Herr Diening, als branchenfremder Manager führen Sie eine der größten Sportbootwerften Europas. Erklären Sie doch einmal den Reiz des Segelns.
Segeln ist einerseits ein Sport, aber auch viel mehr als nur ein Sport. Wenn man draußen auf dem Wasser ist, entkoppelt man sich ziemlich schnell vom Alltag und kommt in einen ganz anderen Modus. Was man beim Segeln in Punkto Lebensgefühl, Entspannung und Naturerfahrung erleben kann, bekommt man in anderen Sportarten nicht. Es muss übrigens nicht immer eine ganze Woche auf See sein, oft reicht auch schon ein Nachmittag.
Viele Menschen wollen dieses Lebensgefühl. Die Zahl der Sportboot-Aspiranten steigt. Wer kann sich den Sport aber überhaupt leisten?
Segeln ist weniger exklusiv, als sich das viele vorstellen. Wer nicht aus der Branche ist, denkt beim Stichwort „Boot“ oft an 30 Meter lange Luxusjachten, die irgendwo in der Karibik kreuzen. Der Alltag ist anders. Wenn Sie in einer Gruppe ein Boot im Mittelmeer chartern, kostet sie das mit einigen Hundert Euro pro Kopf und Woche ähnlich viel wie einige Pauschalurlaube. Bavaria Yachts hat übrigens einen Anteil daran, dass Segeln und Motobootfahren in Richtung Breitensport geht. Wir stehen als Werft nicht für den unerreichten Traum der Luxusjacht, sondern als Wegbereiter für gute Boote in solider Qualität zu erschwinglichen Preisen.
Was ist erschwinglich?
Man muss zwischen neuen und Gebraucht-Booten unterscheiden. Für eine werftneue Segelyacht oder ein Motorboot mittlerer Größe muss man je nach Hersteller ab Hunderttausend Euro investieren. Natürlich kann der Preis mit Ausstattung und Größe erheblich steigen. Viele Wassersportler steigen allerdings mit gebrauchten Schiffen ein, und die sind sehr viel günstiger.
Die Corona-Krise hat Draußen-Aktivitäten einen Schub verliehen. Zelten, Bergsteigen, Campen und Fahrradfahren boomen. Wie verhält es sich mit dem Wassersport?
Wir können da nahtlos ansetzen. Wir spüren seit Monaten in allen unseren Bootssegmenten einen deutlichen Anstieg der Nachfrage. In unserem fränkischen Produktionswerk arbeiten unsere Mitarbeiter unter Volllast. Die Corona-Pandemie, die das Urlaubsverhalten der Menschen verändert hat, hat den ohnehin positiven Branchentrend noch einmal verstärkt. Man setzt sich lieber mit einer überschaubaren Zahl von Freunden in ein Boot in der Natur, als sich in überfüllte Flieger nach irgendwohin zu quetschen. Das Chartergeschäft entwickelt sich übrigens dort besonders stark, wo die Anreise noch mit dem Auto zu machen ist und man für den Transfer eben nicht aufs Flugzeug zurückgreifen muss.

Seit Jahren gibt es auf deutschen Binnenseen einen Trend zum Motorboot. Hat sich daran in Zeiten der Klimakrise etwas geändert?
Wir sehen das nicht. Im Moment entscheiden sich mehr Neubootbesitzer für eine Motor- als für ein Segelboot. Gerade bei kleineren Booten überwiegen die Motorboote deutlich. Aber auch Segeln verzeichnet Zuwächse.

Warum stehen die Deutschen auf Motorboote?
Motorboote sind generell in der Handhabung, besonders für Einsteiger, einfacher als Segelschiffe. Und sie sind wetterunabhängiger, weil man eben auch bei Flaute seinen Spaß haben kann. Vor dem Hintergrund knapper werdender Zeitressourcen ist das sicher ein Vorteil.
Die Liegeplätze sind auf dem Bodensee der limitierende Faktor. Entspannt sich die Lage an den deutschen Binnenseen?
Es ist eher umgekehrt. Mittlerweile schwappt die Liegeplatzthematik sogar an die Küstenstandorte. Auch dort werden sie knapp und es gibt zusehends Wartelisten. Unser größtes politisches Anliegen ist es daher auch, den Flaschenhals aufzulösen und mehr Plätze auszuweisen und die Infrastruktur zu verbessern. Da ist Handlungsbedarf.
Was will der Segler heutzutage für ein Schiff?
Was die Bedienbarkeit angeht ist Easy Sailing ein Thema. Ein Boot muss intuitiv bedienbar sein, und auch größere Schiffe sollten zunehmend einhandtauglich sein. Bei der Ausstattung zählt immer mehr der Komfort. Wenn Sie heutige Boote mit Modellen von vor 20 Jahren vergleichen, hat sich da sehr viel getan. Gleichzeitig wird die Individualisierung immer wichtiger. Es zählt also auch die persönliche Note an Bord.
Im Autoverkehr wird ein Verbot von Verbrennungsmotoren heiß diskutiert. Auf einigen bayrischen Binnensees werden Verbrenner schon länger nicht mehr zugelassen. Schwappt das Thema jetzt auch in die Bootsbranche?
Der Trend weg vom Verbrenner ist relativ klar sichtbar und wahrscheinlich auch unaufhaltsam. Es ist eher die Frage, wann der gewöhnliche Bootsantrieb durch alternative Antriebsformen ersetzt werden wird und nicht ob das geschieht. Im Fokus steht der Freizeitsport. Insbesondere auf den deutschen Binnengewässern könnte ich mir vorstellen, dass die Vorschriften relativ schnell in die entsprechende Richtung gehen. Auf dem offenen Meer kommen andere Anforderung an Reichweite und Sicherheit hinzu, so dass es dort deutlich länger dauern wird, bis der Verbrenner ersetzt werden kann.
Wie bereitet sich Bavaria auf das Thema Elektrifizierung von Antrieben vor?
Im Moment statten wir alle unsere Produkte standardmäßig mit Verbrennungsmotoren aus. Allerdings müssen auch wir über Alternativen nachdenken. Dass die Entwicklung wahrscheinlich unumkehrbar sein wird, habe ich ja angedeutet. Bei Bavaria Yachts ist die Elektrifizierung von Antrieben sicher ein Thema für die kommenden Jahre.

2018 ist Bavaria Yachts in die Insolvenz gerutscht, Investoren haben das Ruder übernommen. Wie lebt es sich mit Ihnen?
Unser Investor CMP Capital Management ist langfristig interessiert. Alle Gespräche, die ich vor meinem Amtsantritt im August und auch danach mit Vertretern von CMP geführt habe, widersprechen allen Vorurteilen, die man gegenüber Finanzinvestoren vielleicht haben könnte. Das zeigt auch nicht zuletzt die Entwicklung der Werft in den letzten drei Jahren seit Ende seit der Übernahme durch CMP. Ich bin mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden.
Wann schreibt Bavaria wieder schwarze Zahlen?
Ich gehe fest davon aus, dass wir das laufende Geschäftsjahr mit einem positiven Ergebnis abschließen werden.
Bavaria Yachts war mit mehr als 3000 Sportbooten pro Jahr einmal Europas größte Sportbootwerft. Wo steht man heute?
Im Moment verlassen etwa 500 bis 550 Motor-, Segelboote und Katamarane pro Jahr unsere beiden Fertigungsstandorte in Deutschland und Frankreich. Wir rangieren damit unter den Top-5-Sportbootwerften in Europa. Allerdings stehen die Zeichen bei uns klar auf Wachstum. Unsere Auftragsbücher sind voll, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir weiter auf Innovation setzen und kontinuierlich neue Bootstypen auf den Markt bringen. Im Moment haben wir eher das Problem, nicht so viel liefern zu können, wie die Kunden von uns verlangen. Unsere Lieferzeiten haben sich bei manchen Modellen auf bis zu zwölf Monate rund verdreifacht.

Wo klemmt es?
Vor allem Motoren sind knapp. Da leiden auch unsere Zulieferer unter den Auswüchsen der Chip-Krise. Wenn wir genug Motoren hätten, könnten wir viel mehr Motorboote ausliefern. Dazu kommen Engpässe auch bei anderen Materialien und Zubehör, welches wir für die Boote brauchen. Aber auch ohne die Engpässe wäre es eine Herausforderung, die schnell wachsende Nachfrage nach Booten zu befriedigen. Wir weiten daher die Produktionskapazitäten an unseren Fertigungsstandorten aktuell deutlich aus.
Was sind ihre Ziele fürs laufende Geschäftsjahr?
Beim Absatz wollen wir deutlich zweistellig wachsen und natürlich profitabel wachsen. Ich bin da sehr zuversichtlich. Unsere Bücher sind voll. Je besser sich die Teileversorgung entwickelt und je schneller es uns gelingt, unsere Kapazitäten hoch zu fahren, desto mehr Boote werden wir an unsere Kunden ausliefern.