Monate verlängert hätte, könne man aber nicht treffen. „Wenn die Nachfrage hoch ist, kann das natürlich passieren, dass das Wunschfahrzeug nicht zum gewünschten Zeitpunkt verfügbar ist“, erklärt der Marketingleiter.

170 neue Arbeitsplätze geschaffen

Durch die hohe Nachfrage in der Branche ist Hymer aktuell dabei, den Standort in Bad Waldsee aufzubauen: „Wir haben rund 170 neue Arbeitsplätze für Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen geschaffen“, erzählt Heinrichsen.

Neben der steigenden Zahl an Arbeitnehmern investiert das oberschwäbische Unternehmen momentan zudem in ein neues Produktionsgebäude. „Wir sind in den letzten Zügen der Fertigstellung. In Zukunft werden verstärkt auch unsere eigenen Chassis produzieren, entwickeln und verbauen, was uns noch unabhängiger von externen Faktoren werden lässt“, sagt der Marketingleiter. Mit dem Ziel, durch die zentralisierte Fertigung noch flexibler auf die aktuelle Marktsituation und die Bedürfnisse der Kunden zu reagieren. Die Serienproduktion soll 2021 starten.

Wie könnte es für die Branche in Zukunft weitergehen?

Doch könnte es nicht sein, dass der Boom nach Corona wieder abflacht? „Wenn man die aktuellen Zahlen außer Acht lässt, zeigt sich eindeutig, dass es vor Corona schon eine Wachstumsbranche war“, sagt Heinrichsen – wenn auch nicht in der Geschwindigkeit und mit dem Hebel. Der Marketingleiter geht aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung davon aus, dass diese Entwicklung nachhaltig ist. Das sei aber Glaskugel-Lesen.

Diese beiden Hymer-Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem Dach eines Wohnmobils.
Diese beiden Hymer-Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem Dach eines Wohnmobils. | Bild: Hymer GmbH & Co. KG

Klar zu erkennen sei auf jeden Fall, dass sich die Kunden ändern: „Wir haben heute spürbar vermehrt jüngere Kunden und vor allem viele Menschen, die gar nicht zwingend campen gehen wollen, sondern einem Hobby nachgehen, wo es eine unheimliche Erleichterung ist, mit dem Camper-Van oder Reisemobil unterwegs zu sein“, sagt Heinrichsen, der Skifahren und Fahrradfahren als Beispiele nennt. „Die Leute kommen mit ganz anderen Aufgabenstellungen auf uns zu“, sagt er. Damit würden auch ganz andere Ausstattungen gebucht.

Stellplätze stark im Kommen

Ein großer Trend, den das Unternehmen im Markt feststelle, sei der Wunsch nach Unabhängigkeit bei den Kunden: „Stark im Kommen sind sogenannte Wohnmobilstellplätze“, erklärt Heinrichsen. Das sei ein bisschen was anderes im Vergleich zum klassischen Campingpatz mit gewohnter Infrastruktur. Häufig würden Privatleute oder Kommunen das Angebot machen, ein Ort zur Verfügung zu stellen, wo dann übernachtet wird – ohne die klassische Infrastruktur.

Beim Preis gab es durch Corona „keine außergewöhnlichen Sprünge“

Doch sind Wohnmobile durch die enorme Nachfrage in der Corona-Pandemie nicht auch extrem viel teurer geworden? „Coronabedingt gab es keine außergewöhnlichen Sprünge“, erklärt Heinrichsen. Es gebe aber natürlich grundsätzliche Anpassungen zum Modelljahreswechsel, gibt er offen zu.

Grundsätzlich sei schwierig einzuschätzen, was nun derzeit ein Wohnmobil kostet. Der Preis sei sehr abhängig von der Produktkategorie. „Es ist ganz schwer, da jetzt einen Mittelwert zu nennen, ohne auf die Details einzugehen.“

Zwei Bereiche müsse man getrennt voneinander betrachten: Reisemobile und Campervans. Letztere seien etwas kleinere, wendigere und flexiblere Fahrzeuge. Und eben die klassischen Reisemobile, die vom Preis stark variieren würden – je nach dem, welcher Chassi-Anbieter dahinter stecke, welche Länge, Ausbau-Merkmale und Ausstattung das Fahrzeug habe. Man müsse aber „faierweise schon sagen, dass ein Wohnmobil jetzt kein Mitnahme-Artikel ist, egal in welcher Kategorie“, so der Marketingleiter.

Wenn es zu teuer wird, kann Mieten der Schlüssel sein

Und daher spiele auch das Vermieten von Wohnmobilen „eine große Rolle“. Da Hymer kein direktes Endkundegeschäft mache, läuft die Beratung und Vertragsabwicklung über Handelspartner. Das werde stark genutzt: „Die Kollegen merken da auch eine verstärkte Nachfrage“, sagt Heinrichsen.