„Heute können wir leider keine Spielsachen anschauen, ich habe mein Handy vergessen“, sagt Julius Schweitzer zu seinem fünfjährigen Sohn Tim. Dann schiebt er den enttäuschten Jungen am Spielwarenladen in der Überlinger Innenstadt vorbei. Wie bei allen Geschäften, die nicht der Grundversorgung dienen, hängt seit einigen Tagen an der Eingangstür ein deutliches Schild: „Zutritt nur mit 2G – geimpft oder genesen“. Das bringen die derzeit gültigen Corona-Regeln in Baden-Württemberg in Kreisen mit einer Inzidenz über 500 mit sich. Auf Bundesebene wird derzeit zudem diskutiert, ob die 2G-Regel generell und überall im Einzelhandel greifen soll.

Die allermeisten Kunden sind am ersten Adventswochenende gut auf die 2G-Regel vorbereitet, warten geduldig vor der Ladentür oder im Eingangsbereich, bis ihr „G“ geprüft wird. Günter Broeski, Inhaber des Spielzeuglandes, eilt zwischen Kontrolle, Beratung und Verkauf hin und her und hat alle Hände voll zu tun.
Sorge vor harter 2G-Plus-Regel
Ob und wie viele Kunden womöglich vom Weihnachtsgeschäft wegbrechen, welches für die Spielwarenbranche so wichtig ist, darüber mag er sich eigentlich keine Gedanken mehr machen. „Ich bin froh über jeden Tag, den mein Geschäft offen bleiben darf oder wir nicht auch noch 2G+ bekommen“, sagt Günter Broeski. Denn wenn sie auch noch einen aktuellen Test bräuchten, würden die Kunden nicht mehr kommen, das hätten ihm schon viele gesagt, betont er.
Auch in anderen Läden versucht man es mit Optimismus. „Die Kunden reagieren sehr verständnisvoll und manche sagen auch, dass sie sich seit dem verschärften Zutritt sicherer fühlen“, sagt Uwe Zscherp, Sprecher des Wirtschaftsverbunds Überlingen und Inhaber eines Schuhgeschäfts. Einen Kundenrückgang konnte er in den ersten Tagen mit 2G nicht beobachten. „Wir haben da aber sicher auch vom Winterwetter profitiert“, so Zscherp.
In Friedrichshafen sinkt die Kundenfrequenz in der Innenstadt
In Friedrichshafen klingt die Stimmung düsterer. „Bei uns war in den letzten Tagen auf jeden Fall weniger los“, sagt Thomas Goldschmidt, Geschäftsführer von Stadtmarketing Friedrichshafen. Ob das mit den Nachweisen zusammenhänge oder vielmehr damit, dass die Menschen sich an die Appelle hielten, Kontakte möglichst einzuschränken, könne er aber nicht sagen. Die Stimmung im Einzelhandel sei jedenfalls sehr gedrückt. „Finanzielle Polster sind nach all den Lockdowns einfach aufgebraucht, das Weihnachtsgeschäft wäre dringend nötig gewesen“, betont Goldschmidt.

Einen Lichtblick sieht er aber dennoch: „Bei vielen Kunden ist inzwischen ein Bewusstsein dafür da, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen und jetzt eben nicht gleich wieder alles online zu bestellen“, sagt Goldschmidt. Viele Händler hätten inzwischen kreative Wege gefunden, ihre Ware an Kunden zu verkaufen – unabhängig davon, ob diese nun in die Geschäfte kommen könnten oder dürften.
Miserable Bilanz am ersten Adventswochenende
Der Handelsverband Baden-Württemberg kann diesen Lichtblick nicht teilen. Er zieht für den ersten Adventssamstag eine miserable Bilanz. Knapp die Hälfte der Händler im Südwesten bezeichnete die Kundenfrequenz und den Umsatz als mangelhaft oder ungenügend. „Die gültigen Corona-Regeln sorgten für Verunsicherung. Die Kunden kommen nicht, sondern bestellen im Netz“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg.
Für den Rest des Weihnachtsgeschäfts malt Hagmann ein düsteres Bild: Fast drei Viertel der Händler gab in der Umfrage des Verbands an, für die kommenden Wochen mit einem weiteren Rückgang der Kundenfrequenz zu rechnen. „Wenn die Zutrittsbeschränkungen im Einzelhandel nicht wieder aufgehoben werden, wird dies dramatische Folgen für die Vielfalt des Handels und die Lebendigkeit unserer Innenstädte haben“, sagt Hagmann.
Kein Ausweg außer „freundlich sein“
Spielwarenhändler Günter Broeski aus Überlingen tauscht sich unterdessen weiter mit seinen Kunden über derzeit angesagte Brettspiele oder Lieferprobleme bei Schleich-Tieren aus. Auch er könnte auf die Konkurrenz im Online-Handel schimpfen, die von Masken, „Gs“ und „Lockdowns“ seit Monaten verschont bleibt. Oder sich darüber ärgern, dass der benachbarte Drogeriemarkt nicht auch von der 2G-Regel betroffen ist und dadurch sein Spielwarensortiment an mehr potenzielle Kunden verkaufen kann – so, wie auch schon während der Lockdowns.
Stattdessen berät Broeski lieber seine eigenen Kunden: vor Ort und telefonisch. Kompetent und freundlich. Viel mehr können die Einzelhändler nicht tun – außer zu hoffen, dass das reicht, um dieses Weihnachtsgeschäft zumindest zu überleben.