„Hoffen wir auf bessere Jahre“, sagt Harald Marquardt, Chef und Eigner des gleichnamigen Automobilzulieferers im Landkreis Tuttlingen. Gerade hat er die Zahlen fürs abgelaufenen Geschäftsjahr präsentiert, und die fallen eben so aus, wie sie derzeit fast überall in der von mannigfaltigen Krisen geschüttelten Branche ausfallen: mau.

Bei Marquardt bricht der Gewinn weg

Beim Umsatz hat das 10.600 Mitarbeiter zählende Familienunternehmen 2022 mit mehr als 1,4 Milliarden Euro zwar einen neuen Rekord hingelegt, aber das zaubert dem 61-Jährigen Firmenchef kein Lächeln aufs Gesicht. Der Umsatz sei getrieben durch die allgemeinen Preissteigerungen in Zeiten der Rekordinflation, sagt er.

In solch einer Lage komme es umso mehr darauf an, ob ein Unternehmen auch profitabel ist. Und in diesem Punkt haben die deutschen Automobilzulieferer gerade ein Problem – auch der Rietheimer Mechatronik-Zulieferer.

Firmen-Chef und -Eigner: Harald Marquardt: Weil die Automobilmärkte weltweit nicht in Fahrtkommen, sind die Gewinne der Zulieferer unter ...
Firmen-Chef und -Eigner: Harald Marquardt: Weil die Automobilmärkte weltweit nicht in Fahrtkommen, sind die Gewinne der Zulieferer unter Druck. | Bild: Marquardt GmbH

„Unsere Ergebnislage ist extrem dürftig“, sagt Marquardt. Tendenziell liege sie fürs Jahr 2022 „näher an der schwarzen Null als an einer dauerhaften Auskömmlichkeit“. Ins Detail will Marquardt nicht gehen.

Allerdings ist im aktuellen IG-Metall-Tarifvertrag ein Passus verankert, der es Unternehmen, deren Gewinnspannen im operativen Geschäft unter die Schwelle von 2,3 Prozent rutschen, erlaubt, Prämienzahlungen für die Mitarbeiter nicht auszuzahlen. Marquardt zieht diese Option jetzt. Und das erlaubt wiederum Rückschlüsse auf die spärlichen Gewinne, die 2022 eingefahren wurden.

Nicht abhängig vom Verbrenner

Dabei ist Marquardt eigentlich noch gut dran. Das Unternehmen, das mit Schlüsseln und Schaltern für Autos und andere Industriegüter groß geworden ist und sich heute zu einem von Digitaltechnik getriebenen Innenraumspezialisten entwickelt, ist nicht vom Verbrennungsmotor abhängig. Insofern ist man von den bei Antrieben auftretenden Marktverschiebungen nicht negativ getroffen. „Wir profitieren sogar von diesem Wandel“, sagt Marquardt.

Multi-Krise in der Autozulieferer-Branche

Allerdings befinden sich die Zuliefer-Betriebe seit mehreren Jahren in einer Multi-Krise. Von den Rekordständen des Jahres 2018 bei Neuzulassungen im weltweiten Fahrzeuggeschäft ist der Automobilmarkt immer noch meilenweit entfern. Ich Europa stagnieren die Zulassungszahlen immer noch fast 30 Prozent unter den damaligen Werten. In Deutschland ist die Automobilproduktion im selben Zeitraum gar um rund ein Drittel zurückgegangen.

Eine Marquardt-Mitarbeiterin am Stammsitz in Rietheim-Weilheim montiert eine Elektrobauteil. Produktionsjobs wird es in der Region immer ...
Eine Marquardt-Mitarbeiterin am Stammsitz in Rietheim-Weilheim montiert eine Elektrobauteil. Produktionsjobs wird es in der Region immer weniger geben. | Bild: Marquardt

Entsprechend liegen bei den hiesigen Zulieferbetrieben erhebliche Kapazitäten brach. Die Firmen machen ihren Gewinn aber bei sehr vielen Produkten rein über die Stückzahl. Geht sie zurück und sinkt damit die Auslastung der Werke, wird es schnell eng. Insbesondere, weil die Auftraggeber – die Automobilkonzerne – das Mengenrisiko gnadenlos auf ihre Zulieferer abwälzen. „Seit einigen Jahren ist die Planbarkeit in diesem Bereich komplett weg“, konstatiert auch der Marquardt-Chef.

Lieferketten, Energiekosten, teure Läger

Dazu kommen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, in dessen Folge sich die Energiekosten bei Marquardt trotz Sparmaßnahmen um 60 Prozent erhöht haben. Die Halbleiterkrise, die einerseits zu schleppenden Produktabrufen und andererseits zu steigenden Einkaufs-, aber auch Lagerkosten führt, sowie die Auswirkungen der rigiden Lockdowns in Asien kämen noch hinzu, so der Marquardt-Chef.

„Trotzdem sind wir stabil geblieben“, sagt er. Auch dank der „Leistungsbereitschaft, Ausdauer und Leidenschaft der Mitarbeiter“, habe Marquardt eine gute Zukunft vor sich.

Neue Märkte in Asien und neue Produkte

Das Unternehmen ist einer der Innovationsführer in seinem Bereich. Zehn Prozent des Umsatzes hat Marquardt nach Angaben seines Chefs 2022 in Forschung und Entwicklung gesteckt, was zu 100 Patenten und Schutzrechten geführt habe. 50 Prozent seines Umsatzes macht das Unternehmen mit Produkten, die weniger als fünf Jahre alt sind.

Dazu gehören mittlerweile neuartige Schließsysteme für Fahrzeuge, die per Smartphone gesteuert werden können und auf Gesten reagieren. Oder berührungssensitive Bedienelemente, mit denen nahezu jede Fahrzeugfunktion im Innenraum gesteuert werden kann.

Felix Hake von Marquardt ist Projektleiter für das Demo Car. Dieses wartet mit Innovationen auf – etwa einem Hologramm, da auf ...
Felix Hake von Marquardt ist Projektleiter für das Demo Car. Dieses wartet mit Innovationen auf – etwa einem Hologramm, da auf Gesten reagiert, ohne berührt werden zu müssen. | Bild: Eto

Ein großer Teil des Wachstums stamme mittlerweile aber aus der E-Mobilität. Hier baut der Rietheimer Mittelständler Batteriemanagementsysteme, Ladekabel-Verschlüsse oder Inverter. Deutlich mehr als 100 Millionen Euro Umsatz bringt das Marquardt mittlerweile ein. In einem halben Jahrzehnt sollen es 400 bis 500 Millionen sein.

Prognose für 2023 verhalten

Die werden immer stärker in Asien erwirtschaftet. In China haben die Schwaben jüngst einen Auftrag „im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich mit mehrjähriger Laufzeit“ ergattert. Und auch auf dem lange darbenden indischen Markt hellen sich die Vorzeichen auf.

Wann Marquardt wieder zu alter Stärke aufläuft, ist indes noch unsicher. Für 2023 rechnet des Chef zwar wieder mit zweistellig wachsenden Umsätzen. Beim Gewinn werde es aber „angespannt bleiben“, sagt er.

Was passiert mit den Jobs in der Region?

Und die Jobs? In den Stammwerken in Rietheim und Böttingen (Kreis Tuttlingen) werde man die Anzahl der Beschäftigten in Zukunft „tendenziell halten können“, sagt Firmen-Chef Marquardt. Produktion werde hier aber immer weniger stattfinden. In Thüringen schafft der Zulieferer derzeit indes hunderte Arbeitsplätze. Dort seien die Personalkosten um rund 20 Prozent geringer als in Baden-Württemberg.