Im Zuge der internationalen Spannungen boomt das Geschäft bei Hensoldt. Die gerade veröffentlichten Halbjahreszahlen des Konzerns mit Standorten unter anderem in Immenstaad und Ulm zeigen einen erneuten Anstieg der Auftragseingänge von 1,405 Milliarden Euro. Aufträge im Wert von über sieben Milliarden Euro sind Unternehmensrekord und garantieren eine Vollauslastung des Unternehmens für über drei Jahre. Dabei geht man bei Hensoldt davon aus, dass der größere Teil des Geschäfts im zweiten Halbjahr gemacht wird: Nach der Sommerpause, wenn etwa der Bundeshaushalt in trockenen Tüchern ist, rechnet man nochmal mit einem starken Anstieg der Aufträge.
„Die aktuelle sicherheitspolitische Lage macht täglich deutlich, wie wichtig es ist, dass Deutschland und Europa stärker in ihre eigene Sicherheit investieren. Wir erwarten nun, dass sich der politische Wille zunehmend in konkreten Aufträgen niederschlägt – und ganz real in unseren Fertigungshallen ankommt“, sagt dazu Oliver Dörre, CEO von Hensoldt. Das Unternehmen bestätigte die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr mit einem Konzernumsatz zwischen 2,5 und 2,6 Milliarden Euro.
In den vergangenen drei Jahren investierte Hensoldt etwa eine Milliarde Euro in den Aufbau von Kapazitäten. So hat man mittlerweile ein neues Logistikzentrum in Laichingen in Betrieb genommen und einen neuen Standort in Oberkochen gebaut. In Ulm wurde die Produktion auf Serienfertigung umgestellt. Und es soll auch künftig investiert werden: „Wir wollen weitere Kapazitäten schaffen“, sagt ein Unternehmenssprecher dem SÜDKURIER, „um die absehbaren Auftragseingänge abarbeiten zu können.“
Beachtliche Zahlen für einen Konzern, den es in seiner jetzigen Form erst seit zehn Jahren gibt. Im Zuge eines Strategiewechsels hatte Airbus 2015 seine Verteidigungselektronik ausgegliedert. Betroffen waren etwa 3000 Mitarbeiter an den Standorten Ulm, Immenstaad und Oberkochen. Die sicherheitspolitische Bedeutung des Unternehmens wird dadurch unterstrichen, dass die Bundesrepublik Deutschland noch unter Kanzlerin Angela Merkel eine Sperrminorität von 25,1 Prozent erworben hat.
Luftverteidigung und elektronische Kampfführung
Die beiden Hauptsäulen im Geschäft sind die Sensorik mit den beiden Bestandteilen Radar und Optronik sowie die sogenannte elektronische Kampfführung. Beide Bereiche hätten sich in den vergangenen Jahren als ganz entscheidend erwiesen auf dem Gefechtsfeld, sagt der Sprecher. Bei der Sensorik geht es zum einen um die Luftverteidigung mittels Radar, sowie um die Ausstattung von Panzern mit Zielvorrichtungen, Periskopen und dergleichen. Im Rahmen von elektronischer Kampfführung werden gegnerische Systeme, vor allem auch Drohnen, durch Störungen lahmgelegt oder fehlgeleitet.
Was die Luftverteidigung angeht, ist Hensoldt wichtiger Partner der European Sky Shield Initiative (ESSI), also des geplanten Projekts zum Aufbau eines verbesserten Luftverteidigungssystems. Hensoldt liefert hier etwa das Radar für das von Diehl produzierte Iris-T-System. Für den Aufbau von ESSI könnten Hensoldt Aufträge für den Bau von mehreren Hundert Großradaren winken. Bis vor Kurzem produzierte man nur drei bis fünf davon im Jahr, aktuell sind es circa 15.
Seit 2022 ist die Mitarbeiterzahl von Hensoldt von 6000 auf 9000 gewachsen. 2025 sollen weitere 1000 Jobs dazukommen. Hensoldt kooperiert dabei auch mit Unternehmen aus dem Automobilsektor, wie Bosch oder Continental, die gerade eher Fachkräfte abgeben. Vor allem in der Produktion seien Ingenieure oder Techniker schnell einsetzbar, sagt der Unternehmenssprecher.
Man spüre seit dem russischen Angriffskrieg durchaus ein deutlich höheres Interesse von Bewerbern am Rüstungskonzern Hensoldt und eine andere Motivation: „Sie wollen dazu beitragen, dass unser Land und unsere Demokratie gesichert werden.“ Auch im Unternehmen sei diese Stimmung präsent. „Wenn ein wichtiges Produkt raus muss, etwa zum Schutz der Ukraine, bleiben die Mitarbeiter auch am Wochenende da.“
In Immenstaad geht es auch um Kampfflugzeuge
Schwerpunkte am Standort Immenstaad sind unter anderem die Entwicklung und Herstellung von Avionik-Ausrüstung, also im weitesten Sinne Bordelektronik sowie Radare für Kampfflugzeuge und -hubschrauber. Außerdem gibt es hier einen eigenen Bereich „Services und Training“, hier werden Kriegsszenarien digital und remote in einer Virtual-Reality-Umgebung simuliert. „Es kann zum Beispiel durchgespielt werden, wie ein bestimmtes Gebiet mit Radartechnik am besten geschützt werden kann“, sagt der Sprecher.
Außerdem ist der Standort Immenstaad wesentlich beteiligt am sogenannten Future Combat Air System (FCAS), das als „Waffensystem der Zukunft“ gemeinsam von Deutschland, Frankreich und Spanien entwickelt wird. Ferngesteuerte Drohnen und unbemannte Flugzeuge begleiten dabei ein hochmodernes Mehrzweckkampfflugzeug im Rahmen eines cloudbasierten Kampfgeschwaders, das von jeder Menge Künstlicher Intelligenz gefüttert wird. Es soll ab 2040 einsatzfähig sein.
Großen Anteil hat der Standort am Bodensee auch bei der Ausstattung des Eurofighters mit dem neuen Radar Mk1. Dabei handelt es sich laut Hensoldt um das „Eurofighter-Radarsystem der nächsten Generation“, es soll bei den Luftstreitkräften Deutschlands und Spaniens (nicht Großbritanniens und Italiens) in Dienst gestellt werden.

Der Eurofighter erhält damit ein Update, das sowohl neue Hard- als auch Softwarekomponenten umfasst. „Kern der Sache ist auch ein digitaler Prozessor, der es unter anderem ermöglicht, KI-Techniken bei der Datenauswertung einzusetzen“, sagt der Sprecher. Das gesamte Spektrum an Kampfflugzeugmissionen soll so verbessert werden. Möglich seien durch die neue Technik fortschrittliche Luft-Luft- und hochauflösende Luft-Boden-Fähigkeiten sowie passive und aktive elektronische Kampffähigkeiten. Das neue Eurofighter-Radar entwickelt und produziert Hensoldt zusammen mit dem spanischen Technologieunternehmen Indra.