Um sich über die Bedeutung des deutschen Rentensystems klar zu werden, lohnt ein einfacher Vergleich. Für Energieimporte von Kohle, Öl und Gas gibt Deutschland in normalen Jahren etwa 90 Milliarden Euro aus. Das deutsche Rentensystem aber hat einen gigantischen Kapitalbedarf von fast 340 Milliarden Euro jährlich. Selbst die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind damit verglichen ziemlich mickerig, zumal der Betrag über mehrere Jahre gestreckt fließen wird.

Warum redet niemand über das Renten-Problem?

Angesichts dieses Stellenwerts mutet es seltsam an, dass seit Monaten die Frage der Energiesicherheit und die sicherheitspolitischen Herausforderungen des Ukraine-Kriegs hin und her diskutiert werden, zum Thema Rente aber so gut wie nichts zu hören ist. Noch sonderbarer ist es, weil das Rentensystem vor einer echten Krise steht.

Heutige Senioren sind vergleichsweise gut abgesichert. Kommende Generationen werden bei den Renten erhebliche Einschnitte hinzunehmen ...
Heutige Senioren sind vergleichsweise gut abgesichert. Kommende Generationen werden bei den Renten erhebliche Einschnitte hinzunehmen haben. Reformen können das abmildern. | Bild: Stephan Scheuer, dpa

Dem Umlagesystem geht das Geld aus

Ohne grundlegende Reformen steuert Deutschland in Sachen Rente auf sehr ungemütliche Zeiten zu. Dem Umlagesystem, in dem die Arbeitnehmer für die Renten der Ruheständler aufkommen, geht das Geld aus. Wenn das aktuelle Versorgungsniveau auch nur einigermaßen aufrecht erhalten werden soll, müssen neue Finanzierungsquellen her. Bislang war es im Zweifel der Bundeshaushalt, aus dem Steuermilliarden zugeschossen wurden. Auf 100 Milliarden Euro hat sich der jährliche Bundeszuschuss für die Rentenkassen erhöht. Das ist rund ein Fünftel des Bundeshaushalts.

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Bleibt alles beim Alten wird sich dieser Anteil nach Berechnungen des Ifo-Instituts bis zum Jahr 2050 auf gigantische 60 Prozent erhöhen. Ein Alptraum, denn es würde bedeuten, dass sich die deutsche Politik ihres gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Gestaltungsspielraums weitgehend entledigt hätte und sich ganz überwiegend mit der Verwaltung und Verteilung von Rentenmilliarden in einer stetig vergreisenden Republik beschäftigen müsste.

Ab 2025 wird die Rentenversicherung durch die Baby-Boomer-Generation belastet

Keine Frage, die Rentenfinanzierung steht vor einer Zäsur. Und die Zeit drängt, denn ab 2025 gehen die Babyboomer-Jahrgänge in Rente. Millionen von neuen Ruheständlern stehen dann vergleichsweise wenigen Arbeitnehmern gegenüber, die deren Alterssicherung finanzieren müssen.

Nicht alle Rentner haben auskömmliche Renten. Vor allem Frauen ohne durchgängige Erwerbsbiografie müssen am Ende des Monats oft das Geld ...
Nicht alle Rentner haben auskömmliche Renten. Vor allem Frauen ohne durchgängige Erwerbsbiografie müssen am Ende des Monats oft das Geld zählen. | Bild: Marijan Murat, dpa

In dieser Lage hat sich die Ampel-Koalition entschieden, das Umlagesystem durch eine weitere Finanzierungssäule zu ergänzen. Vor dem Hintergrund boomender Kapital- und Aktienmärkte soll nun das Geld selbst arbeiten, um Rentenversprechen einzulösen. Über Fond- oder Aktiensparen sollen Renditen eingefahren werden, die die stotternde Umlagefinanzierung ergänzen.

Der Ansatz ist alternativlos, um wahrscheinlich unumgängliche Einschnitte bei Rentenniveau, Lebensarbeitszeit und Sozialbeiträgen einigermaßen abzufedern. Dass kapitalbasierte Rentensysteme die in Kontinentaleuropa althergebrachen Umlagefinanzierungen erfolgreich ergänzen können, zeigen Beispiele wie Schweden.

Für Jugendliche ist private Extra-Vorsorge in Sachen Rente wichtig, wollen sie im Alter nicht mit sehr wenig dastehen.
Für Jugendliche ist private Extra-Vorsorge in Sachen Rente wichtig, wollen sie im Alter nicht mit sehr wenig dastehen. | Bild: Waltraud Grubitzsch, dpa

Die Risiken sind aber nicht zu vernachlässigen. Das fängt bei denjenigen an, die die Rentenmilliarden vermehren sollen. In Schweden machen das unabhängige Kapitalmarktprofis. Und in Deutschland? Soll es die Rentenversicherung tun, die über keinerlei Kapitalmarkt-Expertise verfügt? Die Bundesbank? Oder gar die Bafin, die gerade im Wirecard-Skandal gezeigt hat was sie kann? Dazu kommt, dass sich am Kapitalmarkt nicht mehr so leicht Geld verdienen lässt wie früher.

Keine guten Vorzeichen für Kapitalmarkt

Zwar steigen die Zinsen, die Weltwirtschaft steuert aber vom freien Welthandel Richtung Protektionismus, Nationalismus und Krieg. Die Konjunkturprognosen des IWF sind rabenschwarz, auch weil mit China ein Wirtschafts-Schwergewicht aus dem Tritt kommt. Und explodierende Energiepreise und der Öko-Umbau treiben die Inflation weltweit.

Für die Aktien- und Anleihemärkte, auf denen künftig das Kapital der deutschen Rentner verdient werden soll, sind das ungünstige Vorzeichen. Deutschland ist mit seinem geplanten Einstieg in die neue Rentenwelt einfach ein, zwei Jahrzehnte zu spät dran.