Larissa Schuler-Naidin und Stefanie Tröndle vom Hebammenteam am Schwarzwald-Baar-Klinikum wirken noch immer fassungslos. „Wir haben Ängste vor dem, was kommt“, sagt Stefanie Tröndle.
Was sie damit meint, ist ein neuer bundesweiter Vertrag für Hebammenhilfe, der im Frühjahr ausgehandelt wurde und aus Sicht der Hebammen Einkommensverluste bis zu 30 Prozent bescheren dürfe.
Vertrag gilt ab 1. November 2025
Eigentlich haben die beiden Dienstbeleghebammen des Schwarzwald-Baar-Klinikums darauf gesetzt, dass es noch zu Änderungen am Vertrag kommen könnte. Doch danach sieht es mittlerweile nicht mehr aus, sodass auch sie davon ausgehen, dass der Vertrag zum 1. November 2025 in Kraft tritt.
Entschieden über die neue Vergütung hat einen Schiedsstelle, die weitgehend den Argumenten des Zentralverbands der deutschen Krankenkassen (GKV) gefolgt ist.
Im wesentlichen kritisieren die Dienstbeleghebammen zwei Punkte, die in diesem Vertrag festgezurrt wurden. So erhalten freiberufliche Hebammen in Kliniken künftig eine abgestaffelte Vergütung – und dies bereits ab der ersten Leistung rund um die Geburt, die zu einem Zeitpunkt betreut wird.
So werden für die Betreuung der ersten Schwangeren 20 Prozent abgezogen, in jedem gleichzeitig zu betreuenden Fall dann 70 Prozent.

Spitzenverband sieht die Probleme nicht
Nun haben der Krankenkassen-Spitzenverband und der Deutschen Hebammen-Verband eine gänzlich verschiedene Lesart dieser neuen Regelung. Während der GKV jubelt, die Vergütung der Beleghebammen sei „fair weiterentwickelt“ worden“, sehen sich die Beleghebammen existenziell gefährdet.
Woher rührt diese vollkommen unterschiedliche Wahrnehmung? Der GKV verweist darauf, dass Stundenlohn und Qualität steigen, die Hebammen sehen darin eine Verkennung der tatsächlichen Umstände an den Kliniken.
Klar ist, dass die Vergütung dann höher wird, wenn die Hebamme nur eine Frau zu betreuen hat. In diesem Fall verdoppelt sich der Satz von bisher 56 Euro auf 74 Euro. Doch diese Ein-zu-eins-Betreuung sei nicht realistisch, sagen die Hebammen – gerade an einem relativ großen Krankenhaus wie dem Schwarzwald-Baar-Klinikum mit seinen circa 2500 Geburten jährlich.
Das Ideal und die Wirklichkeit
So können die Hebammen nur müde lächeln über ein Ideal, das aus ihrer Sicht die Wirklichkeit nicht widerspiegelt. Gleichzeitig verweisen sie darauf, dass die Betreuung von zwei oder auch drei Müttern in der Regel problemlos sei. „Das ist gut zu schaffen“, sagt Larissa Schuler-Naidin.
Die Kritik richtet sich aber nicht nur gegen diese Regelung, sondern auch gegen die Neuerung, dass Beleghebammen ambulante Leistungen gar nicht bezahlt bekommen, wie die beiden Dienstbeleghebammen aus Villingen-Schwenningen betonen.
Wenn etwa schwangere Patientinnen mit Schmerzen, Blutungen und anderen Beschwerden in die Klinik kämen, dann würden die Frauen beraten, möglicherweise aber wieder heimgeschickt – eine Leistung, die künftig nicht mehr abgerechnet werden könne. „Es ist unfassbar, was die mit uns machen“, sagt Stefanie Tröndle.
Das Beleghebammensystem
Ihr Unmut über die neue Regelung ist umso größer, als dass die derzeitige Regelung am Schwarzwald-Baar-Klinikum für ein Erfolgsmodell halten. Dort gibt es seit vier Jahren keine angestellten Hebammen mehr, sondern ein Pool aus 30 Hebammen, die sich selbst organisieren.
„Die Berufszufriedenheit ist höher, der Krankenstand niedriger“, sagt Larissa Schuler-Naidin. Seit fünf Jahren arbeite man in einem guten Team, was auch von der Krankenhausführung anerkannt werde. „Wir erhalten tolle Unterstützung durch die Klinikleitung“, sagt Stefanie Tröndle.
„Das Modell der Dienstbeleghebammen im Schwarzwald-Baar Klinikum haben wir im Oktober 2021 eingeführt, die Erfahrungen sind positiv“, bestätigt Klinik-Geschäftsführer Matthias Geiser. Er spricht von einem zeitgemäßen Modell, von dem bislang alle Seiten profitiert hätten.
Nicht nur die gute Versorgung der Schwangeren sei gewährleistet. In Zeiten des Fachkräftemangels biete das Klinikum mit dem Dienstbeleg-System auch attraktive Arbeitsplätze für Hebammen.
Zum neuen Vertrag hat Geiser eine klare Meinung: „Dass der neue Hebammen-Dienstvertrag letztlich für die Diensthebammen zu finanziellen Einbußen führen kann, ist in Anbetracht der gleichbleibenden hohen Arbeitsleistung nicht gerechtfertigt“, betont er auf Anfrage des SÜDKURIER.
Darüber hinaus sei die Neuregelung in Bezug auf den Fachkräftemangel auch unrealistisch. Krankenkasse und Berufsverbände fordert er dazu auf, eine gemeinsame Regelung zu finden, in der auch die Belange von Dienstbeleghebammen sowie deren Arbeitsrealität ausreichend berücksichtigt werden.
Angst um den Nachwuchs
Die beiden Hebammen sehen im neuen Vertrag eine ernstliche Gefahr, dass der Beruf für viele junge Frauen uninteressant werden könnte. Schon jetzt registrierten die möglichen Bewerberinnen die Unzufriedenheit, die in der Branche herrsche. „Dort herrscht angesichts unseres Frusts eine große Unsicherheit“, sagt Larissa Schuler-Naidin.
Viele sähen sich in der Rolle der Dienstbeleghebamme, weil dieses Modell im Vergleich zum Angestelltenverhältnis etwas mehr Freiheit und Flexibilität garantiere. Schon jetzt geht etwa jede vierte Geburt in Deutschland auf das Konto einer Beleghebamme, in der Bayern liegt die Quote bei sogar 80 Prozent. Dies wiederum macht deutlich, dass die Freiberuflerinnen zu einem wichtigen Faktor geworden sind.
Hebamme – mehr als nur ein Job
„Für viele Kolleginnen, die zwar in ihrem Traumjob, aber schon heute mit prekärem Auskommen arbeiten, dürfte diese Entscheidung das endgültige Berufsaus bedeuten“, beton Ursula Jan-Zöhrens, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammen-Verbandes.
„Wir möchten den Beruf nicht aufgeben“, sagt Stefanie Tröndle, denn Hebamme zu sein, sei mehr als nur ein Job. Allerdings sieht auch sie sich mit Rahmenbedingungen konfrontiert, die sie über ihre berufliche Zukunft grübeln lassen.
Warum jetzt aber diese Schlechterstellung? Larissa Schuler-Naidin und Stefanie Tröndle können sich diese Entscheidung nur damit erklären, dass dieses Modell letztlich nicht mehr gewollt sei und so ein Instrument geschaffen worden sei, wieder mehr Hebammen ins Angestelltenverhältnis zu bringen.
Ein Berufsstand wehrt sich weiter
Aufgeben wollen die beiden Hebammen jedoch nicht: Sie führen Gespräche mit den örtlichen Parlamentariern, haben der Gesundheitsministerin geschrieben, eine Petition und eine Postkartenaktion gestartet. „Füße stillhalten fällt uns schwer“, sagt Stefan Tröndle. Womöglich müsse die neue Regelung in Kraft treten, um dann den Widerstand neu zu entfachen.