Sandra Pfanner
Petershausen spielte am Wochenende. Petershausen sammelte aber auch: Unterschriften, für und gegen die geplante Fahrradstraße, auf Papier und im Internet. Nachdem bekannt wurde, dass über den Bahnübergang Petershausen künftig nur noch Fahrräder fahren sollen, verschärft sich jetzt die Debatte um das Vorhaben. Existenz bedrohend sagen die einen – sinnvoll und zukunftsweisend die anderen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband appelliert in einer Stellungnahme an die Stadt, die Sperrung des Bahnübergangs zu überdenken, während Befürworter noch überrascht sind, dass die Kritik erst jetzt aufkommt.

Online-Petitionen für und gegen Fahrradstraße in Petershausen

Zwei Petitionen finden sich inzwischen im Internet. Eine davon hat Stefan Lischka initiiert, der in der Petershauser Straße mit seiner Frau ein Kinderbedarfsgeschäft betreibt. Das klare Ziel: Die Petershauser Straße und Jahnstraße sollen weiter für den Autoverkehr offen bleiben, eine Probephase soll es nicht geben. Mindestens 1200 Unterstützer will er zusammen bringen, deren Unterschriften er dann persönlich der Stadtverwaltung vorlegen will. 179 Unterschriften waren es am Montagabend.

„In den letzten Tagen hat sich in vielen Gesprächen mit Befürwortern des Projektes herausgestellt, dass man sich über die Folgen überhaupt nicht im Klaren ist, viele Geschäfte stehen schon nah an der Pleite. Der gerade wachsende Stadtteil würde wesentlich an Attraktivität verlieren“, begründet Lischka die Petition, die auch in Papierform in zehn Petershauser Geschäften ausliegt. Die würden nämlich vor allem eines fürchten: Dass die Kunden, vornehmlich aus der Schweiz, ausbleiben.

Sorge um Ausbleiben der Schweizer Kunden

Fast jedes Geschäftskonzept in Konstanz basiere schließlich auch auf der Nachfrage durch Schweizer Kunden. „Sperren Sie mal die Bodanstraße und alle anderen Zufahrtsstraßen für zwölf Monate komplett und bieten keine Ausweichstraße an. Da möchte ich mal die „Begeisterung“ des Lago hören“, hatte es Lischka in einer öffentlichen Stellungnahme formuliert. Er fordert, sich bei der Diskussion auch in die Lage des anderen zu versetzen und die Ängste nachzuvollziehen.

Dass das Konzept des Kinderbedarfsgeschäfts zum einen auf ein ökologisch-bewusstes Publikum setzt, dieses aber andererseits die Möglichkeit haben soll, mit dem Auto zu kommen, sieht Lischka als nicht widersprüchlich an. „Das eine schließt das andere nicht aus. Wir verwenden ökologisch erzeugten Strom, kaufen selbst Bio aus der Region ein und bewegen uns auch viel mit dem Rad durch Konstanz. Die Petition macht auch deutlich, dass wir für eine Verbesserung der Situation für Radfahrer auf diesem Straßenstück sind und das Verkehrsmittel auch fördern wollen“, so Lischka. Allerdings kommen seine Kunden auch aus dem Umkreis von Konstanz und aus dem Ausland – sowie viele hochschwangere Frauen, die sich nicht mehr auf das Rad trauen, so Lischka. „Ich kann eben nicht erwarten, dass Kunden von Zürich nach Konstanz radeln.“

Andere Petition, andere Meinung: „Es ist falsch, dass der Einzelhandel immer versucht, nur auf die Autofahrer zu setzen“, sagt Claudia Diehl, die Initiatorin der Online-Petition „Für den Ausbau der Petershauser- und Jahnstraße zur Fahrradstraße“. Die Kritik von Geschäftsinhabern kann sie nicht nachvollziehen. Denn von einem verkehrsberuhigten, attraktiven Umfeld würden auch die ansässigen Läden und Gastronomiebetriebe profitieren, so Claudia Diehl. „Gerade Menschen ohne Auto sind die treuesten Innenstadtkunden, weil sie eben nicht auf die „grüne Wiese, also außerhalb des Stadtkerns, zum Einkaufen fahren“, so Diehl. „Das Vorhaben ist sinnvoll und zukunftsweisend und wird zur weiteren Entwicklung von Petershausen als lebendigem und lebenswertem Stadtteil beitragen. Vor allem für Kinder, Jugendliche, Studierende und ältere Menschen“, begründet Claudia Diehl die Initiative.

Bürger sammeln Unterschriften in Petitionen für und gegen Fahrradstraße

78 Unterstützer haben sie bis zum Montagabend schon unterschrieben, online ist die Petition aber erst seit einem Tag. Über die Vehemenz des Protestes gegen die Fahrradstraße war Claudia Diehl erstaunt, sagt sie. Schließlich seien die Pläne nicht mit radikalen Maßnahmen verbunden. „Das Thema wird oft zu ideologisch betrachtet. Die Verlängerung des Erfolgsmodells Fahrradstraße ist nur konsequent. Und wer unbedingt mit dem Auto kommen möchte, kann bis zur Schranke fahren“, so Diehl. Das könnten auch Kunden tun, die von außerhalb kommen – wenn sie nicht ohnehin schon auf den öffentlichen Nahverkehr umgestiegen sind.

Wie es weitergeht
  • Diskussionsabend: Im Rahmen der Reihe „Der SÜDKURIER gibt einen aus“ debattieren Befürworter, Gegner und Interessierte an einem Tisch miteinander. Alle sind herzlich eingeladen, am kommenden Mittwoch, 15. Oktober, von 17.30 bis 19 Uhr im Restaurant Hedickes Terracotta in der Luisenstraße 9 an der Diskussion teilzunehmen, Fragen zu stellen und Anregungen zu geben. Das erste Getränk jedes Gastes übernimmt der SÜDKURIER an diesem Abend.
  • Zählung: Wie viele Fahrradfahrer den Bahnübergang täglich passieren, wird nächste Woche unabhängig von der aktuellen Diskussion geprüft. Die Zahl der Autos auf diesem Straßenabschnitt halbierte sich nach Angaben der Stadt nach der Sperrung durch die Baustelle von 8000 auf 4000 täglich, Tendenz sinkend.

Am Donnerstag wird das Thema wohl noch einmal im Gemeinderat aufgegriffen. Politiker von CDU und Freien Wählern erklärten, dass sie eine Ratsabstimmung durchsetzen wollen. Das Ergebnis dürfte nach aktueller Meinungslage knapp ausfallen. Bis dahin sammeln Stefan Lischka und Claudia Diehl weiter Stimmen – für und gegen eine neue Fahrradstraße in Petershausen.