13 Familien konnten im Januar jubeln, als der Gemeinderat in Baienfurt die Bauplätze im Altdorfer Ösch vergeben hat. 13 Familien, die sich nun ihren Traum vom Einfamilienhäusle erfüllen können – wenn, ja wenn keiner der Bauplatzinteressenten dagegen vorgeht, die leer ausgegangen sind. Und das waren bei diesem Baugebiet rund 180.

Denn die Richtlinie, auf der die Vergabe fußt, könnte rechtswidrig sein. Und solange nicht alle Kaufverträge beim Notar unterschrieben sind, ist der Rechtsweg offen, sagt Andreas Staudacher. Auch andere Neubaugebiete könnten betroffen sein.

24 Familie haben nun doch kein Baugrundstück

Der Laupheimer Rechtsanwalt Staudacher hat sich intensiv mit dem Thema Vergaberichtlinien beschäftigt. Er zog vor wenigen Monaten mit einem Mandanten vors Verwaltungsgericht Sigmaringen, der bei der Bauplatzzuteilung in Öpfingen nicht zum Zuge kam. Mit durchschlagendem Erfolg: Die Richtlinie sei rechtswidrig, untersagte das Gericht mit seinem Beschluss die Bauplatzvergabe (wir berichteten). Dort stehen derzeit 24 Familien, die sich eines Baugrundstücks sicher wähnten, wieder mit leeren Händen da.

„Jetzt müssen viele Städte und Gemeinden befürchten, dass es auch so kommt“, sagt Andreas Staudacher. Denn sowohl Öpfingen als auch Baienfurt sowie mehr als 100 Gemeinden in Baden-Württemberg nutzen die Vergabeplattform der Baupilot GmbH. Die ist zwar nach Auskunft von Geschäftsführer Mathias Heinzler „als technischer Dienstleister“ unterwegs, lieferte ihren Kunden aber auch Muster-Vergabekriterien für die Bauplatzvergabe an die Hand.

Die hat ein in kommunalen Kreisen sehr renommierter Rechtsanwalt mit entwickelt, den Baupilot als Berater engagiert hat: den früheren Ulmer Oberbürgermeister und Städtetags-Präsidenten Ivo Gönner. Er vertrat die Gemeinde Öpfingen zudem im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht.

Wie die Alb-Donau-Gemeinde trotz Rechtsberatung eine Vergaberichtlinie beschließen konnte, die das Gericht in 13 Punkten rügte, will Andreas Staudacher nicht in den Kopf. Zumal Baupilot und Ivo Gönner bis zum Gerichtsbeschluss im Januar eine „rechtssichere Vergabe“ von Bauplätzen versprachen. Davon steht heute nichts mehr auf der Homepage.

Rechtsanwalt Staudacher kann Städte und Gemeinden mit einer dünnen Personaldecke im Rathaus sehr gut verstehen, die auf ein als rechtssicher deklariertes Angebot für das komplexe und schwierige Thema Bauplatzvergabe eingehen. Zumal auch der Gemeindetag Baden-Württemberg die Methode Baupilot unterstützt hat. Aber dann müssten solche Richtlinien im Einzelfall genauestens geprüft werden, sonst gebe es „fürchterliche Kollateralschäden“, sagt er – zu Recht mit Blick auf Öpfingen.

Auch Radolfzell betroffen

Denn auch andere Gemeinden haben sich auf die Vorschläge eingelassen. So steht in der Vergaberichtlinie der Stadt Radolfzell, dass die Bewerbung für einen Bauplatz „ausschließlich über das Programm Baupilot möglich“ sei und anderweitig eingehende Unterlagen nicht berücksichtigt werden. Genau das ist ein Punkt, den das Verwaltungsgericht ausdrücklich gerügt hat.

Begründung: Die Gemeinde muss die Vergabe verantworten. Deshalb dürfe sie Bewerber faktisch nicht dazu zwingen, die Bewerbung samt Unterlagen „über eine gemeindefremde Internetseite abzugeben“. Die Stadt Radolfzell hat reagiert: Man werde bei zukünftigen Ausschreibungen „wieder eine alternative Bewerbungsmöglichkeit anbieten“, um rechtssicher zu agieren, teilt die Pressestelle auf Anfrage mit.

Ortsfremde müssen eine Chance haben

Schwieriger wird es bei einem anderen Punkt. „Ortsfremde Bewerber faktisch ausschließende Vergabekriterien können sachlich nicht gerechtfertigt werden“, schrieb das Verwaltungsgericht den Gemeinden quasi ins Stammbuch. Mit anderen Worten: Der Weg, über ein Punktesystem Bauplätze zu vergeben, das sich an ortsbezogenen und sozialen Kriterien orientiert, ist im Grundsatz nicht falsch. Werden die Punkte aber so gewichtet, dass Ortsfremde faktisch keine Chance haben, einen Bauplatz zu ergattern, wird die Richtlinie rechtlich angreifbar.

Dass das Vergabeverfahren im Lichte des Gerichtsbeschlusses im Fall Öpfingen auch für Baienfurt kritisch zu bewerten ist, räumt Bürgermeister Günter A. Binder nur zwischen den Zeilen ein. Auch wenn er mehrfach betont, dass das Verfahren inzwischen abgeschlossen ist und die Bauplätze vergeben. Verkauft sind sie laut Baupilot noch nicht, lediglich „reserviert“. Richtlinien und Kriterien waren „zum damaligen Zeitpunkt unstrittig“, als der Gemeinderat sie im vergangenen Jahr beschloss, so Binder. Für zukünftige Vergaben werde man sie „selbstverständlich“ überarbeiten und dabei die Hinweise des Verwaltungsgerichts einarbeiten, nimmt er auf Anfrage Stellung.

Ivo Gönner steht als Rechtsbeistand nicht mehr zur Verfügung

Falls die Gemeinde Baienfurt in der Sache doch noch einen Rechtsbeistand braucht, dürfte Berater Ivo Gönner nicht mehr zur Verfügung stehen. Er habe zum Jahresende seine gerichtliche Tätigkeit beendet, teilte er in Öpfingen dem Gemeinderat mit, ist aber nach wie vor beratend für Baupilot tätig. Was die Verwaltungsrichter bemängelten, werde nun „in die weiteren und neuen Vergabeverfahren eingearbeitet“, erklärt Gönner auf Nachfrage.

In Öpfingen mit seinen 2800 Einwohnern hat der Rat inzwischen die rechtswidrige Vergaberichtlinie außer Kraft gesetzt und die Zusammenarbeit mit Gönner beendet. Im April will man darüber beschließen, wie die Bauplätze nun vergeben werden. Ob man künftig noch mit Baupilot zusammenarbeitet, ist noch nicht entschieden.