Die Chefin des Tettnanger Outdoor-Ausrüsters Vaude, Antje von Dewitz, spricht sich dafür aus, besonders umweltschädliche Online-Plattformen und Modelabel härter an die Kandare zu nehmen. „Ultra-Fast-Fashion-Marken wie Shein oder Temu sind eine Vollkatastrophe für unseren Planeten“, sagte die Vaude-Chefin dem SÜDKURIER. Der Profit solcher Unternehmen gehe auf Kosten von Natur und Mensch. Ähnlich wie Frankreich solle Deutschland „Ansätze entwickeln, um den Import solcher Billigware zu regulieren“.

Shein und Temu streng regulieren

Frankreich plant derzeit ein Gesetz gegen sogenannte Ultra-Fast-Fashion-Konzerne (deutsch: Ultra-schnelle-Mode). Dieses sieht unter anderem Werbeverbote und Preisaufschläge auf Modeartikel vor, die unter Umgehung von Sozial- und Umweltstandards hergestellt werden.

Im Fokus Frankreichs stehen Internet-Plattformen wie Shein oder Temu, die den Weltmarkt mit Billig-Mode, vor allem aus China, fluten. Die Artikel sind meist so günstig, dass sie von den Verbrauchern nur wenige Male getragen und dann weggeworfen werden. Für die Schäden müssten die Menschen in den Produktionsländern „und wir alle“ aufkommen, sagte die Vaude-Chefin.

Vaude bei Kreislaufwirtschaft auf Kurs

Das von ihr geführte Familienunternehmen aus Tettnang am Bodensee gilt als einer der Nachhaltigkeits-Pioniere im Outdoorbereich. Rund 90 Prozent der Vaude-Artikel sind nach Unternehmensangaben aus umweltfreundlichen Materialien sowie unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt. Im abgelaufenen Geschäftsjahr habe man erstmals Produkte auf den Markt gebracht, die komplett kreislauffähig sind, sagte von Dewitz.

Anders als Taschen, Jacken, Zelte oder Rucksäcke aus herkömmlicher Produktion, die aus bis zu 150 unterschiedlichen Materialien aufgebaut seien, bestehen die neuartigen Produkte nur aus einem Grundstoff und können deswegen nach Ende der Lebensdauer komplett recyclet werden. Angesichts einer immer stärkeren Ausbeutung der Rohstoffe der Erde bezeichnete von Dewitz diese Form der Kreislaufwirtschaft als „zwingend für die Zukunft“.

Ist seit 2009 Geschäftsführerin vom Familienunternehmen Vaude und hat es streng nach Nachhaltigkeitskriterien umgebaut: Antje von Dewitz.
Ist seit 2009 Geschäftsführerin vom Familienunternehmen Vaude und hat es streng nach Nachhaltigkeitskriterien umgebaut: Antje von Dewitz. | Bild: VAUDE Sport GmbH & Co. KG

Lieferkettengesetz könnte The North Face und Columbia treffen

Das auf EU-Ebene angestrebte Lieferkettengesetz hält die Vaude-Chefin trotz der jüngst beschlossenen Abschwächungen für einen Quantensprung im Mode- und Textilbereich. Es habe Themen wie faire Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit „ins öffentliche Bewusstsein gerückt“, sagte sie. Aufgrund seiner Ausgestaltung käme es auch für Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU zur Anwendung, wenn diese mindestens 150 Millionen Euro Umsatz in Europa machten.

Das sei spannend, sagte von Dewitz, weil gerade in der Outdoor-Branche viele große amerikanische Konzerne wie The North Face oder Columbia auch in Europa stark seien. Diese stehen bei Kritikern im Ruf, zu wenig für Öko-Standards zu tun. „Das kommt den europäischen, nachhaltig engagierten Unternehmen wie Vaude auf jeden Fall zu Gute“, sagte sie.

Weniger Umsatz, weniger Jobs bei Vaude

Was die Geschäftszahlen angeht, hat das Tettnanger Unternehmen nach Jahren stürmischen Wachstums im vergangenen Geschäftsjahr einen Dämpfer einstecken müssen. 2023 sank der Vaude-Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent auf 141 Millionen Euro. Zum Gewinn äußert sich das Unternehmen traditionell nicht. Zum Jahresende beschäftigte das Familienunternehmen weltweit 650 Menschen.

Diese Zahl wird in den kommenden Monaten sinken. „2024 müssen wir die Kostenstruktur anpassen. Wir lassen daher beispielsweise befristete Stellen auslaufen und nutzen im ersten Schritt die natürliche Fluktuation, um die Beschäftigung zu senken“, sagte von Dewitz. Details, in welchem Umfang Stellen abgebaut würden, stünden noch nicht fest. Klar ist damit aber auch, dass der Jahresbonus 2023 für die Mitarbeiter geringer ausfallen wird als in den Vorjahren. Dieser richtet sich zum Teil am erzielten Umsatz aus.

Für das laufende Jahr rechnet Vaude wieder mit einem leichten Umsatzanstieg um zwei Prozent.

Sonnenaufgang auf dem Rocciamelone, dem höchsten Wallfahrtsorts der Alpen: Für Antje von Dewitz war dies einer der schönsten Momente auf ...
Sonnenaufgang auf dem Rocciamelone, dem höchsten Wallfahrtsorts der Alpen: Für Antje von Dewitz war dies einer der schönsten Momente auf ihrer 1100 Kilometer langen Wanderung über die Alpen. | Bild: Vaude

Fahrradgeschäft am Boden – kommt aber wieder

Grund für den Durchhänger 2023 sei unter anderem das Geschäft mit Fahrradausrüstung gewesen, das traditionell für etwa die Hälfte der Firmen-Umsätze steht. „Im letzten Jahr was das Fahrradgeschäft nach der Überreizung während der Coronazeit von einem Überangebot, vollen Lägern, Preisverfall und gleichzeitiger starker Verkaufszurückhaltung der Kunden geprägt“, sagte die Firmen-Chefin. Im Vergleich zum Rekordjahr 2022 sei der Umsatz hier um gut 10 Prozent zurückgegangen. In absehbarer Zeit werde sich das aber „wieder stark entwickeln“, sagte sie.

Auch beim zweiten Vaude-Umsatzbringer – Outdoorbekleidung – habe man 2023 die Verunsicherung der Kunden aufgrund der Inflation gespürt. „Der Trend zu Fernreisen und damit weg von der Naherholung hat uns zudem nicht in die Karten gespielt“, sagte sie. Insgesamt habe man sich hier mit einem leichten Plus von einem Prozent noch „relativ gut geschlagen“.