Boris Palmer ist gut drauf an diesem Montagnachmittag. Gerade hat sich Tübingens OB mit einigen Müllleuten unterhalten, um sich auf den neuesten Stand seines aktuellen Vorzeigeprojekts bringen zu lassen. Der Einführung einer Steuer auf Einwegverpackungen in dem schwäbischen Studentenstädtchen am Neckar.

Was ihm die Reinemache-Truppe in Orange gesagt hat, macht den Schultes zuversichtlich: „Die Mülleimer in unserer Stadt sind erstaunlich leer“, sagt Palmer mit dem ihm eigenen Brustton der Überzeugung. Schon jetzt sei absehbar, dass es in ganz Tübingen „sehr viel weniger Müll“ gebe. Man werde gerade Zeuge eines „echten Durchbruchs beim Thema Mehrweg“.

Boris Palmer (Grüne), OB der Stadt Tübingen, hat eine Verpackungssteuer auf Einweg-Artikel eingeführt. Damit hat er den US-Riesen ...
Boris Palmer (Grüne), OB der Stadt Tübingen, hat eine Verpackungssteuer auf Einweg-Artikel eingeführt. Damit hat er den US-Riesen McDonald‘s provoziert. Dieser zieht nun vor Gericht. | Bild: Sebastian Gollnow, dpa

Was den selten um eine Schlagzeile verlegenen Kommunalpolitiker aus dem Süden Deutschlands so positiv stimmt, ist so etwas wie eine erste inoffizielle Zwischenbilanz in Sachen Müllvermeidung durch Steuererhebung auf kommunaler Ebene in Deutschland.

Pro Verpackung gehen 50 Cent an die Stadt

Denn seit dem ersten Januar diesen Jahres müssen Gastronomen, Kino-, Tankstellen- oder Kioskbetreiber für jede in Tübingen verkaufte Einwegverpackung – sei es der Kaffee-to-Go-Becher oder das Styropor-Warmhalteschälchen für den Asia-Reis – 50 Cent plus Mehrwertsteuer an die Kommune abführen. Tübingen nutzt die Einnahmen, um damit die rund 700.000 Euro gegen zu finanzieren, die die Stadt jedes Jahr aufwenden muss, um der Flut am Einwegverpackungen Herr zu werden. Bundesweit ist das einmalig. Und gute Nachrichten kommen Palmer daher gerade recht.

Die Curry-Wurst geht auch in der Porzellan-Schale

Dazu gehört auch, dass die große Mehrheit der Schnell-Gastronomie in Tübingen mitzieht. Auch weil die Stadt den Umstieg finanziell belohnt, habe sich innerhalb kurzer Zeit eine Fülle neuer Anbieter für entsprechende Konzepte etabliert, sagt der Grünen-Mann. Die Pommes und die Curry-Wurst würden jetzt innerhalb der Stadtgrenzen als Mehrweg-Geschirr serviert.

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Nur ein alter Bekannter zieht nicht mit – der deutsche Fritten-Marktführer McDonald‘s. Der Konzern, der hierzulange 1450 Filialen betreibt und der sich schon vor über 20 Jahren erfolgreich gegen die Einführung eines ähnlichen Mehrwegsystems in Deutschland eingesetzt hatte, zeigt auch jetzt wieder Zähne. Die Tübinger Filiale des US-Riesen klagt vor dem Verwaltungsberichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegen Palmers Baby.

Logo einer Filiale des Fast-Food-Marktführers McDonald‘s.
Logo einer Filiale des Fast-Food-Marktführers McDonald‘s. | Bild: SAUL LOEB,AFP

Der Grund: Die Fast-Food-Firma sieht ihr Geschäftsmodell in Gefahr. „Sehr unglücklich“ findet das Palmer. Lieber hätte er sich mit McDonald‘s über Wege unterhalten, gemeinsam in die Zukunft und in Richtung mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu gehen. Aber so bleibe halt nicht mehr viel anderes übrig, als die Konfrontation.

Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe hat schon für Fahrverbote von Diesel-PKW in Städten gekämpft. jetzt will er die ...
Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe hat schon für Fahrverbote von Diesel-PKW in Städten gekämpft. jetzt will er die Verpackungsflut eindämmen helfen. | Bild: SEBASTIAN WILLNOW, dpa

Mit der kennt sich Jürgen Resch aus. Im aktuellen Verpackungsstreit mit dem US-Konzern springt der Chef der in Radolfzell am Bodensee ansässigen Deutschen Umwelthilfe (DUH) Palmer zur Seite. „Wir sehen Tübingen als Vorbild für alle Städte und Kommunen“, sagt Resch. Und man fordere alle zur Übernahme des Tübinger Modells auf.

Dass es just McDonald‘s ist, der Tübingens Weg zu mehr Nachhaltigkeit „torpediert“, macht Resch besonders fuchsig. Immerhin produziere der Bullettenbräter mit rund 51.000 Tonnen jährlich einen Gutteil des gesamten deutschen Aufkommens an Essens-Einwegverpackungen. Ansätze, das zu ändern, etwa mit Gäbelchen aus Holz oder Bechern aus Pappe, bezeichnet Resch als „homöopathisch“ dosiert. „Auch Pommes gehen in Mehrweg“, sagt er.

Freiwilligkeit bei Müllvermeidung geht nicht, sagen Resch und Palmer

Einig sind sich Resch und OB Palmer auch darin, dass es nicht ausreicht, die Gastronomie ab Anfang 2023 zu verpflichten, zusätzlich zum Einweggeschirr eine Mehrweg-Variante anzubieten. Hinzu müsse kommen, dass es für die Betriebe wirtschaftlich attraktiv werde, auf Mehrweg umzustellen, sagt Palmer – und sei es durch eine Besteuerung der Einmal-Artikel.

Ob sich der US-Riese McDonalds davon beeindrucken lässt? Immerhin will das Unternehmen jetzt in der Tübinger Filiale in einem Modellversuch Mehrweg-Getränkebecher anbieten. Ansonsten bleibt der Konzern aber hart. Im März soll die Verhandlung vor Gericht beginnen.