Ende des Jahres endet beim Rietheimer Autozulieferer Marquardt eine Ära. Nach mehr als 28 Jahren als Vorstandschef zieht sich Harald Marquardt von der Konzernspitze zurück. „Ich glaube, wir haben das Haus extrem gut bestellt“, sagte er am Mittwoch in Rietheim (Kreis Tuttlingen) bei der Vorstellung der Bilanz für 2023. Ihm sei für die Zukunft von Marquardt nicht bange.

Führungswechsel am Konzernspitze ab 2025
Ab kommendem Jahr wird ein neues Vorstandsteam um Björn Twiehaus die Führung des 10.000-Mitarbeiter-Unternehmens übernehmen. Für den Automobilzulieferer ist das auch deshalb eine Zäsur, weil damit erstmals in der rund 100-jährigen Firmengeschichte ein familienfremder Manager die Leitung des Mittelständlers übernimmt.
Twiehaus kommt vom Marquardt-Konkurrenten Hella, hat sich dort hochgearbeitet und hat 20 Jahre Erfahrung im Zulieferbereich. Seit Anfang April ist er Marquardts Stellvertreter und wird in den kommenden Monaten immer mehr Aufgaben ausfüllen. Er freue sich, an Bord zu sein, sagte der Manager. Marquardt sei ein Technologie-Unternehmen mit solider finanzieller Basis.

Das Familienunternehmen übernimmt er Anfang 2025 allerdings in einer schwierigen Phase. „2023 war ein kräftezehrendes Jahr für unser Unternehmen“, sagte Noch-Firmenchef Harald Marquardt. Die Krise im weltweiten Automobilbereich habe auch das Rietheimer Unternehmen erfasst. Zum ersten Mal seit der Wirtschafts- und Finanzkrise in den späten Nuller-Jahren habe man in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen aussprechen müssen.
2023 wurden 700 Stellen weltweit gestrichen
Weltweit ist der Personalstand 2023 von rund 10.700 auf 10.000 gesunken. In Deutschland, wo das Unternehmen noch rund ein Viertel seiner Jobs angesiedelt hat, sank die Beschäftigtenzahl durch betriebsbedingte Kündigungen um 150 Mitarbeiter. Weil in anderen Bereichen aber wieder eingestellt wurde, blieb die Mitarbeiterzahl im Inland unter dem Strich nahezu konstant.
Auch 2024 Jobabbau in Deutschland
Fürs laufenden Jahr plant das Unternehmen, sich von weiteren rund 50 Mitarbeitern zu trennen. Die Verhandlungen zu einem Sozialplan liefen, betroffen seien vor allem Mitarbeiter in der Produktion, aber auch in indirekten Bereichen, also der Verwaltung.

Grund der Maßnahmen, die auch ein 50 Millionen Euro schweres Sparprogramm namens Pace umfassen, sind stark gestiegene Kosten in fast allen Bereichen sowie die weiterhin maue Automobilkonjunktur, von der der Zulieferer maßgeblich abhängt. „Wir haben mangels Nachfrage weniger produziert, unsere Werke waren daher nicht ausgelastet, und folglich haben wir Personal anpassen müssen“, sagte der Unternehmer.
Teils seien von den Auftraggebern in der Automobilindustrie nur 40 Prozent der eigentlich vereinbarten Teile abgenommen worden. Besonders betroffen seien Komponenten für E-Fahrzeuge. Marquardt liefert hier beispielsweise komplexe Batteriemanagementsysteme. Ein extra dafür errichtetes Werk nahe Erfurt in Thüringen sei besonders von der Marktschwäche betroffen. Im Moment arbeiten dort nur rund 350 Mitarbeiter statt der geplanten 800.
Investitionen gegen den Trend
Trotz der schlechten Weltkonjunktur investiere man „gegen den Trend“, sagte Marquardt. So würden die Produktionskapazitäten in Indien deutlich ausgebaut, unter anderem durch ein neues Werk, das Ende des Jahres die Fertigung für indische Automobilfirmen aufnehmen soll.
In China habe man eine Produktionsfläche nahezu verdoppelt und auch in Tunesien entsteht ein neuer Standort, der ab Mitte 2024 die weltweiten Fahrzeugmärkte mit Bedienoberflächen für Fahrzeuge beliefern soll. In Summe habe man 2023 rund 150 Millionen Euro investiert.
Neue Technologien fürs Auto
Punkten will das Unternehmen, das nach eigenen Angaben unabhängig von Verbrenner-Technologien ist, beispielsweise mit Komfortelementen für Autos, etwa Parkbremsen, vor allem aber mit hochwertigen Bedienelementen für den Fahrzeuginnenraum. Hier geht der Trend weg von Schaltern und hin zu Touch-Oberflächen und Lichtelementen, die sich mittels Sprache oder Gesten steuern lassen.
Zudem entwickelt das Unternehmen, das rund zehn Prozent seiner Umsätze in die Entwicklung steckt, Hologramme. Über diese könnten wichtige Funktionen im Auto, aber auch von Industrieanwendungen oder Waschmaschinen und Kühlschränken, künftig gesteuert werden.