„Wir machen weiter, bis der Arbeitgeber zur Einsicht kommt.“ Lutz Dächert von der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) in Mannheim gibt sich kämpferisch. Seit Monaten schwelt der Konflikt mit der Südwestdeutschen Landesverkehrsgesellschaft (SWEG), ohne dass eine Lösung in Sicht wäre.
Seit Mittwoch wird wieder gestreikt. Leidtragende sind Tausende von Fahrgästen von Mannheim über Stuttgart und Tübingen bis Freiburg und den Bodensee – hier betreibt die SWEG die Seehäsle-Strecke. Sie werden immer wieder davon überrascht, dass ihre Verbindung kurzfristig ausfällt. „Die GDL kündigt die Streiks oft sehr kurzfristig an“, erklärt eine Sprecherin SWEG Bahn Stuttgart (SBS).
Es geht nicht nur um den Lohn
Der Konflikt kommt nicht zu einem Ende, weil es um mehr als nur Lohnprozente geht. Vordergründig will die Lokführergewerkschaft die Bedingungen der Beschäftigten bei der Tochter SBS verbessern. Das ist die Nachfolgegesellschaft der seit 2021 insolventen Abellio Rail Baden-Württemberg, die vor allem im Großraum Stuttgart Regionalzüge betrieben hat.
Die Tarifverträge müssten dringend angepasst werden so die GDL. Gefordert werden unter anderem 3000 Euro als Einmalzahlung und bis zu fünf Prozent höhere Gehälter. Zudem sollen die Ruhezeiten verbessert werden, da derzeit Arbeiten im Zehn-Tage-Rhythmus und 32-Stunden-Ruhezeiten üblich seien und immer wieder kurzfristige Änderungen im Dienstplan mit Einschnitten in die Freizeit erfolgen. Nach GDL-Angaben beginnen Lokführer mit 3150 Euro Brutto im Monat. Zuschläge gibt es für zusätzliche Qualifikation.

Die SWEG hatte bereits Anfang November ein übertarifliches Angebot für die 400 Beschäftigten der SBS in Aussicht gestellt. Doch die Gewerkschaft will wesentlich mehr. Ihr Ziel ist ein eigener Tarifvertrag auch bei der landeseigenen SWEG, die den insolventen Abellio-Ableger seit Anfang 2022 betreibt. Davon will man am Firmensitz in Lahr allerdings nichts wissen, denn das Unternehmen hat bereits einen Eisenbahn-Tarifvertrag (ETV) mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für seine rund 1800 Beschäftigten abgeschlossen. Der entspreche – ebenso wie der GDL-Abschluss – der Landestariftreue. „Der GDL-Vertrag weist an einigen Stellen Vorzüge auf, der ETV an anderen Stellen“, stellt die SWEG fest.
Die GDL will sich das Vertretungsrecht für insgesamt 500 SWEG-Eisenbahner erstreiken und so künftig tarifpolitisch bei der SWEG ein gewichtiges Wort mitreden. Dort kommt man allerdings nach eigenen Angaben lediglich auf 200 Mitglieder. Deutlich höher ist hingegen der Organisationsgrad bei der SBS.
In deren Reihen findet auch der Großteil der Streiks statt, was vor allem Fahrgäste im Großraum Stuttgart ratlos am Bahnsteig zurücklässt. Auf der Elztalbahn und der Kaiserstuhlbahn fielen jeweils einzelne Fahrten aus. Auf den Strecken der Münstertalbahn, Achertalbahn sowie zwischen Biberach und Oberhamersbach wurden Busersatzverbindungen eingerichtet.

Wegen der kurzfristig angesetzten Streiks hat der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer die Lokführer-Vertretung auf Facebook harsch als „Gewerkschaft der Lällebäbbel“ kritisiert. So wird im Schwäbischen jemand genannt, der „dumm daher redet und töricht ist, also als ein törichter Schwätzer gilt“. Nicht angekündigte Streiks, die „nicht mal in der App oder am Bahnsteig erkennbar“ seien und Züge die einfach ausfielen, das rege ihn als Fahrgast auf. Vielleicht sollte die Letzte Generation mal die Zentrale der GDL blockieren. Sein Vorschlag: „Lokführer sollten keine Spezialgewerkschaft haben, sondern Beamte sein.“
Will die GDL einfach nur mehr Macht?
„Der GDL geht es nicht um Verbesserungen für die Beschäftigten, sondern sie nutzt das Mittel des Arbeitskampfes für die eigene machtpolitische Agenda – und dies auf dem Rücken der Fahrgäste und der Beschäftigten“, teilt die SWEG mit. Bei Verdi in Stuttgart kommentiert man die Aktivitäten der Lokführerkonkurrenz hingegen nicht.
Allerdings ist die Dienstleistungsgewerkschaft im Aufsichtsrat der SWEG vertreten, und der hat der Geschäftsführung schon im September eine Ansage erteilt: Keine Verhandlungen mit der GDL. Auch der Eigner Land lässt wenig Kompromissfreude erkennen und scheint das Thema aussitzen zu wollen. Ungewiss ist die Zukunft der SBS mit 400 Beschäftigten und 52 Zügen. Sie braucht bis Ende dieses Jahres einen neuen Eigner. Die SWEG hat kein Interesse, die Tochter auf Zeit längerfristig zu übernehmen.
Der Streik entwickelt sich zum Politikum
Der Streik entwickelt sich zum Politikum. Die FDP-Landtagsfraktion dringt auf ein Schlichtungsverfahren. Ziel müsse sein, „die völlig unnötige Auseinandersetzung, die es derzeit gibt, zu beenden – zum Wohle der Fahrgäste“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Jung, der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und SWEG-Aufsichtsratschef Uwe Lahl fehlende Kompromissbereitschaft vorwirft. Der Chefaufseher beharrt aber darauf, dass sich die SWEG „auf keinerlei machtpolitische Spiele mit der Gewerkschaft einlässt“. Der Machtkampf an der Bahnsteigkante geht weiter.