Die SPD will es, die Union will es nicht: Das Bürgergeld dürfte eines der großen Streitthemen sein, für die es in Koalitionsverhandlungen eine Lösung zu finden gibt. Dabei geht es nicht nur um den Namen der Grundsicherung, sondern auch um dessen Höhe und vor allem die Sanktionen, die auf Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger zukommen, die nicht arbeiten, obwohl sie erwerbsfähig sind. Friedrich Merz (CDU) kündigte an, dass er vielen Bürgergeld-Berechtigten die Unterstützung streichen wolle. Er nannte sogar eine konkrete Zahl.
So vielen Empfängern will Merz das Bürgergeld kürzen
In ihrem Wahlprogramm machten CDU und CSU deutlich, dass sie das Bürgergeld abschaffen wollen. Stattdessen soll es eine Grundsicherung mit dem Namen „neue Grundsicherung“ geben. Während des Wahlkampfs hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Union und Merz mehr als einmal vorgeworfen, dass es sich nur um einen neuen Namen für dieselbe Art der Grundsicherung handelt. Merz widersprach dem, unter anderem in der ARD-Wahlarena. Er glaubt, dass vor allem schärfere Sanktionen nötig sind.
„Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, erklärte Merz in der TV-Show und nannte auch noch eine Größenordnung. Demnach fielen derzeit rund 1,8 Millionen Menschen in die Kategorie. Die erste Frage, die sich stellt: Ist diese Zahl korrekt?
Bürgergeld-Aussage von Merz im Faktencheck
Weit von der Wahrheit entfernt scheint Merz mit der Zahl nicht zu sein. Die Bundesagentur für Arbeit gibt an, dass etwas mehr als 1,7 Millionen der insgesamt 5,5 Millionen Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld erwerbsfähig sind und dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung stehen würden. Ganz so einfach ist es aber nicht, denn laut den Statistiken liegen bei 90 Prozent der Personen „Vermittlungshemmnisse“ vor. Fast jeder zweite Fall (44 Prozent) ist besonders kompliziert, da mindestens zwei dieser Hemmnisse vorliegen würden.
Vermittlungshemmnisse können beispielsweise ein fehlender Berufsabschluss (bei 56 Prozent der Fall) und ein gehobenes Alter (älter als 55 Jahre) sein. Letzteres trifft laut der Bundesagentur für Arbeit bei 24 Prozent der Personengruppe zu. Nur etwas mehr als 200.000 Bürgergeld-Bezieherinnen und -Bezieher sind erwerbsfähig und nicht von einem Vermittlungshemmnis betroffen.
Es gibt nur wenige „Totalverweigerer“
Anfang 2024 fasste die CDU einen Beschluss bezüglich der Marschroute beim Bürgergeld. „Lehnt ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne sachlichen Grund eine ihm zumutbare Arbeit ab (‘Totalverweigerer‘), soll zukünftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig ist“, zitiert die Tagesschau aus diesem. Wenn Merz mit seinem Plan der Streichung des Bürgergelds diese Gruppe meint, liegt er zahlentechnisch weit daneben.
Im Jahr 2023 gab es laut der Bundesagentur für Arbeit rund 16.000 dieser „Totalverweigerer“, die die Annahme einer Arbeit oder Ausbildung komplett verweigern. Demnach wurden vom Arbeitsamt von November 2023 bis Oktober 2024 etwa 20.000 Minderungen des Bürgergelds verhängt.
Und wo wir bei Minderungen sind, sind wir bei einem weiteren Problem, dem Merz mit seinem Bürgergeld-Plan gegenüber steht. 2019 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Kürzung des Bürgergelds über 30 Prozent gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verstoßen würde. Auch kürzlich entschied das Sozialgericht Karlsruhe für die Klägerin, der das Bürgergeld gestrichen wurde. Merz scheint es unterdessen darauf ankommen zu lassen. „Mal sehen, was Karlsruhe dazu sagt“, gab sich der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler in der ARD-Wahlarena in Bezug auf diesen Konflikt angriffslustig.