Die deutschen Sportbootwerften laufen unter Volllast und Händlern geht die Ware aus: Das veränderte Freizeitverhalten der Deutschen infolge der Corona-Krise beschert der heimischen Wassersportwirtschaft volle Auftragsbücher und prächtige Umsätze. „Die Nachfrage der Kunden nach Booten ist seit Monaten ungebremst“, sagte die Vizepräsidentin des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW), Sonja Meichle, am Dienstag am Rande der Branchenmesse Interboot. Bei neuen Booten seien die Lieferzeiten auf einem „noch nie gesehenen Niveau“ angelangt. Wer heute ein Boot bestelle könne von den meisten Händlern erst 2023 beliefert werden.

Der Anker eines Segelboots hängt am Bug. In der Corona-Krise haben sich viele Menschen zum Kauf eines Bootes entschieden.
Der Anker eines Segelboots hängt am Bug. In der Corona-Krise haben sich viele Menschen zum Kauf eines Bootes entschieden. | Bild: Felix Kästle, dpa

Die Branche befinde sich in einer langlaufenden Stabilitätsphase, eine Überhitzung des Marktes sei nicht ganz auszuschließen, ergänzte BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut. „Der Trend zeigt überall nach oben.“ Die Corona-Krise mit ihren weitreichenden Reisebeschränkungen habe bei vielen Menschen zu einer Rückbesinnung auf die Natur und einer Freizeitgestaltung im Nahbereich geführt, sagte Stahlhut. Dem Wassersport habe das „viele Neueinsteiger beschert“. Davon profitieren die Anbieter von Motor- und Segelbooten sowie Kanus, Kajaks und SUP-Brettern ebenso wie Segelschulen, Charterer und Reparaturwerkstätten.

Motoren für Boote sind Mangelware

Nach einer durch den Corona-Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres ausgelösten Schockstarre, hat sich die gesamte Branche in den vergangenen Monaten in rasantem Tempo erholt. Seit gut einem Jahr reißen die Kunden den Firmen Boote und Zubehör förmlich aus den Händen. Die Stimmung der Betriebe liegt auf einem fast schon historisch guten Niveau. Fast 90 Prozent der fast ausschließlich klein- und mittelständischen Betriebe gehen für die kommenden Monate von gleichbleibenden oder besseren Geschäften aus. „2021 sprengt alle Ketten“, sagte Günter Ambrosi, Vertriebs-Chef der österreichischen Segelboot-Werft Sunbeam.

Messechef Klaus Wellmann und Sonja Meichle, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft aus Kressbronn, präsentieren ...
Messechef Klaus Wellmann und Sonja Meichle, Vizepräsidentin des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft aus Kressbronn, präsentieren Zahlen zur Messe und zur Wassersportbranche. | Bild: Susnane Hogl

Segel- oder Motorboot-Interessierte bekommen mittlerweile aber auch die Kehrseite des Booms zu spüren. Nach Angaben des BVWW haben die Preise für Boote aller Art in den vergangenen Monaten um 10 bis 15 Prozent angezogen. Rabatte werden quasi flächendeckend nicht mehr gewährt. Ähnliches gilt für gebrauchte Boote, die regional oft gar nicht mehr verfügbar sind.

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Die Entwicklung im Wassersport gleicht damit jener in anderen Freizeitsegmenten wie dem Caravaning- oder dem Fahrrad-Bereich. Auch hier steigt die Nachfrage – und auch die Preise – coronabedingt seit Monaten. Die außerordentliche Branchenkonjunktur wird im Moment nur durch nicht ausreichende Fertigungskapazitäten in den Bootswerften, Fachkräftemangel und einer drastischen Verknappung von Zulieferteilen und Rohstoffen gebremst. Edelstahl, Holz und Kunststoffe seien knapp, sagte Stahlhut. Insbesondere Motoren – Innen- und Außenborder – seien schwer zu bekommen. Teilweise stehen seit Monaten fertige Boote in den Werften und können nicht ausgeliefert werden, nur weil der Motor fehlt“, sagte der BVWW-Geschäftsführer.

Preiskrieg in der Branche

Bei Motoren ist die Lage deswegen so angespannt, weil nur sehr wenige Hersteller den Markt dominieren und die meisten davon in den USA oder Asien angesiedelt sind. Auch dort boomen die Märkte und saugen die Produkte auf.

Die Ausnahmesituation sorgt indes auch innerhalb der Branche für Verwerfungen. Insbesondere die Bootshändler stecken in der Klemme. Die Betriebe haben in den vergangenen Monaten sehr viele Boote verkauft, die in den kommenden Monaten ausgeliefert werden sollen und derzeit in den Werften produziert werden. Aufgrund der stark gestiegenen Rohstoffpreise versuchen die Werften nun, die Preissteigerungen an den Handel weiterzugeben. Um die Endkunden nicht zu vergrätzen, schreckt dieser oft davor zurück, die Endkundenverträge neu zu verhandeln. Stattdessen verlagert sich der Preiskampf auf Händler und Werften.

Besucher schauen sich in der Messehalle A3 die Neuigkeiten der Bootbranche an, hier am Stand von Sunbeam. Zum 60. Mal treffen sich ...
Besucher schauen sich in der Messehalle A3 die Neuigkeiten der Bootbranche an, hier am Stand von Sunbeam. Zum 60. Mal treffen sich Wassersportler und Fans von Segel- und Motorbooten sowie Funsport, um sich bei mehr als 260 Ausstellern über Trends und neue Produkte zu informieren. | Bild: Felix Kästle

Nach Aussagen von Sunbeam-Manager Ambrosi gelinge es derzeit nicht, die Steigerung in den Rohstoffpreisen „eins-zu-eins an den Handel weiterzugeben“. Trotz des Booms im Absatz geraten also auch die Gewinnspannen der Werften unter Druck.

Verträge werden daher auf breiter Front umgestellt. Sunbeam bietet seinen Boots-Kunden beispielsweise nun eine Preisfixierung bis 2022. Wer das Pech hat, dass sein Traum-Boot erst danach in die Produktion geht, muss mehr zahlen – zumindest sofern sich der Preisanstieg bei Rohstoffen bis dahin nicht abgeschwächt hat.

Messe Interboot im Aufwind

Die Branchenkonjunktur freut auch die Messe Friedrichshafen. „Wir sind super in die Interboot gestartet“, sagte Messe-Chef Klaus Wellmann. Dass die Messe die Interboot auch im Corona-Ausnahmejahr 2020 weitergeführt habe, zahle sich aus. Kunden sowie Aussteller bestätigten den positiven Branchentrend durch zahlreiche Besuche und „gute kaufvorbereitende Gespräche in den Hallen“.