Kurz vor halb zwölf an diesem Vormittag ist es endlich, endlich soweit. „Ich hab sie“, ruft Ellen Claaßen und hebt begeistert ein leuchtend gelbes Anglernetz in die Höhe. Sie hat sie. Gefangen. Hier drin in dem grellfarbigen Netz. Sie – das ist ein Exemplar der Asiatischen Hornisse. Sie ist die erste ihrer Art, die offiziell in der Doppelstadt gesichtet wurde.

Ellen Claaßen und ihr Mann Ralf kennen sich aus mit Velutina, wie die frisch Gefangene offiziell heißt, und ihren Verwandten. Die beiden Villinger sind Fachberater für Wespen und Hornissen im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde.

Dass die Asiatische Hornisse sich in Villingen im Schwarzwald nun ausgerechnet ihren Garten als Anlaufstelle ausgesucht hat, ist Zufall und Glücksfall zugleich.

Seit März nicht mehr meldepflichtig

Denn so einfach von ihren europäischen Verwandten zu unterscheiden ist Velutina auf den ersten Blick gar nicht. Der Eindringling gilt jedoch als Gefahr für die Honigbiene. Nicht nur Imker, sondern auch Behörden sehen die Ausbreitung der aus Südostasien stammenden Insekten mit Sorge.

Seit März 2025 sind sie in Deutschland allerdings als etablierte Art eingestuft. Heißt: Sie sind so weit verbreitet, dass sie nicht mehr ausgerottet werden können, sind seitdem auch nicht mehr meldepflichtig. Es wird nur noch versucht, die Schäden in der Imkerei, im Obst- und Weinbau zu minimieren.

Erst im Mai wurde die erste Asiatische Hornisse im Schwarzwald-Baar-Kreis überhaupt gesichtet, damals in Bräunlingen. „Los bekommen werden wir sie nie wieder“, sagen nun auch die Villinger Experten. Man müsse sich stattdessen wohl eine Strategie überlegen, um mit der Art zukünftig zu leben.

Ellen und Ralf Claaßen warten schon den ganzen Morgen darauf, ob die Asiatische Hornisse zurückkehrt. Rund um ihren Weidenbaum haben sie ...
Ellen und Ralf Claaßen warten schon den ganzen Morgen darauf, ob die Asiatische Hornisse zurückkehrt. Rund um ihren Weidenbaum haben sie allerlei Leckereien als Köder für die Fluginsekten aufgestellt. | Bild: Burger, Tatjana

Eine Weide als Hornissen-Magnet

Zurück im Garten von Familie Claaßen. Am Samstag will Ralf Claaßen eigentlich nur Bienen fotografieren, die seinen blühenden Alant umschwirren, als ihm plötzlich etwas vor die Füße fällt. „Ich schaute ins Gras und sah: das ist eine Asiatische Hornisse“, erzählt der Villinger.

Ein paar Stunden später – das Ehepaar ist inzwischen am Grillen – herrscht an der Weide ein paar Meter weiter plötzlich Hochbetrieb. 20, 30 Exemplare der oft fast gefürchteten Art umschwirren das Gehölz.

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Claaßens sind Profis. Sie fangen sofort ein Tier ein, ihr Ziel: Dessen Flugrichtung bestimmen und im besten Fall das Nest finden. Dazu markieren sie die Gelb-Schwarze, ein kleiner grüner Punkt mit einem Lackstift auf dem Rücken.

Wie das geht? Die Hornisse wird in ein Plastikröhrchen mit einer kleinen Öffnung bugsiert, durch die die Spitze des Stifts passt. Dass Grün vielleicht nicht die perfekte Farbe ist, merken Ellen und Ralf Claaßen allerdings erst später.

Das Ehepaar registriert den Fund zudem sogleich bei der Meldeplattform der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Ein kleines Piktogramm zeigt dort seitdem: Auch VS hat jetzt die Asiatische Hornisse.

Ab Montag ist aber zunächst einmal Ruhe. Jetzt ist Geduld nötig, Warten und Hoffen. „Seit Samstag hatten wir plötzlichen einen heiligen Weidenbaum“, sagt Ellen Claaßen und lacht. Stundenlang beobachten die beiden die Äste seitdem.

Eine rote klebrige Schleckmuschel hängt hier nun unter anderem, ein Stückchen Fleisch, aufgeschnittenes Obst. Etwas für jeden Hornissen-Geschmack. Die Experten hoffen, dass die Hornisse mit dem grünen Punkt zurückkommt, wollen aber auch weitere Tiere einfangen und markieren.

Allein ist das Tier harmlos

Mit der Asiatischen Hornisse sind bei vielen Menschen Ängste verbunden, sie soll besonders aggressiv sein, heißt es landauf landab immer wieder. Ellen Claaßen will hier auch ein wenig beruhigen. „Die Asiatin“, wie sie das Tier schon fast ein wenig liebevoll nennt, sei friedlich, wenn sie allein oder in kleinen Gruppen unterwegs ist.

Das passt: Soeben hat sie am Baum ein Exemplar entdeckt, schwarzer Körper und gelber Streifen am Ende des Hinterleibs. Claaßens Versuche, sie mit dem gelben Netz zu erwischen, quittiert das Tier lediglich mit einem Rückzug tiefer zwischen die Äste.

Ralf Claaßen markiert eine Asiatische Hornisse Video: Burger, Tatjana

Wirklich aggressiv werden die Asiatischen Hornissen dagegen in der Nähe ihres Nests. Ralf Claaßen zeigt ein Video auf seinem Handy: Selbst eine halbe Stunde nach einer vermeintlichen Bedrohung ihres Zuhauses sind die Insekten noch in heller Aufruhr.

Die heimische Verwandte, so weiß der Insektenberater, hätte sich schon nach wenigen Minuten beruhigt. „Jeder Laie sollte die Finger von Nestern lassen“, mahnt er. Seine Frau bringt es so auf den Punkt: „Liebe Leute, schaut aufmerksam, aber keine Panik.“

Rot ist einfach besser zu sehen

Ein paar Minuten später hat Ellen Claaßen es dann doch geschafft. Ein Tier geht ihr ins gelbe Netz. Mit viel Geschick und Vorsicht schiebt sie sie in die kleine Plastikhülse. Dafür muss sogar der Netzstoff dran glauben.

Ralf Claaßen hat unterdessen schon den Lackstift parat. Kräftiges Rot diesmal – denn das ist zwischen den Ästen und Blättern einfach besser zu sehen.

Ralf Claaßen entlässt die rot markierte Asiatische Hornisse wieder in die Freiheit.
Ralf Claaßen entlässt die rot markierte Asiatische Hornisse wieder in die Freiheit. | Bild: Burger, Tatjana

Dann darf die Asiatin mit dem Punkt wieder los. Am Wochenende will Familie Claaßen dann vielleicht auf die Suche nach dem Zuhause ihrer gelb-schwarzen Sippe gehen.