Björn Twiehaus macht sich keine Illusionen über die derzeitige Lage der Branche: „Die nächsten zwei Jahre bleiben herausfordernd, da müssen wir nicht auf Rückenwind hoffen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Marquardt-Gruppe.
Bei der Bilanzpressekonferenz am Donnerstag im Stammsitz in Rietheim im Landkreis Tuttlingen verkünden Twiehaus und Finanzvorstand Robert Schutt vieles, was auch von anderen Automobilzulieferern zu hören ist.
Umsatzrückgang hat viele Gründe
„Der Umsatz im vergangenen Jahr betrug rund 1,35 Milliarden Euro und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent gesunken“, berichtet Schutt. Unter welchem Druck die gesamte Branche stehe, zeige sich an den Umsatzeinbußen von 7,5 Prozent im Bereich der Autozuliefererindustrie. Die Gründe dafür seien geopolitische Herausforderungen, die sprunghafte Zollpolitik und ein stark verzögerter Anstieg der Elektromobilität.
„Von dieser globalen Schwäche der Konjunktur haben auch wir uns nicht abkoppeln können“, sagt Björn Twiehaus dazu. Das Gros am Umsatz des Unternehmens komme aus dem Automobilbereich, Sorgenkind bleibe die Elektromobilität: „Die hinkt weiterhin hinterher, da haben wir nicht die Auslastung erreicht, die wir uns vorstellen. Sie hat aber angezogen.“

Auf Nachfrage erklärt Schutt, dass im abgelaufenen Geschäftsjahr Verluste eingefahren wurden, die in der Historie der Gruppe so noch nicht vorgekommen seien. Konkrete Zahlen wollte der Finanzchef mit Blick auf die Stellung von Marquardt als Familienunternehmen aber nicht nennen. Um wieder in die Gewinnzone zu kommen, seien eine Reihe von Maßnahmen ergriffen worden.
Stellenabbau auch am Stammsitz
„Weltweit hat das Unternehmen im vergangenen Jahr rund 300 Arbeitsplätze reduzieren müssen, um auf die schwache Konjunktur zu reagieren“, erklärt Robert Schutt. Damit ist die „Anpassung der Personalstruktur“, wie Schutt es nennt, aber nicht vorüber.
Während der Stammsitz in Rietheim vergangenes Jahr verschont blieb, sollen dieses Jahr 150 Mitarbeiter gehen, weltweit sollen es mindestens weitere 300 sein. Der Abbau von Stellen werde sozialverträglich ablaufen und die Mitarbeiter bei der Suche nach Anschlussbeschäftigungen in der Region so weit wie möglich unterstützt.
Als weiteres Mittel zur Einsparung von Kosten nennt Schutt das Optimieren und Digitalisieren von Prozessen, außerdem sollen externe Dienstleistungen zukünftig wieder im Unternehmen ausgeführt werden.
Auto der Zukunft kommt gut bei Kunden an
Für Zuversicht sorgen bei Vorstandschef Björn Twiehaus die Innovationen, die aus dem Hause Marquardt kommen. Jährlich investiert das Unternehmen rund 10 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Erst vergangene Woche wurde im Zuge der Feier zum 100-jährigen Bestehens das Fahrzeug Centum präsentiert.
Das futuristisch anmutende Gefährt vereine die Kernkompetenzen von Marquardt, wie das Herstellen von Schaltern, mit den Anforderungen an ein Fahrzeug der Zukunft, erklärt Produktmanager Felix Hake. Der Bildschirm des Centums lässt sich mit fühlbaren Tasten bedienen, mit denen alle Punkte des Menüs angesteuert und ausgewählt werden können.

Der Vorteil gegenüber einem herkömmlichen Touchscreen sei dabei, dass der Benutzer spüre, ob er eine Taste gedrückt habe und dadurch die Augen mehr auf der Straße gerichtet lassen könne. Wobei das nicht einmal unbedingt erforderlich sein soll: „Mit dem Centum antizipiert Marquardt das autonome Fahren“, sagt Björn Twiehaus.
Es soll dann möglich sein, mit einer Virtual-Reality-Brille auf Unterhaltungsprogramme zuzugreifen, während das Fahrzeug im Modus des autonomen Fahrens die eingegebene Strecke zurücklegt.
Das Interesse von Autoherstellern am Centum sei bereits groß, berichtet Twiehaus: „Drei große Kunden haben uns eingeladen, mit unseren Teams in deren Entwicklungszentren zu kommen.“ Für Marquardt biete das die Möglichkeit, sich mit dem Kunden zusammen anhand des Prototyps über das weitere Vorgehen auszutauschen.