Herr Untersteller, Deutschland schwitzt, der Grundwasserpegel sinkt: Wie sieht es mit der Wasserversorgung im Land in Zeiten des Klimawandels aus?
Die Wasserversorgung ist gesichert und das auch auf Dauer. 99 Prozent der Bevölkerung im Südwesten ist ans öffentliche Wassernetz angeschlossen. Nur ein ganz kleiner Teil bezieht Wasser aus lokalen Quellen. Das allerdings ist auf Dauer riskant, weil aufgrund der klimatischen Entwicklung die Gefahr besteht, dass diese in heißen Sommern trocken fallen. Dann droht die Versorgung aus Tankwagen. Um das zu verhindern, müssen wir solche Ortschaften perspektivisch ans allgemeine Netz anschließen.
Die Bodenseewasserversorgung (BWV), eines der größten Fernwasserunternehmen der Republik, lässt keine neuen Mitglieder mehr in ihren Zweckverband. Der Grund: An heißen Sommertagen sind die Pumpen am Limit…
Darum tätigt die BWV auch gerade die größte Investition ihrer Geschichte und erweitert ihre Kapazitäten zur Wasserentnahme aus dem Bodensee erheblich. Das Ziel ist es, die in die Jahre gekommene Infrastruktur auszutauschen und für neue Herausforderungen wie die Quagga-Muschel fit zu machen, aber eben auch die Wasserversorgung im Land für die kommenden Jahrzehnte sicherzustellen. Dafür müssen die Möglichkeiten geschaffen werden, mehr Wasser aus dem Bodensee zu entnehmen, um mehr Menschen versorgen zu können.

Verträgt das Ökosystem Bodensee das?
Wir haben kein Mengenproblem. An einem warmen Tag verdunstet deutlich mehr Wasser aus dem Bodensee, als die Wasserwerke dem See entnehmen. Das hat insofern keine Auswirkungen, etwa auf den Wasserspiegel. Da muss sich niemand Sorgen machen.
Müssen wir unser Verhalten beim Wasserverbrauch ändern?
In diesen Zeiten sollten sich die Bürger zumindest wieder einmal bewusst machen, dass die reibungslose Versorgung mit Wasser keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass dahinter ein komplexes System steht. Ich bin zuversichtlich, dass die Menschen das wertschätzen. Der tägliche Wasserverbrauch pro Kopf im Land sinkt ja.
Sie sind einer der größten Befürworter des Verbots von Schottergärten. Neugebaut werden dürfen sie jetzt sicher nicht mehr. Aber müssen alte auch abgerissen werden?
Es ist mir schleierhaft wie man vor dem Hintergrund immer heißerer Sommer auf die Idee kommen kann, um sein Haus massenweise Steine zu legen. Für das Mikroklima ist das eine Katastrophe, es verstärkt die Hitze nur noch. Es gibt aber auch andere Aspekte, die das Verbot rechtfertigen. In der Landwirtschaft tun wir viel, um Biodiversität wieder herzustellen. Das darf auch vor Privathaushalten nicht Halt machen. Insekten fressen nun mal keine Steine. Die Insekten brauchen wir aber. Insofern finde ich, dass sich Schottergärten einfach nicht mehr gehören.

Noch einmal die Frage: Müssen angelegte Steingärten jetzt rückgebaut werden?
Im Umweltministerium sind wir der Meinung, dass das geschehen muss. Die im Wirtschaftsministerium angesiedelte oberste Baurechtsbehörde sieht das derzeit noch anders. Vermutlich wird diese Frage am Ende vor einem Gericht landen und dort geklärt werden. Und ich gehe davon aus, dass die Entscheidung zu Gunsten des Naturschutzes ausfällt.
In Sachen Naturschutz hat das Land mit dem neuen Naturschutzgesetz ein sehr ambitioniertes Regelwerk verabschiedet. 40 Prozent weniger Pflanzenschutz-Mittel, mindestens 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030. Für die Bauern bedeutet das neue Einschränkungen. Riskieren Sie damit nicht, dass heimische Erzeuger den Bettel hinwerfen?
Das sehe ich gar nicht. Zunächst haben wir bei dem Gesetz ja auch die öffentliche Hand und die Privathaushalte in die Pflicht genommen. Auch hier gelten jetzt viel strengere Regeln, etwa für das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen. In der Landwirtschaft ist es so, dass wir allein durch die zunehmende Umstellung von konventionellen Äckern zu Bio-Anbauflächen schon eine deutliche Reduktion des Einsatzes von Spritzmitteln erreichen werden. Mehr Bioanbau bedeutet für die Bauern wiederum höhere Erzeugerpreise, zumindest ist das die Erfahrung der vergangenen Jahre.
Ich sehe daher nicht, dass unsere Reform die wirtschaftliche Existenz der Bauern gefährdet. Ganz im Gegenteil. Durch das Gesetz haben wir viel weitergehende Initiativen wie das Bienenvolksbegehren befriedet. Wären die dort geforderten Ziele, etwa bei Spritzmitteln, umgesetzt worden, wäre auf vielen Höfen schnell das Licht ausgegangen.

Im neuen Klimaschutzgesetz ist deutschlandweit erstmalig eine Photovoltaik-Pflicht auf Gewerbegebäuden vorgeschrieben. Auf kommunalen und landeseigenen Dächern sucht man die Anlagen oft vergebens. Nimmt der Staat da andere in die Pflicht, sich selbst aber nicht?
Das stimmt so nicht. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der Photovoltaik-Anlagen (PV) auf Landesdächern verdoppelt. Dort stehen mittlerweile 100000 Quadratmeter Module. Auf alle neuen Gebäude des Landes müssen PV-Anlagen drauf.
Aber auf dem Gebäudebestand gibt es immer noch gewaltige Potenziale, die brach liegen, oder?
Kein Gesetz ist so gut, dass man es nicht noch besser machen kann. Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass man deutlich mehr der rund 8000 Liegenschaften in öffentlicher Hand in Baden-Württemberg mit Solaranlagen ausstattet. Da sehe ich aber auch die Kommunen in der Pflicht. Übrigens würde das auch wirtschaftlich Sinn machen, weil die Eigenstromerzeugung so günstig ist wie nie.
Der Ausbau von Freiflächen-PV-Anlagen geht hierzulande schleppend voran. Was geht im Südwesten schief?
Bei diesem Thema leide ich wirklich. Ich kann mir die Zurückhaltung, die die Kommunen hier an den Tag legen, nicht erklären. Bayern hat zuletzt in etwa die zehnfache Menge an Anlagen errichtet wie wir.
An was liegt es?
In erster Linie müssen die Kommunen ihre Bebauungspläne stärker für die Solarnutzung öffnen. Das tun sie im Moment noch viel zu wenig. Die Linie des Gemeindetags und seines Präsidenten ist da unverständlich restriktiv. In Bayern ist man da weiter. Da sind die Kommunen deutlich aufgeschlossener. Ich werde in der Sache aber nicht nachlassen. Auch und gerade in Zusammenarbeit mit einem neuen Gemeindetagspräsidenten, der 2021 gewählt wird.
Haben die Kommunen das Thema erneuerbare Energien nicht auf dem Schirm?
Sie müssen es in jedem Fall noch stärker in den Blick nehmen. In keinem anderen Bundesland geht durch den Atom- und Kohleausstieg so viel Kraftwerksleistung vom Netz wie in Baden-Württemberg. Wenn wir ein Industrieland bleiben und uns nicht vollständig von den Stromtrassen aus dem Norden abhängig machen wollen, brauchen wir auch eine gewisse Erzeugung hier im Land. Im Moment bauen wir etwa 400 Megawatt neue Erneuerbare-Energieanlagen pro Jahr zu. Wir bräuchten aber 650 Megawatt.
Dafür, dass es nicht mehr ist, ist auch der schleppende Windkraftausbau verantwortlich. Die Branche beschwert sich über zu lange Genehmigungsverfahren im Vergleich zu anderen Bundesländern…
Das ist Unsinn. Die Dauer der Genehmigungsverfahren bei uns unterscheidet sich nicht von der anderswo. Wie sollte sie auch. Der größte Teil der Genehmigungen geht auf Bundesrecht zurück, ist also überall gleich. Klar ist aber, dass ein durchschnittlicher Genehmigungsprozess zum Bau eines Windrads 5,5 Jahre dauert, und das ist deutlich zu lang.

Was wollen Sie tun?
Wir müssen mehr Flächen als Windvorranggebiete ausweisen. Derzeit sind dies 0,3 Prozent der Landesfläche. Wir brauchen aber um die zwei Prozent der Fläche, die für die Windkraft zur Verfügung stehen. Außerdem müssen die Landeswälder stärker für Windkraft geöffnet werden. Diese beiden Punkte müssen auch in den kommenden Koalitionsvertrag 2021. Um die Klageflut gegen Windräder zu verhindern, muss zudem der Klageweg beschränkt werden.
Das hört sich nach dem viel beschriebenen Kampf gegen Windmühlen an?
Ich wäre nicht so pessimistisch. Das Bundeskabinett hat in dieser Woche die Weichen dafür gestellt, dass Infrastruktur, also Brücken oder Schienen, aber eben auch Windräder, schneller errichtet werden können. Das ist ein richtiges Signal, das wir jetzt brauchen.
Gibt es nicht auch einfach zu wenig Wind im Südwesten?
Wir haben nicht so viel Wind wie die Küstenstaaten, aber das muss Windkraft nicht verhindern. Die Anlagen rentieren sich ja immer noch, aber eben weniger als im Norden. Wir brauchen deswegen aber eine Zusatzförderung, die die Bedingungen zwischen Nord und Süd vergleichbar macht – den sogenannten Südbonus – und eine Gewinnbeteiligung der Kommunen. Wenn wir an diesen Stellschrauben drehen, wird die Windkraft auch hier Fahrt aufnehmen. Klar ist: So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.