In der Herzkammer der Vaude-Produktion zieht Vida mit lautem Gebell die Aufmerksamkeit auf sich. Frauchen Vera Schintler nimmt sie hoch und zeigt sie den Besuchern des Outdoor-Ausrüsters vom Bodensee.

Das Testlabor hat nichts von einem Reinraum, deswegen gilt hier dieselbe Hunderegel wie überall im Familienbetrieb: Hunde sind in Tettnang am Arbeitsplatz willkommen, sofern die Kollegen im Team nichts dagegen haben.

Im Testlabor werden Jacken geprüft

Im Testlabor prüft Schintler das Material, das in den Vaude-Produkten zum Einsatz kommt, auf dessen Beständigkeit: Wie reagieren Schnallen auf häufiges Knicken? Wie winddurchlässig ist der Stoff einer Jacke? Wie abriebfest ist er?

Hier wird Schaufensterpuppen die neueste Regenbekleidung übergezogen und dann das Wasser aufgedreht: Wie lange hält sie durch? Wann und wo fängt die Nässe an durchzudringen? Gerade wird die Kollektion von 2027 erprobt.

Mitarbeiterin Vera Schintler demonstriert, wie Abrieb getestet wird.
Mitarbeiterin Vera Schintler demonstriert, wie Abrieb getestet wird. | Bild: Angelika Wohlfrom

PFAS sind inzwischen in aller Munde

Die Materialien stellt Vaude nicht selbst her, sondern bezieht sie von Zulieferern. Gemeinsam mit den Herstellern hat man sich seit 2010 auf den Weg gemacht, von den gefährlichen sogenannten Ewigkeitschemikalien wegzukommen.

PFAS kannte damals noch kaum jemand, inzwischen sind sie in aller Munde: per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen sind wasser- und fettabweisend und finden deshalb in zahllosen Produkten Verwendung – vom Pizzakarton bis zur Medizintechnik.

Die extrem langlebigen Stoffe wurden inzwischen an vielen Orten im Grundwasser nachgewiesen, auch im Blut der meisten Menschen dürften sie vorhanden sein. Das Problem daran: Sie gelten als krebserregend und schaden dem Immunsystem.

Man sieht den Unterschied

Bei Vera Schintler liegen drei Stoffproben auf dem Tisch. Sie sprüht Wasser drauf, die Unterschiede sind frappierend. An dem PFAS-Stoff perlen die Tropfen glatt ab, in den alten PFAS-freien Ersatz dringen sie recht mühelos ein, die neue Alternative verhält sich wie der PFAS-Stoff, erst wenn man darauf herumreibt, gelangt auch hier etwas Wasser in die Faser.

Die Kinderkrankheiten sind überwunden. Für den Feuerwehreinsatz sind PFAS-freie Stoffe noch immer nichts, aber für den normalen Outdoor-Gebrauch sind sie dienlich.

Stoffe mit ohne ohne PFAS im Sprühtest.
Stoffe mit ohne ohne PFAS im Sprühtest. | Bild: Angelika Wohlfrom

Politik hat das Problem erkannt

Inzwischen haben diverse andere Hersteller ebenfalls umgestellt. Und die Politik hat das Problem erkannt: Zum Jahresende soll die EU-Chemikalienverordnung (Reach) überarbeitet werden, EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall will PFAS in Alltagsprodukten wie „Pizzakartons oder wasserfester Kleidung“ verbieten.

Bei unverzichtbaren Produkten im medizinischen Bereich soll es aber Ausnahmen geben. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Süddeutsche Zeitung berichtete Anfang des Jahres von einem regelrechten „Lobby-Ansturm“.

Bleibt die EU bei ihren Plänen?

Antje von Dewitz, Chefin von Vaude, fürchtet, dass die schwierige wirtschaftliche Lage als Argument dafür herangezogen wird, dass letztlich allenfalls ein paar weitere PFAS-Untergruppen verboten werden. „Am nächsten Tag sind dann 500 neue auf dem Markt.“

Auch Thekla Walker (Grüne), baden-württembergische Umweltministerin, ist der Meinung, dass schrittweise ein umfassendes Verbot kommen müsste, wo dies möglich ist. Der medizinische und der Halbleiterbereich sollen dagegen ausgenommen werden.

So hat es Deutschland unter der Ampel-Koalition in der EU vorangetrieben. Nun allerdings haben sich die politischen Vorzeichen in der EU wie in Deutschland verändert, und die baden-württembergische Landesregierung ist sich in der Sache intern auch nicht grün.

90 Prozent Recycling-Anteil in der Kleidung

Dreh- und Angelpunkt der Frage einer strengen Regulierung ist, inwieweit Unternehmen das verkraften. Vaude beweist, dass es zumindest im Textilbereich möglich ist. Deswegen ist Walker hier. Seit 2010 verwendet Vaude nach eigenen Angaben keine PFCs (eine PFAS-Untergruppe) in wasserdichten Membranen, seit 2016 gilt dies für alle Schlafsäcke, seit 2020 für Schuhe und Rucksäcke und seit 2021 für alle Bekleidungsstoffe.

Vaude-Geschäftsführerin von Dewitz spricht von einem „Kraftakt“. Nachhaltige Produktion meint bei Vaude auch Recycling: Bei den Produkten des hauseigenen Nachhaltigkeitslabels Green Shape kommt man auf mindestens mindestens 90 Prozent Recycling-Anteil bei Bekleidung.

In eigener Produktion stellt Vaude in Tettnang Fahrradtaschen her.
In eigener Produktion stellt Vaude in Tettnang Fahrradtaschen her. | Bild: Angelika Wohlfrom

Nachhaltige Produktion ist teuer

Das nachhaltige Produzieren erfordere sehr viel Mehrkosten. „Wir finanzieren das unter anderem über größeres Wachstum“, so von Dewitz. Jahrelang sei man über dem Durchschnitt der deutschen Outdoor-Industrie gewachsen. „Da muss alles stimmen: Die Mode, die Qualität, der Service. Dann wird die Nachhaltigkeit zum Pluspunkt und zum Wettbewerbsvorteil.“

Man wünscht sich bei Vaude, dass die Pionierarbeit im Nachhinein belohnt würde – aber da fühlt man sich von der Politik im Stich gelassen.

In der Reparaturwerkstatt wird ein Ersatz-Zeltboden genäht.
In der Reparaturwerkstatt wird ein Ersatz-Zeltboden genäht. | Bild: Angelika Wohlfrom

8000 Reparaturen im Jahr

Was das konkret bedeutet, kann man in Tettnang in der Reparaturwerkstatt beobachten: Schlafsäcke, Zelte, Kleidung, alles, was Vaude herstellt, kann zur Reparatur eingeschickt werden. Vor allem während der Gewährleistungsfrist wird davon Gebrauch gemacht.

8000 Reparaturen macht Vaude im Jahr, und das schon seit 1980. So richtig rechnen tut sich das nicht. Vaude pflegt so den Service-Gedanken und damit das Image. Der Rest ist die eigene Verpflichtung gegenüber den Ressourcen der Welt: „Die Bekleidungsbranche ist Teil des Problems, weil hier Chemikalien eine große Rolle spielen“, sagt von Dewitz. „Deswegen wollten wir Teil der Lösung werden.“

Auch bei Vaude sinkt der Umsatz

Derzeit tut sich Vaude nicht leicht. „Aktuell ist es schwer, auf dem ganzen Outdoormarkt“, berichtet von Dewitz. Im vergangenen Jahr sei der Umsatz bei Vaude um etwa drei Prozent gesunken – das sei weniger als im Schnitt der Branche, Zahlen gibt es dazu noch nicht. Die Phase Kurzarbeit, die Vaude 2024 für vier Wochen ausrief, ist längst überstanden.

Zwei Gründe für die derzeitigen Probleme benennt von Dewitz: Zum einen führte das starke Wachstum während Corona vor allem auf dem Fahrradmarkt zu einer Sättigung. Die Konsumzurückhaltung macht sich aber auch sonst bemerkbar. „Die pessimistische Stimmung schlägt voll auf den Verbraucher durch“, sagt Dewitz. Und das hat Folgen bei den Händlern: 225 Kunden weniger habe man in diesem Jahr, weil die Geschäfte insolvent gegangen seien.