Fehlinformation, Rechtsverstoß, wissenschaftsfremd? Baden-Württembergs Gemeindetag erhebt schwere Vorwürfe gegen eine veränderte Klima-Bewertung von Holzenergie durch das Umweltbundesamt (UBA). Der Streit trennt auch Landesumweltministerin Thekla Walker und ihren Amtsvorgänger Franz Untersteller (beide Grüne).

Mit dem CO2-Rechner des UBA können Interessierte ihren CO2-Abdruck herausfinden. Im März hat das Amt die Berechnung von Treibhausgasemissionen bei Holzbrennstoffen verändert. Während bislang nur der Ausstoß aus Ernte, Brennstoffherstellung und Transport angesetzt wurde, werden nun auch Emissionen berücksichtigt, die bei der Verbrennung entstehen. Das UBA ist dem Bundesumweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) unterstellt. Auf dessen Website steht: „Heizen mit Holz ist entgegen der weit verbreiteten Meinung nicht klimaneutral.“

„Diese Fehlinformation verstößt nicht nur gegen geltendes Recht, sondern widerspricht auch dem Stand der internationalen Wissenschaft.“
Gemeindetag Baden-Württemberg

Der Gegenwind von Pellets- und Forst-Fürsprechern ist stark. UBA-Präsident Dirk Messner hat Kritikern im August in einem offenen Brief vorgeworfen, es sich an zentralen Punkten zu einfach zu machen. Doch jetzt legt der Gemeindetag Baden-Württemberg nach. „Diese Fehlinformation verstößt nicht nur gegen geltendes Recht, sondern widerspricht auch dem Stand der internationalen Wissenschaft“, teilte der Verband mit.

Sein Finanzexperte Patrick Holl sagte, die Änderung torpediere „alle Anstrengungen, die von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft unternommen werden, um die Energiewende zu schaffen. Dem Klima wird ein Bärendienst erwiesen.“ Der Gemeindetag verweist auf die EEG-Richtlinie der EU, die Holz als erneuerbaren Energieträger anerkennt. Das Gebäudeenergiegesetz des Bundes stuft Holz als Biomasse ein, die zu klimapolitischen Zielen beitragen kann.

„Gestern werden Pelletheizungen gefördert, heute neu bewertet und morgen verboten“, sagt Holl. „So kann man die Menschen für die Wärme- und Energiewende, die wir in Deutschland dringend benötigen, nicht gewinnen.“

Das UBA weist die Kritik zurück. „Die Vorwürfe sind eindeutig falsch“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. „Die Ausweisung von real existierenden Verbrennungsemissionen in einem Bildungstool widerspricht keinem Gesetz.“ Vielmehr entspreche sie „der Grundlogik des CO2-Rechners und allgemeinen Bilanzierungsregeln, grundsätzlich alle Emissionen, die real entstehen, auch auszuweisen“. Das sei auch bei anderen Brennstoffen so.

Das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Der CO2-Rechner der Behörde sorgt für Diskussionen.
Das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau. Der CO2-Rechner der Behörde sorgt für Diskussionen. | Bild: Hendrik Schmidt/dpa

Das UBA stützt sich auf ein Papier des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu). „In der bisherigen Konvention werden die bei der Verbrennung von Holzbrennstoffen entstehenden CO2-Emissionen in Treibhausgasbilanzen mit Null angesetzt“, heißt es darin. „Die Begründung: Holz und Biomasse generell sind nachwachsende Rohstoffe, deren Kohlenstoffgehalt zeitlich gebunden ist und am Lebensende als CO2 in die Atmosphäre zurückkehrt, aus der es zuvor aufgenommen worden war.“ Diese Betrachtung sei jedoch idealisiert.

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Die bisherige Praxis sei eine Konvention, keine wissenschaftliche Erkenntnis, bekräftigt der UBA-Sprecher. Sie suggeriere einen Zusammenhang zwischen Holzverbrennung und nachwachsenden Bäumen. In Wahrheit wachse der Wald aber unabhängig von der Verwendung des Holzes. Nach Ansicht von Bundesumweltministerium und UBA könnten entsprechende CO2-Einbindungen besser zum Ausgleich anderer, nicht vermeidbarer CO2-Emissionen genutzt werden.

Nachteile für die Planungssicherheit von Bürgern und Kommunen kann das UBA in seiner Anpassung nicht erkennen, im Gegenteil. Der Holzbedarf wachse weltweit für unterschiedlichste Anwendungen, während die Waldfläche abnehme. „Die realistischere Bilanzierung und Bewertung von Holzbrennstoffen im UBA-CO2-Rechner ist ein wichtiger Beitrag, um teure Fehlinvestitionen bei der Wärmeplanung und Wärmewende zu vermeiden.“

Das Heizen mit Holz sei „nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen als klimaverträglich einzustufen“, heißt aus dem von Thekla Walker ...
Das Heizen mit Holz sei „nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen als klimaverträglich einzustufen“, heißt aus dem von Thekla Walker geführten Umweltministerium. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Das Landesumweltministerium von Thekla Walker teilt auf Anfrage die UBA-Einschätzung, „da das Heizen mit Holz nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen als klimaverträglich einzustufen ist“.

Anders sieht das Walkers Amtsvorgänger Franz Untersteller. Er war zur Landtagswahl 2021 nicht mehr angetreten, ist heute unter anderem als Berater tätig und unterstützt den Deutschen Energieholz- und Pellet-Verband (DEPV) in Berlin. „Pellets in Deutschland sind das Restprodukt aus Sägereien“, sagt er. Die Alternative sei, diese Abfälle wieder in den Wald zu schütten, wo das CO2 dann eben bei der Verrottung frei werde. „Man kann es echt auch übertreiben, und dann nimmt man den Leuten insbesondere im ländlichen Raum jegliche Lust zu Verbesserungen, nämlich wegzukommen von Öl und von Gas.“

„Man kann es echt auch übertreiben“, kritisiert der frühere Umweltminister Franz Untersteller die Neubewertung von Holzenergie.
„Man kann es echt auch übertreiben“, kritisiert der frühere Umweltminister Franz Untersteller die Neubewertung von Holzenergie. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Das von Walkers Ressort unterstützte Informationsprogramm „Zukunft Altbau“ bestreitet auf seiner Website bis heute, dass Pelletheizungen nicht klimafreundlich seien. Der Eintrag stammt allerdings von 2022 und enthielt damals bereits den Satz: „Damit das Gleichgewicht nicht kippt, können (…) nicht alle Gebäude mit Pellets beheizt werden. Pelletheizungen sollten vor allem für Gebäude in Betracht gezogen werden, die nicht hinreichend gedämmt werden können.“