Aus CDU, CSU und SPD wird bald die neue Bundesregierung unter einer Kanzlerschaft von Friedrich Merz (CDU). Zumindest haben sich die drei Parteien in einem Koalitionsvertrag über die Themen einigen können, die die nächste Bundesregierung angehen will. Ein großer Punkt der Gespräche sind auch Änderungen in der Sozialpolitik. Konkret das Thema Bürgergeld.
Der Nachfolger von Hartz IV wird nun durch die Neue Grundsicherung ersetzt. Diese Sozialleistung soll allerdings vollständig entzogen werden können, wenn Bezieher ihre Pflicht verletzen, so die Ansage. Aber ist das überhaupt möglich?
Neue Grundsicherung statt Bürgergeld: Was könnte die kommende Regierung planen?
Das Bürgergeld gehört schon seit seiner Einführung 2023 zu den großen Streitpunkten in der Bundespolitik. Spätestens seit sich nach der Bundestagswahl im Februar 2025 abgezeichnet hat, dass Friedrich Merz in Zukunft als Bundeskanzler das Land regieren wird, ist klar, dass eine Reform der Sozialleistung kommen wird.
Merz erklärte auf der Pressekonferenz nach dem Ende der ersten Sondierungsgespräche mit der SPD, die neue Regierung wolle das Bürgergeld umbauen. „Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende“, so der CDU-Chef. Bezieher, die ihre Mitarbeit verweigern, sollen demnach bestraft werden: „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, sagte Merz.
Auch der mögliche Koalitionspartner der Union äußerte sich: Der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, sagte, wer sich komplett verweigere, könne nicht auf die gleiche Unterstützung wie andere setzen.
Neue Grundsicherung statt Bürgergeld: Wann werden Leistungen gestrichen?
Neu ist die Idee von Union und SPD nicht. Sogenannten „Totalverweigerern“ das Bürgergeld zu streichen, forderten Unionspolitiker schon zu Zeiten der Ampelregierung. Und auch diese setzte teilweise Verschärfungen des Bürgergeldes um. Aber bislang gab es nur teilweise Leistungskürzungen als Sanktionen bei Arbeitsverweigerung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) der Ampel-Regierung erklärte: „Wer eine Arbeit, eine Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne wichtigen Grund ablehnt, obwohl diese zumutbar ist, muss mit einer Minderung des Bürgergelds rechnen.“ Doch es handelt sich dabei eben nur um eine Kürzung: Bislang darf das Bürgergeld maximal um 30 Prozent für die Dauer von drei Monaten gemindert werden, wenn der Bezieher eine „zumutbare“ Arbeit, Ausbildung oder Eingliederungsmaßnahme ohne triftigen Grund abgelehnt hat. So ist es in § 31a Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II), der die „Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen“ klärt, festgelegt.
Im neuen Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde nun jedoch eine Verschärfung angekündigt. Sanktionen sollen künftig schneller und unbürokratischer durchgesetzt werden können. Bei wiederholter Arbeitsverweigerung ist laut Koalitionsvertrag sogar ein vollständiger Leistungsentzug vorgesehen – jedoch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Merz will neue Grundsicherung: Dürfen Leistungen komplett gestrichen werden?
Versteht man die Parteien richtig, planen sie eine komplette Streichung von Bürgergeld – oder besser Neuer Grundsicherung – als Sanktion. Aber ist das überhaupt zulässig?
Diese Forderung umzusetzen, könnte tatsächlich schwierig werden. Denn bislang ist diese radikale Form der Sanktionierung gesetzlich ausgeschlossen und gilt als verfassungswidrig. Formuliert wird das durch ein Urteil am Bundesverfassungsgericht von 2019. Das lautete: Eine komplette Auslassung der finanziellen Unterstützung für bedürftige Menschen in Deutschland ist nicht rechtens.
Die Anforderungen an die „Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen“ würden sich demnach aus der „grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ ergeben. Das Verfassungsgericht beruft sich damit auf Artikel 1, laut dem die Menschenwürde unantastbar ist, sowie auf Artikel 20, der die Bundesrepublik Deutschland als Sozialstaat definiert. Das heißt: Zur Würde des Menschen und zur Aufgabe des Sozialstaats gehört es, ein Existenzminimum gesichert zu bekommen. Damit dürfte eine vollständige Streichung nur unter strengen Voraussetzungen und unter Achtung der aktuellen Rechtssprechung rechtlich zulässig sein.
Die Koalition plant laut Vertrag zudem eine Rückkehr zum alten Anpassungsmechanismus der Regelsätze vor der Corona-Pandemie. Zudem soll die Karenzzeit für Vermögen entfallen, und das Schonvermögen künftig an die Lebensleistung gekoppelt werden.
Übrigens: Wer Anspruch auf das Bürgergeld hat, ist klar geregelt. So muss man etwa als hilfebedürftig gelten. Doch das Geld gibt es nicht automatisch: Es muss beantragt werden und wird nur eine bestimmte Zeit lang ausgezahlt. Das Bürgergeld wird nicht für frühere Monate rückwirkend ausgezahlt.