Die Nachricht schockierte Singen und den Hegau: Die 72-jährige Busunternehmerin Rosemarie Meissner war am 26. Juni 2009 abends im Eingangsbereich ihres Wohnhauses in der Breslauer Straße im Singener Süden von einem Freund und Mitarbeiter leblos in einer Blutlache liegend gefunden worden. Die Unternehmerin war Chefin des traditionsreichen Singener Busunternehmens Meissner, das 1975 gegründet wurde und deren Busse bis heute unter ihrem Familiennamen fahren.

Wie der SÜDKURIER damals berichtete, vermuteten Tochter und Schwiegersohn zunächst einen häuslichen Unfall. „Es sollte sich aber schnell herausstellen, dass Rosemarie Meissner Opfer eines Gewaltverbrechens wurde“, sagt Gerd Stiefel. Der damalige Leiter der Sonderkommission erinnert sich gut an den Fall. Er ist heute im Ruhestand und als Krimiautor aktiv. Was damals auf ihn zukommen sollte, wusste er nicht: Bis zur Aufklärung der Tat wurden 200 Spuren bearbeitet und es sollte dreieinhalb Wochen dauern, bis der Fall gelöst war.
Polizei war gegen 22 Uhr vor Ort
Am Tattag, einem Freitag, wurde das Revier in Singen gegen 22 Uhr informiert, wenig später machten sich Beamte auf den Weg. Vor Ort hätten sie dann einen Freund der Unternehmerin, der die Polizei informiert hatte, Familienangehörige, Notarzt und Rettungsteam angetroffen. „Ich wurde vom Kriminalkommissar vom Dienst informiert und war um 23.30 Uhr selbst vor Ort“, berichtet Stiefel.
Was er im Haus der Unternehmerin vorfand, hat ihn erschüttert: „Ich habe den Tatort vor Augen, es war ein schrecklicher Anblick. Im Erdgeschoss waren an verschiedenen Stellen Blutspuren festzustellen“, berichtet er. Um 24 Uhr habe die Kriminaltechnik übernommen. „Die Kollegen haben einen unglaublich guten und sehr gründlichen Job gemacht“, sagt Stiefel rückblickend.
Zehn Spurenteams seien damals im Einsatz gewesen. Ohne ihre akribische Arbeit wäre der Täter wohl nicht gefasst worden, so der Ermittler. Am Samstag startete die Sonderkommission mit 20 Beamten, die später bis auf 40 Mitarbeiter erweitert wurde.

Das Tatwerkzeug war ein Hammer
Es gab anfangs keinen konkreten Tatverdächtigen und in einem ersten Schritt wurden die Menschen im Umfeld des Opfers befragt: Familie, Mitarbeiter, Nachbarn. Außerdem wurde der Tag der verstorbenen Rosemarie Meissner rekonstruiert. Die Ermittlungen ergaben, dass das Tatwerkzeug ein Hammer sein musste. Doch von diesem fehlt bis heute jede Spur: Im Haus habe kein Hammer herumgelegen, versicherte der Freund des Opfers glaubhaft.

Unklar sei zu dem Zeitpunkt auch gewesen, ob es ein Raubmord war. Im Haus fehlten 150 Euro. Einem Kriminaltechniker gelang es dann, im Erdgeschoss eine Schuhspur mit einem eigenartigen Profil herauszuarbeiten. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen orthopädischen Schuh. „Das war ein erster Mosaikstein“, berichtet Stiefel.
Ein weiterer Mosaikstein, der zur Klärung des Falls beitrug, war ein Zettel, der sich zuerst nicht zuordnen ließ. Darauf waren handschriftliche Notizen zur Ausstattung des Wintergartens der Unternehmerin – allerdings nicht in der Handschrift von Rosemarie Meissner. Zudem war gedruckt zu lesen: „Zur Prüfung vorgestellt“. Ein Ermittlerteam überprüfte daher mehrere Anlaufstellen, darunter Zulassungsstelle und TÜV. Sie erfuhren, dass solche Zettel zur Fahrprüfung benutzt wurden – und dass ein Fahrlehrer noch solche Zettel verwendet hatte.
„Der Fall war im Kasten“
Anschließend ging alles ganz schnell: Die Polizei bestellte den 56-Jährigen ein und er trug bei der Vernehmung die orthopädischen Schuhe, deren Abdruck die Polizei am Tatort gefunden hatte. „Der Fall war im Kasten, wir konnten den Täter festnehmen“, erinnert sich Stiefel.

Auch für den Zettel gab es eine Erklärung: Der 56-jährige Fahrlehrer hatte sein späteres Opfer zufällig kennengelernt. Ihm sei der schöne Wintergarten am Haus aufgefallen und er habe darüber zwei Wochen zuvor mit Rosemarie Meissner gesprochen. Der 56-Jährige hatte über 100.000 Euro Schulden. Er war dabei, seine Fahrschule abzuwickeln und nach Norddeutschland umzusiedeln, wo seine Frau schon eine Wohnung gemietet hatte.
Doch die Fahrschul-Abwicklung klappte nicht wie geplant und er habe nicht ohne Geld nach Hause kommen wollen, so der Eindruck des ehemaligen Kripo-Chefs. Der Täter sei davon ausgegangen, dass die Unternehmerin Bares im Haus hatte. „Er wollte Geld, 10.000 Euro, und sie hat ihm das Geld nicht gegeben. Da wurde er so böse, dass er zugeschlagen hat“, erklärt Gerd Stiefel das Tatgeschehen.
Fahrlehrer galt als ruhig und geduldig
Als der Soko-Leiter den Festgenommenen zum Haftrichter fuhr, konnte er den 56-Jährigen ein wenig kennenlernen. „Man hätte ihm die Tat nicht zugetraut“, erinnert er sich. Im späteren Prozess beschreibt ihn eine ehemalige Fahrschülerin als ruhig und geduldig.
Im Januar 2010 musste sich der Fahrlehrer vor dem Landgericht für seine Tat verantworten: Die Staatsanwaltschaft warf dem Mann heimtückischen und grausamen Mord vor, wie der SÜDKURIER am 14. Januar vom Prozess berichtete. Mit 15 Schlägen auf den Kopf soll er sein Opfer getötet haben. Der Fahrlehrer habe die Tat vollumfänglich gestanden, schreibt der SÜDKURIER. Es sei eine Art Kurzschlussreaktion gewesen, sagte der Angeklagte vor Gericht. Das Urteil lautete lebenslange Haft für einen laut Staatsanwaltschaft „grausamen, gefühllosen, unbarmherzigen Mord“. Das psychologische Gutachten bescheinigte dem Täter volle Schuldfähigkeit.
Die Tatwaffe wurde laut Gerd Stiefel nie gefunden. Da der Fahrlehrer nach der Tat nach Schleswig gefahren sei, hätte er sie überall auf dem Weg dorthin entsorgen können. Der Fall war trotzdem gelöst. Damit sei eine große Last von ihm abgefallen, berichtet der Soko-Leiter. „Die Tat sollte so schnell wie möglich aufgeklärt werden“, sagt der heute 65-Jährige. Denn die Tatsache, dass ein potenzieller Mörder frei herumlaufe, habe die Bevölkerung verunsichert und es sei Aufgabe der Polizei, sie zu schützen.