Wie viel mehr an Gewerbeflächen braucht Friedrichshafen? Darüber gehen die Meinungen in Rathaus und Gemeinderat offensichtlich auseinander. Der Bauausschuss, der am Dienstag tagte, wollte ein extern erstelltes Konzept in Teilen noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen. In der Analyse wird ein Bedarf von 77 bis 85 Hektar bis zum Jahr 2040 in den Raum gestellt. Doch für die Stadträte muss eine Frage zuerst geklärt werden: Wohin soll sich Friedrichshafen überhaupt entwickeln?

Flächennachfrage größer als Angebot

„Friedrichshafen ist die wirtschaftliche Herzkammer der Region“, stellte Gino Meier von der Gesellschaft für Markt und Absatzforschung (GMA) in München eine „bemerkenswerte Ausstattung mit Firmen“ fest. Allerdings könne die Nachfrage an Flächen in der Breite nicht bedient werden. Seit 2014 habe es insgesamt 460 Anfragen von Unternehmen gegeben, die sich in Friedrichshafen und im benachbarten Immenstaad auf über 160 Hektar Fläche hätten ansiedeln oder weiterentwickeln wollen. Über 80 Prozent hätten einen Bedarf von durchschnittlich 3000 Quadratmeter Fläche benannt.

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Allerdings sind ansässige Unternehmen offenbar deutlich zurückhaltender mit ihren Expansionswünschen. Von 1600 Betrieben mit mindestens einem angestellten Mitarbeiter haben bei einer Umfrage der GMA lediglich 170 Betriebe (elf Prozent) einen Flächenbedarf formuliert. Dazu kommt, dass es nicht annähernd so viel Potenzialfläche gibt, auf der eine Gewerbeentwicklung theoretisch möglich wäre.

Für Friedrichshafen listet das Konzept fünf großflächige Areale mit zusammen 70 Hektar an der Peripherie auf. Dazu gehört beispielsweise auch eine rund 36 Hektar große Fläche in Hirschlatt, die der Gemeinderat als Gewerbestandort bereits abgelehnt hat. „Da macht keiner mit“, kommentierte Dagmar Hoehne (Freie Wähler) sehr energisch ein „no go“ dieses Standorts. Ein bisschen Puffer bieten hingegen rund acht Hektar Restflächen in bestehenden Gewerbegebieten.

Auf 36 Hektar landwirtschaftlicher Fläche und Wald sollte in Hirschlatt ein Gewerbegebiet entwickelt werden. Das lehnt der Gemeinderat ...
Auf 36 Hektar landwirtschaftlicher Fläche und Wald sollte in Hirschlatt ein Gewerbegebiet entwickelt werden. Das lehnt der Gemeinderat ab. Jetzt ist es wieder im Gespräch. | Bild: Gerhard Plessing

Aus der Sicht des Gutachters brauche es aber neue Gewerbeflächen, um Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze zu sichern und weiterzuentwickeln. Die sollten sich am Bedarf der Unternehmen vor Ort und an den Zukunftsbranchen ausrichten, empfiehlt Gino Meier. Er warb allerdings auch dafür, Flächen künftig nachhaltig und effizient zu nutzen. Das heißt nachverdichten, wo möglich, innovativ mehr in die Höhe als in die Breite bauen und auch die Parkplatzverwertung prüfen.

Massiver Konflikt

Mit diesem Fazit stieß der Experte im Bauausschuss allerdings auf breiten Widerspruch, was die Ausweisung neuer Gewerbestandorte anbelangt. „Wir müssen zuerst die Frage klären, wohin wir mit unserer Entwicklung auch beim Wohnbau überhaupt wollen“, nahm Mirjam Hornung für die CDU-Fraktion Stellung. Ziel müsse sein, erst einmal nachzuverdichten. Gerade im Außenbereich gerate man schnell wegen wertvoller landwirtschaftlicher Flächen in Bedrängnis. Die CDU tendiere dazu, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, ihn aber beim neuen Flächennutzungsplan nicht zur Grundlage zu machen, wie es das Rathaus plant.

Dieses Grundstück im Gewerbegebiet Rohrbach ist eines der wenigen, die noch nicht bebaut sind – obwohl Bauarbeiten hier offensichtlich ...
Dieses Grundstück im Gewerbegebiet Rohrbach ist eines der wenigen, die noch nicht bebaut sind – obwohl Bauarbeiten hier offensichtlich schon mal begonnen wurden. | Bild: Cuko, Katy

Von einem „massiven Konflikt“ sprach Dagmar Hoehne (Freie Wähler). Sie plädierte dafür, eher kleinere Lösungen zu denken. Fabriken auf der grünen Wiese seien heute nicht mehr Stand der Dinge. Sie habe Schnappatmung bekommen wegen der Flächen am Fallenbrunnen, die als möglicher Gewerbestandort im Bericht stehen, erklärte Claudia Huesmann (Grüne). Hier habe der Gemeinderat erst vor Kurzem die Nutzung als Freiflächenanlage für Photovoltaik abgelehnt.

Vorwurf: „An der Realität vorbei geplant“

Für das Netzwerk hingegen ist das GMA-Konzept „an der Realität vorbei geplant“, sagte Simon Wolpold. 80 Hektar Fläche neu ausweisen zu wollen, wenn es in der Stadt aktuell und inklusive ZF 260 Hektar Gewerbeflächen gebe, sei „fast schon ein bisschen unseriös“. Diese Zahl sei weit weg von dem, was sich das Netzwerk vorstellen könne. Den aufgezeigten Flächenbedarf sehe er nicht, so Wolpold. Die Stadt müsse an das Problem künftig anders herangehen. Bevor Baurecht für neue Gewerbegebiete geschafft wird, sollten auf den Restflächen an bestehenden Standorten die Pläne eher so geändert werden, dass mehr in die Höhe gebaut werden kann.

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Diese acht Hektar seien für große, strukturprägende Ansiedlungen aber nicht interessant, konterte Guido Meier. Freilich könne man Nutzungen stapeln, um möglichst wenig Fläche zu verbrauchen. Aber ohne Flächenverbrauch gebe es auch keine wirtschaftliche Entwicklung.

Am Ende der Debatte nahm der Bauausschuss den Bericht mehrheitlich zwar zur Kenntnis, verweigerte aber den Beschluss, die Ergebnisse in den Flächennutzungsplan aufzunehmen. Nach einem Workshop Ende Juni wird sich der Gemeinderat erst im Juli mit dem Thema noch einmal in großer Runde auseinandersetzen.