Während sich die Erzeugung konventioneller Lebensmittel für viele Bauern wieder richtig lohnt, sieht es bei Streuobst anders aus. Zum wiederholten Mal sind die Obstpreise in Baden-Württemberg in der abgelaufenen Erntesaison deutlich hinter dem Bundesschnitt zurückgeblieben.

Wie aus Daten der Initiative Hochstamm Deutschland (IHD) hervorgeht, erhielten Besitzer von Streuobstwiesen 2022 bundesweit durchschnittlich 11,50 Euro pro Hundert Kilogramm Saftobst von Keltereien und der Getränkeindustrie. In Baden-Württemberg waren es hingegen nur rund 9,90 Euro.

Streuobst: Meist wird es direkt vom Erzeuger in riesigen Anlagen gereinigt und sofort gepresst.
Streuobst: Meist wird es direkt vom Erzeuger in riesigen Anlagen gereinigt und sofort gepresst. | Bild: Arno Burgi/dpa

„Hoher Zeitaufwand bei der Produktion“ stehe niedrigen Erzeugerpreisen gegenüber, hieß es von der im baden-württembergischen Rohrdorf, nahe Nagold, ansässigen IHD. Im Ergebnis liege der Stundenlohn für Streuobstwiesenbesitzer „weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn“. Langfristig seien höhere Mostobstpreise eine wichtige Grundlage für den Erhalt der wertvollen bäuerlichen Kulturlandschaften.

Viele Flächen werden aufgegeben

Baden-Württemberg wirbt derzeit noch mit den größten zusammenhängenden Streuobstflächen Mitteleuropas. Rund 89.000 Hektar der vor allem mit Apfelbäumen bepflanzten Stückle soll es noch geben. Allerdings ist die letzte echte Erhebung Jahre her, und jedes Jahr werden viele Flächen aufgrund des permanenten Preisdrucks im Obstmarkt aufgegeben oder zu Bauland oder Plantagen umgewandelt.

In den vergangenen gut 50 Jahren sind Schätzungen zufolge rund 60 Prozent der Streuobstwiesen im Land verschwunden. Allein seit 2009 ist laut Stuttgarter Landwirtschaftsministerium ein Rückgang um 17 Prozent zu verzeichnen.

Bild 2: So wenig Geld gibt es in Baden-Württemberg für Streuobst
Bild: SK

Obwohl sich die grün-schwarze Landesregierung im Koalitionsvertrag Anfang 2021 klar für den Erhalt der Flächen ausgesprochen hat, konnte man sich bisher nicht auf eine substanzielle Anhebung der Förderung einigen. Insbesondere Kleinerzeuger gehen bei den bestehenden Programmen fast leer aus.

Die Erzeugerpreise gehen derweil immer mehr in den Keller. Insbesondere für hochwertiges Bio-Mostobst erhalten die Bauern und privaten Kleinerzeuger immer weniger Geld. Den vorliegenden Daten zufolge sind sie 2022 im Vergleich zum Vorjahr im Bundesschnitt noch einmal um rund einen Euro auf 15,50 Euro pro Hundert Kilogramm Bio-Äpfel gesunken.

Hängen lassen oder ernten? Für viele Erzeuger grenzt die Streuobsternte an ein Geschäft, bei dem sie drauflegen. Die theoretischen ...
Hängen lassen oder ernten? Für viele Erzeuger grenzt die Streuobsternte an ein Geschäft, bei dem sie drauflegen. Die theoretischen Stundenlöhne liegen meist weit unter Mindestlohn. | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Im Edelsegment des Bio-Direktsafts stehen die Preise vor allem durch eine sinkende Zahlungsbereitschaft der Endkunden unter Druck. Finanzielle Einbußen in Folge der Corona-Krise sowie der sich daran anschließenden Inflation führen dazu, dass Kunden vermehrt zu Billigsäften vom Discounter greifen.

Fast ebenso bedeutsam ist indes, dass in den vergangenen Jahren enorme Anbauflächen in Osteuropa die Produktion aufgenommen haben. Seit den EU-Sanktionen gegen Russland in Folge der Annexion der Krim 2014 fällt Russland als Obst- und Saft-Exportland weg. Die Folge sind erhebliche Übermengen an Bio-Saft und -Konzentrat in der EU.

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Laut dem Verband der agrargewerblichen Wirtschaft (VdaW) stünden daher auch die Keltereien „vor großen Herausforderungen“. Hinzu kommen steigende Energiepreise, Engpässe bei Pfandflaschen und Personalnot.

Offenbar gelingt es der Branche in manchen Landesteilen dennoch, den Obsterzeugern auskömmliche Preise zu bezahlen. Laut IHD-Daten lagen die Preise für Mostobst im vergangenen Jahr in Bayern mit knapp 16,40 Euro fast sieben Euro über dem Durchschnittspreis in Baden-Württemberg. Bayrische Bio-Obsterzeuger erhielten gar 23 Euro, wohingegen ihre Südwest-Kollegen sich mit 14,40 Euro zufrieden geben mussten.

Die Bodensee-Kelterei Widemann aus Bermatingen nahe des Bodensees ist eine Großkelterei für Obstsäfte.
Die Bodensee-Kelterei Widemann aus Bermatingen nahe des Bodensees ist eine Großkelterei für Obstsäfte. | Bild: Jan Manuel Heß

Die IHD-Vorsitzende Martina Hörmann appellierte daher an die Streuobstwiesen-Besitzer, sich zusammenzuschließen und ihr Obst gemeinsam zu vermarkten. „Wir haben in Deutschland eine atomistische Angebotsstruktur, das heißt: Viele Lieferantinnen und Lieferanten treffen auf wenige abnehmende Betriebe.
Für eine stärkere Position, die auch Preisverhandlungen ermöglicht, ist ein Zusammenschluss von Erzeugerbetrieben sehr wichtig.“

Außerdem rief Hörmann die Bauern und Wiesenbesitzer auf, ihre Preise an die IHD zu melden. Die Initiative hat eine Webseite entwickelt, auf der alle in Deutschland gezahlten Streuobstpreise eingetragen und auch abgerufen werden können. Dieses sogenannte Preisbarometer Streuobst diene den Erzeugern dazu, Preise besser vergleichen zu können und Keltereien mit zu geringen Preisen auszusortieren.