Ein Auftritt von Boris Palmer bei der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ schlug hohe Wellen. Der parteilose Oberbürgermeister von Tübingen übte scharfe Kritik an überzogenen Bürgergeld-Zahlungen. „Ich habe einen Bescheid gesehen, dass eine Bürgergeldfamilie 6000 Euro Bürgergeld im Monat bekommt“, sagte Palmer, um seine Sicht der Dinge zu untermauern. Als Gastgeber Markus Lanz nachfragte, wofür die Familie denn eine so hohe Zahlung bekommen würde, antwortete Palmer: „Die haben sieben Köpfe in der Familie und eine sauteure Wohnung, wo einer noch abzockt, der sie halt da drin hat.“
Nach der Sendung sorgten Palmers Aussagen für Diskussionen – und sie warfen Fragen auf. Ist es tatsächlich möglich, dass eine Familie bis zu 6000 Euro Bürgergeld pro Monat erhält? Und wenn so etwas möglich ist, wie kommt ein solcher Betrag zustande? Palmer selbst half bei der Suche nach Antworten.
Sogar 7000 Euro Bürgergeld – Palmer legt Bescheid vor
Nach der Talkshow lieferte Palmer zunächst einen Hinweis darauf, wie derart hohe Bürgergeld-Zahlungen möglich sein könnten. „Die Höhe der Leistung kommt durch die Übernahme sehr hoher Mieten zustande. Mir sind Fälle bekannt, in denen bis zu 5000 Euro monatlich für eine vierköpfige Familie bezahlt wurden“, antwortete der frühere Grünen-Politiker, der 2023 aus der Partei ausgetreten war, auf Anfrage unserer Redaktion.
In der Folge legte Palmer einen Beweis vor, dass derart hohe Bürgergeld-Auszahlungen tatsächlich möglich sind. Er postete bei Facebook einen anonymisierten Bürgergeld-Bescheid, auf dem Auszahlungen zwischen 5636,68 und 7471,00 Euro vermerkt sind. Demnach hätte Palmer in der Talkrunde nicht übertrieben. Im Gegenteil: Es scheint in diesem Fall im Januar 2023 sogar ein Betrag über 7000 Euro ausgezahlt worden sein.
Palmer reagierte mit dem Post laut eigener Aussage auch auf Kritik an seinem Auftritt bei „Markus Lanz“. Er hätte Mails bekommen, dass seine Aussage nicht wahr sei. „Doch, ist es. Das ist es ja, dass man das gar nicht glauben kann. Die Regelung, die für ein Jahr die Kosten der Unterkunft nicht nach oben deckelt, hat dazu geführt, dass in manchen Fällen monatliche Zahlungen entstanden sind, die jedes vernünftige Maß sprengen“, schrieb Palmer bei Facebook: „Denn eines muss ja klar sein: Wir müssen denen, die ihre Miete mit eigener Arbeit bezahlen, schon noch erklären können, was wir da machen. Und 6000 Euro für den Lebensunterhalt einer Familie nach Steuern und Abgaben zu verdienen schaffen nicht viele.“
Mehr als 7000 Euro Bürgergeld: Wie kann eine solche Summe zustande kommen?
Der Regelsatz für das Bürgergeld liegt derzeit bei 563 Euro im Monat für eine alleinstehende Person. Es entscheiden allerdings viele unterschiedliche Faktoren und Gegebenheiten darüber, wie hoch der komplette Betrag ist, den Bürgergeld-Berechtigte im Monat erhalten. „Das Bürgergeld berechnet sich nach dem individuellen Bedarf der Familie. Je nachdem, aus wie vielen Personen in welchem Alter die Bedarfsgemeinschaft besteht sowie weiteren Faktoren, unterscheidet sich daher die Höhe des Bürgergelds“, erklärt ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage unserer Redaktion. Höhere Beträge könnten demnach vor allem dann entstehen, wenn „eine Bedarfsgemeinschaft aus vielen Personen besteht oder es z.B. Nachzahlungen aus Vormonaten gibt, die in einem Monat daher zu einer größeren Summe führen“. Es könnten bei einer Bedarfsgemeinschaft zudem Mehrbedarfe aufgrund von Erkrankungen oder Handicaps entstehen.
Da der Betrag von 7471 Euro, der auf dem von Palmer geposteten Bescheid angegeben ist, nur in einem Monat gezahlt wurde, könnte sich dieser unter anderem aus Nachzahlungen ergeben. Die Summe von 6316 Euro scheint aber über mehrere Monate ausgezahlt worden zu sein. Bei dieser könnte die vom Jobcenter übernommene Miete tatsächlich ausschlaggebend sein. Grundsätzlich gilt, dass die Mietkosten nur für „angemessene Wohnungen“ übernommen werden. „Ihr Jobcenter achtet darauf, dass die Mietkosten und die Größe Ihrer Unterkunft bestimmte Richtwerte nicht überschreiten“, erklärt die Bundesagentur für Arbeit.
Wenn das Jobcenter der Meinung ist, dass die Wohnung nicht angemessen ist, kann ein Umzug verlangt werden. „Für die Anerkennung der Bedarfe der Unterkunft gilt laut SGB II eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen bezogen werden“, ordnet der Sprecher der Bundesagentur für Arbeit ein. In der Karenzzeit wird die Angemessenheit der Wohnung demnach nicht geprüft.
Die Ausgangslage rund um die Übernahme der Miete legt nahe, dass Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld über kurze Zeiträume tatsächliche hohe Beträge erhalten können. Zahlungen über 6000 oder sogar 7000 Euro im Monat scheinen möglich zu sein. Derartige Summen dürften allerdings nur wenige Familien erhalten, die auf Bürgergeld angewiesen sind. Und über einen längeren Zeitraum werden unangemessen hohe Mietzahlungen von Jobcentern nicht übernommen, weswegen Beträge über 6000 Euro nur über einen kurzen Zeitraum möglich sein sollten.
Auch interessant: Das Bürgergeld soll durch die Neue Grundsicherung ersetzt werden. Darauf haben sich Union und SPD geeinigt. Durch diese sollen unter anderem ein Bewerbungszwang kommen.