Das dritte Jahr in Folge hängen auf den deutschen Streuobstwiesen viel zu wenige Äpfel. Auch die Saftlager der Keltereien laufen langsam leer. Als Konsequenz ziehen die Preise für das als besonders hochwertig geltende Natur-Obst erstmals seit Jahren merklich an. Der SÜDKURIER hat pünktlich zum Erntebeginn bei den wichtigsten Saftereien in der Bodenseeregion und am Hochrhein nachgefragt, mit wie viel Geld Kleinerzeuger und Landwirte mit Streuobstwiese in der aktuellen Saison rechnen können. Ein Überblick:
Bodensee-Kelterei Widemann:
Die Groß-Kelterei aus Bermatingen mit seinen Marken Schlör, Schönauer und Lindauer Fruchtsäfte ist eines der größten Branchen-Unternehmen im gesamten süddeutschen Raum. In den letzten Jahren hat das Familienunternehmen allerdings Federn lassen müssen. Im Jahr 2021 – neuere Daten sind nicht zugänglich – sanken die Konzernumsätze coronabedingt auf 42,5 Millionen Euro. Unter dem Strich fuhr man sogar einen Verlust ein. Presseanfragen beantwortet das 150-Mann-Unternehmen, das auch auf den internationalen Saftmärkten aktiv ist, nicht.


Für ihre heimischen Obstlieferanten haben die Bermatinger nach SÜDKURIER-Recherchen ihre Auszahlungspreise aber in der laufenden Saison im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht. Für konventionelles Streuobst ohne Bio-Siegel, erhielten Kleinerzeuger derzeit 15 Euro pro Sack (100 Kilo), heißt es aus informierten Kreisen. Preissteigerungen seien im Verlauf der Saison, wie bei vielen anderen Keltereien auch, möglich. Wer bei Widemann Bio-Obst anliefert, bekommt 20 Euro fix, muss die jährlich anfallenden Zertifizierungskosten für die Bio-Qualität von rund 200 Euro pro Jahr nach Informationen dieser Zeitung aber selbst zahlen.
Fidel Dreher:
Trotz der Coronakrise konnte die Stockacher Großkelterei im Erntejahr 2021/22 zulegen und rangiert mit Umsätzen von 42,3 Millionen Euro nur noch knapp hinter Branchenprimus Widemann. Der Gewinn brach indes auf 2,3 Millionen Euro ein. Aktuelle Zahlen gibt es nicht. Auf Presseanfragen antwortet das Unternehmen nicht. Die Kelterei Dreher ist eines der Schwergewichte im deutschen Saft- und Konzentratgeschäft und hat über eine Partnerschaft mit der bayrischen Großmolkerei Gropper stark in die Verarbeitung von Smoothies investiert. Neben dem Stammsitz am Bodensee hat Dreher eine große Produktionsstätte und viele Obstlieferanten in Polen.
Wie aus Branchenkreisen verlautet, zahlt Dreher seinen Vertragskunden aus der Region bei Bio-Obst derzeit 20 Euro je hundert Kilo – und damit deutlich mehr als in der vergangenen Saison. Für die jährlichen Zertifizierungskosten in dreistelliger Höhe müssen die Obstwiesenbesitzer indes selber aufkommen. Für konventionelles Streuobst zahlt Dreher derzeit dem Vernehmen nach 15 Euro pro Sack.
Weinmann Fruchtsäfte:
Anders als die Großunternehmen Widemann und Dreher bezieht die Familien-Kelterei Weinmann-Fruchtsäfte aus Steißlingen nahe Singen Obst ausschließlich aus der Region. Verarbeitet werde „zu 98 Prozent Streuobst“, sagt Firmenchef Michael Weinmann. Für konventionelles Obst liegt der Preis derzeit bei 15 Euro je Sack. Aber: „Wer kommende Woche anliefert, bekommt wahrscheinlich mehr“, sagt Weinmann. Für selbst-zertifiziertes Bio-Obst bezahlt die Regio-Kelterei 20 Euro je Hundert Kilo.
Die Frage ist allerdings, wie viel Obst überhaupt angeliefert wird. Weinmann rechnet für die laufende Saison mit einem drastischen Einbruch der Mengen. „Ich muss aktuell um jeden Apfel kämpfen“, sagt er. Die angelieferten Mengen schätzt er auf nur zehn Prozent des langjährigen Durchschnitts. Grund seien vor allem Wetterextreme während der Vegetationsphase. „2023 ist bisher eines der schlechtesten Streuobst-Jahre, an die ich mich erinnern kann“, sagt er. Kleinerzeugern bietet Weinmann an, ihr Obst direkt in eigene Flaschen mit Etikett abzufüllen.
Streuobstmosterei Schäfer:
Die Mosterei aus Stahringen verarbeitet und vermarktet ausschließlich Bio-Streuobst. Seit Jahren werde den Kunden – meist Bauern und private Streuobstwiesenbesitzer – ein Mindestpreis von 20 Euro je Hundert Kilo Äpfel und Birnen gewährt – auch in Jahren mit großen Ernten, wie Firmengründer Günther Schäfer sagt. Zuschläge gibt es für besonders gefragte Obstsorten.
Auch bei der für ihre Spezialitäten wie der Frucht-Limo Brisanti, dem Likör Birnoh oder Bag-In-Box-Säfte bekannten Kelterei sind die Mengen knapp. „Wie es aussieht werden wir die Nachfrage unserer Kunden nicht bedienen können“, sagte Schäfer. Aufgrund schlechter Ernten auch in den Vorjahren, seien die Saftvorräte im Keller aufgebraucht. Großfirmen mit nationalem und internationalem Einkauf können das vielleicht ausgleichen. Wir nicht“, so der Kelterer. Aufgrund einer mangelnden Auslastung und stark gestiegener Kosten arbeite man derzeit „nicht kostendeckend“.

Auer Fruchtsäfte:
Die Kelterei aus dem Hegau gewährt ihren Kunden Tagespreise fürs Obst – aktuell sind das 15,60 Euro für Hundert Kilo Äpfel. Der Betrieb aus Mühlhausen-Ehingen unterscheidet dabei nicht zwischen konventionellem und Bio-Obst. „Es gibt nur einen Preis“, heißt es. Dieser würde in den kommenden Wochen „eher steigen“.
Ebner Fruchtsäfte:
Das 1893 gegründete Familienunternehmen ist eine der letzten Saft-Keltereien am Hochrhein. Das in Klettgau ansässige Unternehmen zahlt Obstlieferanten nach eigenen Angaben 2023 mindestens 13 Euro je hundert Kilo Obst. Für Bio-Qualität gebe es „erheblich mehr“. Auch werden die Preise in den kommenden Wochen wohl ansteigen. Auch am Hochrhein seien die Obstmengen diese Saison „sehr niedrig“.