Olaf Scholz (SPD) sah sich als „der Politiker in Deutschland, der am stärksten für harte Sanktionen bei der früheren Grundsicherung und beim Bürgergeld steht.“ So sagte er es in der ZDF-Wahlarena kurz vor der Bundestagswahl 2025. Friedrich Merz (CDU) sah das schon damals anders – und möchte nun das von Scholz und der Ampel geschaffene Bürgergeld in eine Neue Grundsicherung mit härteren Sanktionen verwandeln. „Wir kehren zurück zum alten Prinzip. Wir fordern diejenigen, die Transferleistungen brauchen, auch wieder stärker“, sagte er bei ntv.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist unter anderem festgehalten, dass es einen Bewerbungszwang für Empfängerinnen und Empfänger der Neuen Grundsicherung geben soll. „Jede arbeitslose Person hat sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen“, heißt es. Jede Person soll in diesem Zuge ein Angebot der Vermittlung, Beratung und Unterstützung erhalten. „Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten. Diese Menschen müssen schnellstmöglich in vermittelt werden“, steht im Koalitionsvertrag. Wer sich nicht aktiv um eine Beschäftigung bemüht, soll empfindliche Sanktionen zu spüren bekommen. Doch was sagen Experten zu diesem Vorhaben?
Welche Sanktionen plant Merz bei der Neuen Grundsicherung?
„Wir wollen eine gute Balance finden, zwischen fördern und fordern“, beschrieb Merz die Marschroute bei ntv. Ein wichtiger Baustein dabei: Sanktionen. Diese „müssen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können“, haben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Demnach soll es Sanktionen geben, wenn sich Empfängerinnen und Empfänger der Neuen Grundsicherung nicht aktiv um einen Job bemühen. Wie genau eine aktive Bemühung aussieht und wann diese nicht gegeben ist, geht nicht aus dem Dokument hervor.
Klar ist unterdessen, dass Merz mit der Neuen Grundsicherung die sogenannten „Totalverweigerer“ mit aller möglichen Härte sanktionieren möchte. Wenn jemand eine zumutbare Arbeit ablehnt, obwohl er arbeiten könnte, soll der Person die Neue Grundsicherung komplett gestrichen werden. „Das werden wir tun, das haben wir aufgeschrieben“, erklärte Merz bei ntv. Er gehe davon aus, dass die Zahl der Totalverweigerer „relativ klein“ sein wird. Doch ist dieses Vorhaben überhaupt durchsetzbar.
Neue Grundsicherung: Was halten Experten von den Sanktionen?
Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), sieht eine Verschärfung der Sanktionen kritisch. „Das Bürgergeld basiert bereits auf dem Prinzip des Förderns und Forderns. Eine weitere Verschärfung der Sanktionen würde dieses Gleichgewicht ins Wanken bringen“, mahnt sie im Interview mit IPPEN.MEDIA. Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sieht das ähnlich. „Arbeitssuchende werden erpressbar, wenn sie jede Arbeit annehmen müssen, egal zu welchen Bedingungen“, kritisiert sie bei IPPEN-MEDIA.
Zudem könnte den Plänen von Union und SPD das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Weg stehen. „Besonders kritisch ist, dass sogar ein vollständiger Leistungsentzug vorgesehen ist. Das ist aus verfassungsrechtlicher Sicht höchst problematisch. Die Koalition hat zwar erklärt, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu achten, jedoch ist dies unter Beachtung des Urteils aus dem Jahr 2019 fragwürdig“, glaubt Engelmeier.
Im entsprechenden Grundsatzurteil stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass Kürzungen der Grundsicherung von mehr als 30 Prozent nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt sind. Die Entziehung des kompletten Lebensunterhalts ist nach dieser Rechtsprechung nur dann möglich, wenn dieser durch eine unmittelbar bevorstehende Arbeitsaufnahme gesichert werden kann. In der Praxis bedeutet das, dass die betroffene Person eine Einstellungszusage erhalten hat. Zudem dürften Sanktionen nicht zu einer Gefährdung der Existenz führen.
Union und SPD wollen sich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halten
„Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten“, haben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Wie dieses Vorhaben mit den Plänen rund um Sanktionen zusammenpasst, bleibt unklar, wie der Sozialverband VdK Deutschland anmerkt. „Wie hier eine weitere verfassungsgemäße Verschärfung rechtssicher vorgenommen werden soll, können wir uns gerade in allen Einzelheiten überhaupt nicht vorstellen“, teilte der Verband auf Anfrage von IPPEN.MEDIA mit.
Auch interessant: Derzeit können Essensgutscheine anstelle des Bürgergelds herausgegeben werden. Mit der Neuen Grundsicherung sollen dann Änderungen beim Vermögen kommen.