Das kann ja heiter werden! Obwohl der Klimawandel eine Tatsache ist, die von Fakten und Fachleuten nahezu einmütig bestätigt wird, leben die meisten Menschen froh darüber hinweg. Irgendwie geht es ja immer weiter. Wer von Berufs wegen mit Klima zu tun hat und das gute Wetter gewissermaßen verkauft, wird da schon nachdenklicher. Zum Beispiel im Schwarzwald, der bis in die 90er-Jahre hinein als zuverlässige Marke für Menschen galt, die dem Skisport oder dem Wandern frönen.

Der Konstanzer Geowissenschaftler Benno Rothstein hat die Tatsachen einmal zusammengestellt. Das Wetter im Schwarzwald hat sich in den vergangenen 25 Jahren um ein Grad erhöht. Dazu kommt, dass es über das Jahr hinweg trockener wird.

„Überdurchschnittlicher Klimawandel“ in Baden-Württemberg

Wobei es im Winter mehr regnet als früher und im Sommer weniger. Der Gehalt an CO2 ist so hoch wie nie, berichtet der Professor an der Fachhochschule Konstanz (HTWG).

Auffällig: Im Schwarzwald wie überhaupt in Baden-Württemberg verändern sich Wetter und Niederschlag stärker als in anderen Regionen Deutschlands, sagt Rothstein. Er spricht von einem „überdurchschnittlichen Klimawandel“. Nahen damit Zeiten, in denen man Strandkörbe am Titisee oder am kalten Feldsee aufstellen kann?

Ist das noch normal? Die Vogelschau auf den Titisee zeigt das Ufer der Gemeinde Titisee sowie den See, bei dem sich löchriger ...
Ist das noch normal? Die Vogelschau auf den Titisee zeigt das Ufer der Gemeinde Titisee sowie den See, bei dem sich löchriger Schneeteppich mit blanken Wasserflächen abwechseln (Januar 2012). | Bild: Mende

 

Auffällig sind die Unterschiede für Sommer und Winter. Wenn es im Sommer wärmer wird und weniger regnet, dann ist das für ein grundkühles Mittelgebirge von Vorteil. Menschen aus den heißen Ebenen wie dem Rheintal – die wärmste Region Deutschlands – fliehen dann gerne hinauf in den Schwarzwald. Die Herausforderung bringt eindeutig der Winter. 

Die Schneetage werden geringer

Dort werden die Schneetage geringer. In den Höhenlagen werden es 23 Prozent weniger Tage sein, die eine weiße Unterlage bieten. In niederen Lagen (also unter 1000 Meter) wird man 18 Prozent weniger Tage vorfinden, an denen man auf die Skier steigen kann.

Erschwerend kommt hinzu: Der Schwarzwald wird nach Einschätzung der Forscher stärker unter dem Klimawandel leiden als der Thüringer Wald, der Harz oder das Erzgebirge. Sie sind die direkten Konkurrenten in der Liga der Mittelgebirge.

Noch eine Beobachtung verfestigt sich zur Tatsache: „Das vergangene Wetter taugt immer weniger für Prognosen“, stellt Rothstein fest. Der Satz hört sich trivial an, seine Schlagkraft entfaltet er erst in den Konsequenzen. Im letzten Jahrhundert war das Wetter eindeutig berechenbarer: Auf einen schönen Tag im Sommer folgte meist wieder ein schöner Tag.

Probleme auch für Wanderer

Diese Beständigkeit hat das gewandelte Weltklima verloren. Auf den konstant sonnigen Tag muss kein ebenso sonniger Tag folgen. Das Regelmaß des Wetters scheint dahin. Beständig ist vor allem der jäh empfundene Wechsel innerhalb eines Tages. Für Wanderer, die sich mehrtägig auf den Schwarzwald-Westweg mit seinen insgesamt 290 Kilometer Länge begeben, kann das zum Problem werden. Es schreckt ab.

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Und die Gäste? „Touristen reagieren noch nicht auf den Klimawandel“, stellt Tourismus-Experte Michael Kalff (Konstanz) überraschend fest. Besucher beschweren sich wohl über Hitze, Kälte oder Regen, den sie individuell spüren, weil er den Ausflug verhagelt. Doch bringen sie es offenbar nicht mit dem globalen Phänomen in Zusammenhang. Klimawandel – das ist etwas aus den Nachrichten. Verwirrte Eisbären und schmelzende Eisberge? Doch nicht zwischen Hornisgrinde und Feldberg.

Die Betriebe stellen um

Anders die Betreiber von Liften, die Gastronomen und Gemeinden zwischen Berg und Tal. Die Betriebe stellen still und leise um, haben Umfragen ergeben. Immer mehr Gastronomen wollen umweltfreundlich wirtschaften. Neue Öfen, ökologisches Heizen. Das Busfahren in einigen Schwarzwald-Gemeinden ist bereits kostenlos für Gäste, damit sie das Auto stehen lassen.

Auch die Unterkünfte ändern sich. Viele Betreiber geben altershalber auf und suchen oft händeringend einen Nachfolger. Kalff hält Hostels für eine interessante Entwicklung. Die Nachfrage nach solchen einfachen und günstigen Unterkünften würden weltweit klettern, sagt er. Und sie ziehen ein junges Publikum an, dem die Pension alter Schule fremd ist.

Neue Betten, neue Inhalte. Auch im Schwarzwald kehrt allmählich ein, was gestelzt als „kreativer Kulturtourismus“ auf Prospekten prangt. Das Kreative findet überwiegend inhouse statt und ist vom Wetter unabhängig. Tagungen zählen dazu oder Entspannungs-Wochen. Oder das Wochenende mit Fitness-Trainer oder Yoga-Coach. Im nahen Freiburg sitzen genug einschlägige Experten, die solchen Angeboten ihre Expertise und Aura leihen können.

Es tut sich viel in der Region

Sonnenschein und Regendauer sind naturgegeben. Daran kann auch in Südbaden keiner drehen. Veränderbar ist jedoch das Angebot, das Touristiker abliefern. In diesem Bereich tut sich vieles in der Region zwischen Hochrhein und Pforzheim. Fachleute fragen sich, was Gäste bei schlechtem oder unbeständigem Wetter unternehmen können. Die Angebote für Tage, an denen man nicht ins Freie strebt, mehren sich.

Das Badeparadies Schwarzwald bei Titisee-Neustadt ist ein Schritt in diese Richtung. Es nimmt die Verrücktheiten des Wetters indirekt auf, indem innerhalb dieser Badelandschaft ein fremdes Klima hergestellt und dekoriert wird: Palmen, tropische Pflanzen und Dauerschwüle beschwören eine äquatoriale Komfortzone, während es draußen gerade regnet.

Das Badeparadies ist eines der Schnäppchen, das die Strategen den Kapriolen des Wetters schlagen. Im Sommer setzen die Veranstalter nicht mehr ausschließlich auf das Wandern. Dort ist das Potenzial ausgeschöpft.

Radler gegen Wanderer

Das wandernde Stammpublikum kommt ohnehin. Und junge Sportsfreunde ziehen gleich in die höher gelegenen Alpen, wo mehr geboten ist. Deshalb öffnen immer mehr Gemeinden das bestehende Wegenetz für Mountainbiker. Wobei es durch rasende Radler in Hohlwegen immer wieder zu Wortgefechten kommt.

Ein Mountainbiker springt durch den Wald. Teilen sich Wanderer und Radler Strecken, kommt es ohne die nötige Rücksicht zu Konflikten.
Ein Mountainbiker springt durch den Wald. Teilen sich Wanderer und Radler Strecken, kommt es ohne die nötige Rücksicht zu Konflikten. | Bild: Patrick Seeger (dpa)

 

Eingefleischte Wanderer („Das ist mein Weg“) und Bergradler sind kein harmonisches Gespann. Langfristig dürfte sich dieser Konflikt – ein klassischer Streit um Wegerechte – beruhigen. In anderen Bergregionen zählen Radler längst zum gewohnten Bild. In Tirol werden vielfach separate Wege für die Mountainbiker ausgewiesen. Das scheint der sauberste Weg.

Heimatmuseum hat kaum mehr Zugkraft

Und was tun an Regentagen? Das gute alte Heimatmuseum, wie man es noch in vielen Gemeinden antrifft, hat kaum mehr Zugkraft. Darin sind sich die Fachleute einig, die auf die schwachen Besucherzahlen in den ehrwürdigen Häusern verweisen.

Die Zukunft liegt dort, wo Vergangenes mit Schwung in Szene gesetzt wird. Zum Beispiel in Seebrugg direkt am Schluchsee. Eine Initiative hat mit viel Mühe und Freude den stillgelegten Mini-Bahnhof aus dem Dornröschenschlaf gelotst und mit alten Lokomotiven bestückt.

Der Zuspruch für das alte Material mit zahlreichen historischen Details ist groß. Jens Reichelt arbeitet dort als Lokführer. Er spricht von einer Zeitreise, die für viele Besucher attraktiv sei. Und: Im Schwarzwald gebe es noch manche schlafende Schönheit wie Seebrugg. Man müsse sie nur aufwecken.

Museen zum Mitmachen

Da kommt die Museumspädagogik ins Spiel. Die einschlägigen Fachleute setzen längst auf Museen zum Mitmachen. Sie meiden mittlerweile das Wort Museum, da es in den Ohren vieler nach staubiger Langweile klingt.

Beim Konzept der Zeitreise zieht nicht nur der tote Gegenstand ( Lok und Wagen), sondern die Bewegung (sie fährt) und das Mitwirken (ich bin dabei). Dieser Dreiklang zieht die Menschen an, bei Bedarf werden die Areale auch einmal in der Nacht bespielt.

Ein anderes Beispiel neben dem restaurierten Bahnhof sind die Vogtsbauernhöfe bei Gutach (Kreis Ortenau). Eine Sammlung alter Bauernhäuser zieht jährlich rund 220.000 Besucher an (2016). Wie sie das schafft? Die alten Gemäuer werden genutzt, Besucher können sich verkleiden, alte Handwerke ausüben, mitmischen.

Ein Ort zum Mitmachen: Die Museumswerkstatt in den Vogtsbauernhöfen.
Ein Ort zum Mitmachen: Die Museumswerkstatt in den Vogtsbauernhöfen. | Bild: diverse

Das Freilichtmuseum bei Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) macht es ähnlich – vom Blasmusiktreffen bis zum Fuhrmannstag mit Rössern, die Holz rücken.